Streichquartett c-Moll, op. 110 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Dimitri Schostakowitsch

Streichquartett c-Moll, op. 110

Quartett Nr. 8 c-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 110

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1689

Satzbezeichnungen

1. Largo

2. Allegro molto

3. Allegretto

4. Largo

5. Largo

Erläuterungen

2003
D. SCHOSTAKOWITSCH
Achtes Streichquartett

Schostakowitsch schrieb sein achtes Quartett 1960 in der Nähe von Dresden. Er hielt sich dort zu Dreharbeiten für den sowjetischen Film Fünf Tage und fünf Nächte auf, der die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg dokumentieren sollte. Die Interviews, die dazu mit Augenzeugen geführt wurden, beeindruckten ihn so stark, dass er in nur drei Tagen das Quartett schrieb und es den Opfern des Krieges und des Faschismus widmete.

Das Stück ist ein Schlüsselwerk des Antifaschisten Schostakowitsch, der sein gesamtes Schaffen als Trauerarbeit für die Opfer verstand. Zugleich sollte es sein eigenes Requiem sein. Es enthält eine Fülle von Zitaten aus früheren Werken (l. und 5. Symphonie, 2. Klaviertrio, 1. Cellokonzert, Lady Macbeth von Mzensk.) Außerdem liegt allen Sätzen als Motto ein Motiv zugrunde, das aus den Initialen des Komponisten gebildet ist: D(E)S C H.

Am Beginn steht ein langsames Fugato über das Mottothema. Es kehrt am Ende fast unverändert wieder, so dass insgesamt eine fünfteilige Bogenform entsteht. Nach der Fugenexposition tritt das Thema überraschend in feierlichem Moll auf Dieser Kontrast zwischen freitonalen, dissonanten Bildungen und reiner Tonalität prägt das gesamte Werk. Weitere Themen des ersten Satzes sind chromatische Läufe, ein Quartmotiv und ein Zitat aus der 5. Symphonie.

Äußerste Klanghärten prägen den zweiten Satz. Sie sind unschwer als Metaphern für faschistische Gewalt zu verstehen: im Lauf des Satzes werden alle Themen des ersten, einschließlich des Mottos, brutal entstellt. Nur ein jüdischer Klagegesang aus dem Finale des e-Moll Klaviertrios scheint zu protestieren.

Im Stile eines Mahlerschen Scherzos wird das Motto im dritten Satz verwandelt – in einen ironischen Walzer voller Banalitäten. Wieder setzt der Mittelteil einen atmosphärischen Kontrast. Chromatische Läufe in Quintparallelen wehen über eine Cellomelodie hinweg.

Im vierten Satz schrieb Schostakowitsch sein Fanal für die Opfer. Perkussive Akkordschläge rufen das Bild einer Hinrichtung wach. Nur allzu vertraut war dem Komponisten die Szenerie der Massenhinrichtungen unter Hitler und Stalin. Die langen Töne der ersten Violine, aus dem Scherzo heraus entwickelt, legen sich beklemmend über den Satz. Im Mittelteil gehen sie in einen Klagegesang in cis-Moll über, über dem sich eine Melodie des Cellos dolce in höchster Lage erhebt.

Aus Fragmenten tritt allmählich das Motto wieder hervor. Es wird im Finale einer ausführlichen Fuge mit Gegenthema unterzogen, bevor das Fugato des ersten Satzes wiederkehrt. An seinem Schluß steht, unverkennbar programmatisch, eine Dissonanz, die sich “ersterbend” (morendo) auflöst.