Klavierquintett g-Moll, op. 57 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Dimitri Schostakowitsch

Klavierquintett g-Moll, op. 57

Quintett g-Moll für zwei Violinen, Viola Violoncello und Klavier, op. 57

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1695

Satzbezeichnungen

1. Präludium. Lento

2. Fuge. Adagio

3. Scherzo. Allegretto

4. Intermezzo. Lento

5. Finale. Allegretto

Erläuterungen

Dimitri Schostakowitsch wurde 1906 im zaristischen St. Petersburg geboren, begann sein Studium zwei Jahre nach der Oktoberrevolution 1919 in der selben Stadt unter ihrem neuen Namen “Petrograd” und setzte ihr schließlich 1941 mit der “Leningrader Symphonie” das eindrucksvollste Denkmal. Die Namensänderungen “seiner” Stadt mögen andeuten, wie sehr Schostakowitschs Musik mit den großen Veränderungen der russischen Gesellschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zusammenhängt. In jedem seiner reifen Werke ist dieser Hintergrund zu spüren, auch in seinem einzigen Klavierquintett, op. 57.
Es wurde 1940 komponiert und im September dieses Jahres in Moskau uraufgeführt – neun Monate, bevor Hitler den Pakt mit Stalin brach und seine Truppen in der Sowjetunion einmarschieren ließ. 1940 ahnte von dieser Bedrohung scheinbar niemand etwas. Die Uraufführungskritik zu Schostakowitschs Quintett in der “Prawda” war ein einziger Hymnus auf die Ästhetik des “sozialistischen Realismus”: “Schostakowitsch fand die lyrische Lösung für eine sehr wichtige künstlerische Aufgabe der Gegenwart: den inneren Reichtum einer großen Persönlichkeit wahrheitsgetreu, aufrichtig und mitreißend darzustellen.”
Für Schostakowitsch, den viel Geschmähten, war dieser Artikel die Rehabilitierung nach den scharfen Angriffen, die die “Pravda” vier Jahre zuvor gegen seine Musik veröffentlicht hatte. Damals hatte man ihn als Vertreter “westlicher Dekadenz” gebrandmarkt. Nun wurde der 36jährige von der sozialistischen Kulturpolitik wieder in Gnaden aufgenommen und erhielt für das Quintett 1941 den “Stalin-Preis 1. Klasse”. Die eigentlichen Prüfungen im “großen vaterländischen Krieg” standen dem Komponisten, seiner Stadt und der Sowjetunion damals freilich noch bevor.
In seinem Quintett erzählt Schostakowitsch unterschwellig – wie in vielen seiner großen Werke – von dieser Bedrohung. Trotz des sozialistisch-positiven Echos in der “Prawda” und trotz der Kritik Prokofieffs, der das Quintett seines Kollegen ein Werk “ohne Abenteuer und Impetus” nannte, ist es ein Stück voll unterdrückter Dramatik. Das große musikalische Vorbild war Johann Sebastian Bach. Aus den harmonischen Spannungsbögen von dessen Präludien und Fugen bezog Schostakowitsch die Idee zum Anfang des Quintetts, ebenfalls einem Satzpaar aus Präludium und Fuge. Der Musik Bachs verwandt erscheint auch die glasklare Linienführung des Werkes, in dem jede Note exakt kalkuliert erscheint. Selbst Prokofieff musste dies, wenn auch unter kritischen Vorzeichen, zugeben: “Was mich an diesem Quintett erstaunt, ist, dass ein so junger Komponist auf der Höhe seiner schöpferischen Kräfte sich so sehr zurückhält und jede Note so sorgsam berechnet.” Was Prokofieff als Furcht vor dem Risiko auslegte (“Er riskiert nie etwas.”), macht für uns heute den typischen Schostakowitsch-Ton aus: die Gebrochenheit einer Musik, die romantischen Überschwang vermeidet und emotionale Gegensätze in unterdrückte Passion übersetzt.