Klaviertrio Nr. 4 e-Moll, op. 90 (Dumky) | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Antonin Dvorák

Klaviertrio Nr. 4 e-Moll, op. 90 (Dumky)

Trio Nr. 4 e-Moll für Violine und Violoncello und Klavier, op. 90 (Dumky Trio)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 602

Satzbezeichnungen

1. Lento maestoso – Allegro quasi doppio movimento (attaca)

2. Poco Adagio – Vivace non troppo (attaca)

3. Andante – Vivace non troppo

4. Andante moderato – Allegretto scherzando – Meno mosso

5. Allegro

6. Lento maestoso – Vivace

Erläuterungen

2004
Dumky, op. 90

Dvoraks beliebtestes Werk für Violine, Violoncello und Klavier ist zwar der Besetzung, nicht aber der Form nach ein klassisches Klaviertrio. Dvorak selbst nannte es – als er es 1891, acht Jahre nach seinem f-Moll-Trio, veröffentlichte, ganz bewusst nicht „Klaviertrio Nr. 4“, sondern schlicht Dumky. Man könnte diesen Titel in Analogie zu den Slawischen Tänzen mit „Ukrainische Tänze“ übersetzen, denn das Trio besteht aus nichts anderem als aus sechs aufeinanderfolgenden Dumkas. Die Dumka ist ein ursprünglich aus der Ukraine stammender Tanz, sein Merkmal der zweimalige Wechsel zwischen „langsam-schwermütigen und schnell-ausgelassenen Charakteren“ (Ludwig Finscher). Auf diesem Prinzip beruht jeder der sechs Sätze in Dvoraks Opus 90, mit der Besonderheit, dass die ersten drei Dumky attacca ineinander übergehen, also eine Art zusammenhängenden Kopfsatz mit langsamer Einleitung bilden. Nach einer kleinen Pause folgen die beiden separaten Mittelsätze, quasi langsamer Satz und Scherzo , schließlich das Finale. Trotz der scheinbar losen Reihung von Tänzen wird also subkutan doch wieder die Form eines „ernsthaften, viersätzigen Stücks“, wie Brahms es nannte, suggeriert.

Auch in der Tonartenfolge scheint das Werk nicht geschlossen und dennoch zyklisch zusammenhängend. Die erste Dumka steht in e-, die letzte in c-Moll, dazwischen führt ein subtiler Modulationsweg zunächst über cis-Moll nach A-Dur, dann über d-Moll und Es-Dur nach c. Keiner der Sätze weist eine Durchführung auf; thematisch-motivische Arbeit im Sinne Beethovens fehlt völlig, und auch im Klang dominiert ein flächiges Musizieren, das oft gerade das Cello als primus inter pares hervortreten lässt. Gerade in dieser Dominanz des puren Klangs, der sich mal in ausdrucksvoll-getragenen Kantilenen, mal in tänzerisch-vitalen Eruptionen bekundet, liegt die Ursache für den Erfolg, der dem Werk seit der Uraufführung im April 1891 treu geblieben ist.

Ottokar Sourek hat hintergründig bemerkt, wie sehr rasche Stimmungsumschwünge auch Dvoraks eigenem Temperament entsprachen. Insofern offenbart das Opus 90 das Wesen des Komponisten unmittelbarer als jedes andere seiner Kammermusikwerke. Hier spricht sozusagen „Pan Dvorak“, wie sich der Komponist in seinem einzigen Interview in der Times nennen ließ, höchst persönlich.
Die Charakterisierungskunst des Komponisten der Slawischen Tänze feiert auch ind en Dumky wahre Urständ. Der Kopfsatz hat den Charakter einer gewichtigen Einleitung aus Cello-Rezitativ und melancholischer Geigenkantilene, die sich im schnellen Teil in ihr heiteres Gegenteil verkehrt. Der zweite, unmittelbar folgende Satz beginnt als träumerisches Intermezzo im Cello, um sich dann umso ausgelassener einem Volkstanz hinzugeben; der dritte variiert ein einziges Thema auf vielfältige Art.

Nach dieser dreifachen Einleitung folgt anstelle des langsamen Satzes ein langsamer Marsch in d, dessen Cellomelodie sich über gleichmäßiger Begleitung von Klavier und Geige entfaltet. Durchgängig Scherzocharakter trägt der fünfte Satz in Es-Dur, unterbrochen von Rezitativen. Der Finalcharakter des letzten Satzes ist wiederum deutlich ausgeprägt bis hin zur breit ausgeführten, klagenden Coda.