Streichquartett d-Moll, op. 76,2; Hob. III: 76 ("Quintenquartett") | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Joseph Haydn

Streichquartett d-Moll, op. 76,2; Hob. III: 76 ("Quintenquartett")

Quartett d-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 76,2; Hob. III: 76, („Quintenquartett“)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 850

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Andante o più tosto allegretto

3. Menuetto – Trio

4. Finale. Vivace assai

Erläuterungen

Dem 65-jährigen Haydn beim Komponieren über die Schulter zu sehen, war ein Abenteuer: „Vor einigen Tagen war ich wieder bei Haydn. Bei dieser Gelegenheit spielte er mir auf dem Clavier vor, Violinquartette, die ein Graf Erdödy für 100 Dukaten bei ihm bestellt hat und die erst nach einer gewissen Anzahl von Jahren gedruckt werden dürfen.“ So berichtete der schwedische Musikfreund F. S. Silverstope im Juni 1797 aus Wien. Das zweite jener neuen „Violinquartette“, die tatsächlich erst zwei Jahre später als Opus 76 gedruckt wurden, war das d-Moll-Quartett. Nach dem Thema des ersten Satzes, das aus fallenden Quinten besteht, nennt man es auch „Quinten-Quartett“, das gesamte Opus 76 nach dem ungarischen Auftraggeber auch die „Erdödy-Quartette“.

Als Eigenart dieser letzten sechsteiligen Serie von Streichquartetten, die Haydn vollendete, gilt einerseits die quasi-sinfonische Anlage der schnellen Sätze, andererseits die Tiefgründigkeit der Adagios. Der Geist der Überraschung, der Witz im Sinne des 18. Jahrhunderts, den Haydn in seinen Londoner Sinfonien im sinfonischen Metier ausgekostet hatte, wird hier mit letzter Konsequenz und in breitesten Formen auf das Quartett übertragen. In London hatte Haydn erlebt, wie seine Streichquartette Opus 64 im Sinfoniekonzert gespielt wurden, also für ein breites Publikum, nicht mehr nur für Kenner. Diese Erfahrung wirkte zurück auf die populären Effekte in seinen neuen Quartetten. Die Tiefgründigkeit der Adagios wie auch der Ernst manches Allegro hängt mit der bedrückenden Erfahrung der Revolutionskriege zusammen, die Haydn damals auch in seinen sechs späten Messen (besonders in der „Paukenmesse“ und „Nelsonmesse“) verarbeitete.

Das erste Allegro des d-Moll Quartetts mag in seinem düsteren Tonfall diesen Hintergrund widerspiegeln. Typisch für Haydn ist freilich, dass auf das herrnetische Moll stets heiter-helles Dur folgt. Er hat sich nie mit solcher Konsequenz wie Mozart den abgründigen Seiten einer Tonart wie d-Moll verschrieben; die Wendung nach Dur ist immer sozusagen mit einkalkuliert. Von äußerster Konsequenz wirkt dagegen die Verarbeitung der Quinten aus dem Hauptthema. Sie durchziehen alle Formteile, mal als weitgespannte Quintenmelodie wie zu Beginn, mal als spielerisches Tanzmotiv oder als Kontrapunkt in einem fugierten Abschnitt, mal als volkstümlicher Bordunbass oder, wie in der Durchführung, als Kanon, auch in Umkehrung. Haydns Kunst der Überraschung feiert wahre Triumphe. Nach einer fandangoartigen Stelle in der Durchführung kommt die Bewegung mehrmals in Fermaten mit Generalpausen zum Erliegen, um danach, quasi mit einem Ruck, eine neue überraschende Wendung zu nehmen. In der Reprise bleibt kein Stein auf dem anderen.

Das lyrische Andante in D-Dur gibt sich danach umso unkomplizierter: als Liedmelodie der ersten Violine zu serenadenhafter Pizzicatobegleitung. Es braucht kaum gesagt zu werden, dass es sich nur um den Schein von Naivität handelt, der sich im Verlauf des Satzes in Doppelbödigkeiten und abgründigen Modulationen verliert.

Das Menuett hat man wegen seines bärbeißigen Oktavkanons zwischen Violinen und Unterstimmen „Nachtwächter“- oder auch „Hexen-Menuett“ genannt. Der Unterschied zwischen den beiden Titeln dürfte sich aus den extrem unterschiedlichen Tempi erklären, in denen man noch heute Haydns Menuette hören kann. Das Trio in D-Dur zählt zu Haydns populärsten Tanzmelodien, ein Paradestück für den ersten Geiger und ein auskomponierter Witz über repetierte Akkorde für das gesamte Streichquartett.

Das Finale, von dem sich Haydns damaliger Schüler Beethoven hörbar zum Finale seines c-Moll-Klavierkonzerts inspirieren ließ, ist weniger volkstümlich-direkt als manches andere Haydn-Finale. Formal vielschichtig spielt es mit verschiedenen Melodien im Volkston in Moll und Dur, wobei die düster-dramatischen Töne vorherrschen – eine Reminiszenz an Haydns frühen „Sturm und Drang“-Jahre und ein unüberhörbarer Hinweis auf die düsteren Zeitläufte.

Quartett d-Moll, op. 76,2

Das erste Allegro des d-Moll Quartetts mag in seinem hermetischen Tonfall diesen Hintergrund widerspiegeln. Typisch für Haydn ist, dass auf das düstere d-Moll bald helles Dur folgt. Von äußerster Konsequenz ist die Verarbeitung der Quinten aus dem Hauptthema. Sie durchziehen alle Formteile, mal als weitgespannte Quintenmelodie wie zu Beginn, mal als spielerisches Tanzmotiv oder als Kontrapunkt zu einem fugierten Abschnitt, mal als volkstümlicher Bordunbass oder, wie in der Durchführung, als Kanon, auch in Umkehrung. Haydns Kunst der Überraschung feiert Triumphe. Nach einer fandangoartigen Stelle in der Durchführung kommt die Bewegung mehrmals in Fermaten mit Generalpausen zum Erliegen, um danach, quasi mit einem Ruck, eine neue überraschende Wendung zu nehmen. In der Reprise bleibt kein Stein auf dem anderen.

Das Andante in D-Dur gibt sich danach lyrisch schlicht und unkompliziert: als Liedmelodie der ersten Violine zu serenadenhafter Pizzicatobegleitung. Es braucht kaum gesagt zu werden, dass es sich nur um den Schein von Naivität handelt, der sich im Verlauf des Satzes in Doppelbödigkeiten und abgründigen Modulationen verliert.

Das Menuett hat man wegen seines bärbeißigen Oktavkanons zwischen Violinen und Unterstimmen „Nachtwächter“- oder auch „Hexen-Menuett“ genannt. Der Unterschied zwischen den beiden Titeln dürfte sich aus den extrem unterschiedlichen Tempi erklären, in denen man noch heute Haydns Menuette im Allgemeinen und dieses im Besonderen hören kann. Das Trio in D-Dur zählt zu Haydns populärsten Tanzmelodien, ein Paradestück für den ersten Geiger und ein auskomponierter Witz über repetierten Akkorden.

Vom Finale hat sich Haydns damaliger Schüler Beethoven hörbar zum Finale seines c-Moll Klavierkonzerts inspirieren lassen. Es ist weit weniger volkstümlich als manches andere Haydn-Rondo. Formal vielschichtig spielt es mit verschiedenen Melodien im Volkston in Moll und Dur, wobei die düster-dramatischen Töne vorherrschen.