„Suite im alten Stil“ für Violine und Klavier (1977)
Werkverzeichnisnummer: 1670
1. Pastorale (Moderato)
2. Ballett (Allegro)
3. Menuett
4. Fuge (Allegro)
5. Pantomime (Andantino)
2004 / 2005
ALFRED SCHNITTKE
Suite im alten Stil (1977)
Alfred Schnittke war unter den russischen Komponisten im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zweifellos der bedeutendste. Musiker wie Gidon Kremer oder Mstislav Rostropowistch haben sich für seine Werke eingesetzt und spielen sie regelmäßig vor einem begeisterten Publikum in der ganzen Welt. Dennoch entzieht sich Schnittke jeder vordergründigen Einordnung.
Schon, ob er eigentlich ein russischer Komponist sei, wollte er nicht eindeutig beantworten: „Ich bin halb Deutscher, halb Jude und lebe in Rußland – da gibt es keine Lösung.“ Schnittke wurde 1934 in der damals noch autonomen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen geboren, später war sein Vater Herausgeber einer deutschsprachigen Zeitung der russischen Besatzungstruppen in Wien, so dass Schnittke dort seine erste musikalische Ausbildung erfuhr. Die Wiener Schule, vermittelt durch einen Schüler Weberns, war ein prägender Eindruck. „Ich gehöre schon zur russischen Schule, aber nicht zu jenen Komponisten, die nur „national“ komponieren … Ich meine, ich bin wohl ein Produkt der russischen Musikentwicklung, aber gleichzeitig auch der deutschen Musik, und nicht nur der modernen, sondern auch der frühen.“
Bereits in seiner Ausbildung gewann Schnittke ein ungezwungenes Verhältnis zur älteren Musik, das ihn von der strengen Avantgarde des Westens unterschied: „Für mich bedeutete die Musikgeschichte nicht schon etwas Ödes aus der Vergangenheit, sondern sie war etwas Lebendiges.“ Von der Faszination, die etwa die Barockmusik auf ihn ausübte, legt die Suite im alten Stil beredtes Zeugnis ab.
Bei diesem 1977 erschienenen Stück handelt es sich um eine Folge stilisierter Barocktänze nach dem Vorbild von Strawinskys Pulcinella. Dessen Rückgriff auf angebliche Themen Pergolesis geht hier in ein ironisches Spiel mit Stilkopie und Pseudozitat über. So stellt die Sonate ein höchst vergnügliches und dabei überaus wohlklingendes Panorama für Stilkundige dar.
Sie beginnt mit einer Pastorale im Rhythmus eines Siciliano, die unmittelbar auf das Vorbild des Pulcinella verweist. Darauf folgt als Ballett eine Bourrée, wie sie in jeder Klaviersuite Händels stehen könnte, während das Menuett die Harmonik Bachs nachahmt. Auch die Fuge strebt natürlich dem Bachschen Vorbild nach, und fast meint man, im Klavier ein Präludium aus den Englischen Suiten zu hören.
Fließend geht die scheinbare Stilkopie über in Doppelbödiges; der Raum der Musikgeschichte öffnet sich über die Barockzeit hinaus in eine für Schnittke typische „Zeitspirale“. So mutiert die abschließende Pantomime aus einem Scarlatti-Imitat unversehens in einen Schubertschen Ländler, um mit einer empfindlichen Ruhestörung des Rokoko-Idylls zu enden.