Streichquartett F-Dur, op. 18,1 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ludwig van Beethoven

Streichquartett F-Dur, op. 18,1

Quartett F-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 18,1

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 176

Satzbezeichnungen

1. Allegro con brio

2. Adagio affettuoso ed appassionato

3. Scherzo. Allegro molto – Trio

4. Allegro

Erläuterungen

1799, ein Jahr, nachdem Haydn sein Opus 76 vollendet hatte, begann sein Schüler Beethoven mit der Komposition seines ersten Opus von Streichquartetten. Vor der Drucklegung 1801 hat er sie noch einmal einschneidend revidiert, um sie noch quartettmäßiger zu machen. Mit diesem Quartett-Gesellenstück erklomm der junge Beethoven den Parnass der angesehensten Kammermusikgattung der Wiener Klassik. Selten gelang es einem „Newcomer“ im Quartettgenre, schon mit seinem ersten Zyklus der Gattung so entscheidende neue Impulse zu geben. Man könnte sie mit „polyphoner Durchdringung“ und „pathetischer Überhöhung“ umschreiben.
Noch im Sommer 1799 hatte Beethoven die Urfassung des F-Dur-Quartetts, op. 18, 1, mit begeisterten Worten seinem Jugendfreund Carl Amenda nach Riga geschickt. Ein Jahr später forderte er ihn auf: „Dein Quartett gieb ja nicht weiter, weil ich es sehr umgeändert habe, indem ich erst jetzt recht Quartetten zu schreiben weiß.“ In der Urfassung wird das Hauptthema des Kopsatzes mit Penetranz in fast jedem Takt verarbeitet; in die Endfassung brachte Beethoven deutlich mehr Eleganz, besonders in den Überleitungen, eine neuartige Ökonomie der Mittel und eine rigorose Polyphonie, in der alle füllenden Begleitstimmen verschwunden sind.
Das Hauptthema des Allegro con brio, an sich eine ganz konventionelle Drehfigur aus dem Repertoire der „Mannheimer Schule“, erweist sich im Laufe des Satzes als ideales Material für diese Art der thematisch-motivischen Arbeit. Auf dem ebenso lakonischen wie vielfältig deutbaren Motiv hat Beethoven mithilfe harmonischer Ausweichungen und langer Durchführungsarbschnitte eine riesige Sonatenform aufgebaut, die den Kopfsatz von Haydns d-Moll-Quartett an Länge noch weit übertrifft. Hier steht tatsächlich im Streichquartett die Sinfonie bereits „ante portas“.
Im Adagio affettuoso ed appassionato ging Beethoven dann auch thematisch neue Wege. Er „erfand“ das pathetische Adagio in Moll in seiner dramatischsten Form – gleichsam als theatralischen Dialog aller vier Instrumente über ein Thema, mit einer dynamischen Spanne, die vom ppp bis zum ff reicht, voller „sprechender“ Gesten und orchestraler Klänge. Es verwundert nicht, dass man ihm unterstellte, hier nach einem literarischen Vorbild aus einer Tragödie gearbeitet zu haben: der Sterbe-szene aus Romeo und Julia.
Während man das Finale als Zugeständnis an den Kehraus-Typus Haydns interpretieren kann, läßt das Scherzo wieder den Sinfoniker Beethoven erahnen.

04.10.1998:

Mit den 1798 begonnenen, vor der Drucklegung 1801 jedoch einschneidend revidierten Quartetten ebnete sich der junge Beethoven den Weg zur angesehensten Kammermusikgattung der Wiener Klassik. Deren hohem Anspruch, durch Mozart und Haydn vorgegeben, eiferten auch unzählige andere Wiener Komponisten nach, doch einzig Beethoven gelang schon in seinem ersten Zyklus der Durchbruch zu einem die Gattung erweiternden Ansatz. Man kann ihn vereinfachend mit polyphoner Durchdringung und pathetischer Überhöhung umschreiben.
Hatte Beethoven die Urfassung des F-Dur-Quartetts, op. 18, 1, noch im Sommer 1799 mit begeisterten Worten seinem Jugendfreund Carl Amenda nach Riga geschickt, so warnte er ein Jahr später bereits: „Dein Quartett gieb ja nicht weiter, weil ich es sehr umgeändert habe, indem ich erst jetzt recht Quartetten zu schreiben weiß.“
Den Anspruch des „QuartettSchreibens“ hatte bereits die Urfassung erfüllt, indem sie das Hauptthema in fast jedem Takt in immer neuen Varianten präsentierte; Beethoven brachte in die Endfassung jedoch eine neue Ökonomie der Mittel und eine rigorose Polyphonie hinein, in der alle füllenden Begleitstimmen verschwunden sind. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß das Hauptthema selbst auf Konventionen der Zeit beruht: Es findet sich schon in einer Opernouvertüre des Koblenzer Hofkapellmeisters Pompeo Sales. Wie meist beim frühen Beethoven, dem man allenthalben melodische Entlehnungen bei seinen Zeitgenossen nachweisen kann, ist es nicht die Eigenständigkeit der Themen, sondern deren Verarbeitung, die den „Personalstil“ ausmacht.
Im Adagio affetuoso ed appassionato ging er allerdings auch thematisch neue Wege. Er „erfand“ das pathetische Adagio in Moll in seiner dramatischsten Form – mit einer dynamischen Spanne, die vom ppp bis zum ff reicht, voller „sprechender“ Gesten und orchestraler Klänge. Es mag nicht verwundern, daß man ihm unterstellte, hier nach einem literarischen Vorbild aus dem Bereich der Tragödie gearbeitet zu haben: der Grabszene aus Romeo und Julia. Während man das Finale als Zugeständnis an den Kehraus-Typus Haydns interpretieren kann, läßt das Scherzo bereits den Sinfoniker Beethoven erahnen.