Streichquartett e-Moll | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Giuseppe Verdi

Streichquartett e-Moll

Quartett e-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 4202

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Andantino

3. Prestissimo

4. Scherzo – Fuga. Allegro assai mosso – Poco più presto

Erläuterungen

“Ich weiß nicht, ob das Quartett schön ist oder nicht, aber ich weiß, dass es ein Quartett ist.“ Mit diesem lakonischen Kommentar zu seinem e-Moll-Streichquartett reagierte Giuseppe Verdi auf die naheliegende Vermutung, ein Opernkomponist könne die Komposition eines Streichquartetts unterschätzen. Ganz im Gegenteil war sich Verdi des hohen Anspruchs der Gattung nur zu bewusst, als er sich im März 1873 – während der Wartezeit auf die Erstaufführung der Aida in Neapel – zur Komposition seines ersten und einzigen Quartetts entschloss. Nach der privaten Uraufführung am 1. April 1873 wollte er von einer Publikation eigentlich absehen, doch sein Verleger Ricordi konnte ihn schließlich zur Herausgabe im Druck bewegen.
Grundsätzlich war Verdi der Meinung, das Streichquartett sei in Italien eine „pianta fuori clima“, eine Pflanze außerhalb ihres natürlichen Klimas. Für ihn war der abstrakte Instrumentalsatz des Quartetts eine Sache für die Deutschen, die konkrete, sinnliche Kantilene dagegen, wie sie sich im Operngesang manifestierte, das nationale Erbe Italiens. Den Streichquartetten seiner Opernvorgänger, insbesondere von Gaetano Donizetti, maß er keinerlei Bedeutung bei. Dennoch hatte er die Streichquartette Mozarts, Haydns und Beethovens intensiv studiert. Diese Studien hatten ihm die Eigenarten des Quartettsatzes – Unabhängigkeit der vier Stimmen und beständiger Dialog über Themenbausteine – deutlich vor Augen geführt. Die Spuren davon sind in seinem einzigen Streichquartett unüberhörbar, freilich auch im Orchestersatz seiner Opern. Der quasi abstrakte vierstimmige Satz des e-Moll-Quartetts brachte an Verdis Stil absolut-musikalische Qualitäten zum Vorschein, die sich in seinen Opernszenen oftmals nur unterschwellig, hinter Kantilene und Dramatik verborgen, entfalten.

„Verdis Werk ist formal überaus geschlossen,… perfekt in der Balance der vier Instrumente, was durch dichten Kontrapunkt und einen höchst brillanten Quartettsatz erreicht wird. Das einleitende Allegro ist ein Sonatensatz ohne Durchführung und mit variierter Reprise. Imitation und Fugatotechnik tauchen häufig auf, wie gleich im ersten Abschnitt, dessen Thema auf der vierten Saite der zweiten Violine an ‘Nume, custode e vindice’ aus Aida erinnert. Die zweite Themengruppe ist von der ersten durch ihre choralartige Anlage abgesetzt.

Der zweite Satz, ein Andantino in C-Dur, ist eine raffinierte Mazurka mit einem um Moll- und Dur-Terzen kreisenden Thema, das von klagenden verminderten und übermäßigen Intervallen getragen wird. Der Satz hat eine rondoartige Form.

Verdis Opernton kommt im Prestissimo mit seinen Anklängen an den Eröffnungschor des Trovatore und in der Cellomelodie des Trios zum Vorschein.

Das Finale trägt den Titel Scherzo Fuga. Weit mehr als eine akademische Studie, ist es der Höhepunkt eines Werkes, in dem der Kontrapunkt dominiert. Verdi sollte zur Fugentechnik im Falstaff-Finale ‘Tutto nel mondo è burla’ zurückkehren, wo ihr
Gebrauch (wie im Streichquartett) beweist, wie sehr sein Theatergenie selbst in der strengsten der musikalischen Formen das dramatische Potential zum Vorschein brachte.” (M. Girardi)