Quartettsatz c-Moll, D 703 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Franz Schubert

Quartettsatz c-Moll, D 703

Quartettsatz c-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello, D 703

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1730

Satzbezeichnungen

Allegro assai

Erläuterungen

Das Quartettschaffen des jungen Schubert führt uns mitten hinein in die Wiener Quartettbegeisterung des frühen 19. Jahrhunderts. Schon als Gymnasiast am K. K. Stadtkonvikt hatte Schubert quasi täglich Quartett-„Komiterien“ zu absolvieren. Zuhause bei seinem Vater und seinen Brüdern griff er ebenso selbstverständlich zur Bratsche und zu den Quartettnoten Haydns und Mozarts. „Für seinen Vater und die älteren Brüder war es ein vorzüglicher Genuß, mit ihm Quartetten zu spielen. Bei diesen spielte Franz immer Viola, sein Bruder Ignaz die zweite, Ferdinand die erste Violine, und der Papa Violoncello“, berichtete einer seiner Freunde.

Dokument dieses schulischen und familiären Quartettspiels sind Schuberts elf Jugendquartette, 1810 bis 1816 komponiert. Äußerer Erfolg war ihm damit nicht beschieden; vergeblich bot er seine drei besten frühen Quartette dem Verleger Artaria zur Publikation an. Dieser soll – eingedenk der großen Vergangenheit seines Verlagshauses in diesem Genre – geantwortet haben, Schülerarbeit nehme er nicht. Die natürliche Folge war eine Krise in Schuberts Quartettschaffen, die er erst 1824 mit den beiden großen Werken in a-Moll (Rosamunde) und d-Moll (Der Tod und das Mädchen) überwandt.
Einen früheren Versuch, sich von der „Schülerarbeit“ seiner Jugendquartette zu distanzieren, belegt der Quartettsatz c-Moll von 1820, mit dem unser Konzert beginnt. Es handelt sich um das Fragment eines Streichquartetts in c-Moll, das er im Dezember 1820 begann, jedoch nach dem 41. Takt des zweiten Satzes unvollendet liegen ließ.

Bis heute wirkt der vollendete erste Satz wie ein erregendes Experiment auf dem Wege zu einem neuen Stil. Statt klare, aus prägnanten Motiven aufgebaute Themen aufzustellen und sie zu entwickeln, stellte Schubert hier zwei Klangideen unvermittelt nebeneinander: eine kreisende Figur im Tremolo über dem absteigenden Quartgang in Moll und ein sehnsüchtiges Liedthema in Dur. Lose der klassischen Sonatenform folgend, lösen die beiden Themen einander zunächst antithetisch ab, um sich dann – im Durchführungsabschnitt – allmählich zu durchdringen. Die Reprise bringt die Themen in umgekehrter Reihenfolge, so dass der Satz mit dem Tremolo des Abfangs schließt. Beim Hören drängt sich ganz unmittelbar das romantische Bild eines seligen Traumes und seiner Zerstörung in stürmischer Gegenwart auf. Ähnlich wie im Falle der h-Moll-Sinfonie ist es höchst bedauerlich, dass Schubert dieses so genial begonnene Quartett nicht zu Ende führte.