Cellosonate B-Dur, op. 45 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Felix Mendelssohn-Bartholdy

Cellosonate B-Dur, op. 45

Sonate Nr. 1 B-Dur für Violoncello und Klavier, op. 45

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1262

Satzbezeichnungen

1. Allegro vivace

2. Andante

3. Allegro assai

Erläuterungen

2019:
Das Unbehagen am Erfolg seiner Lieder ohne Worte für Klavier weckte in Felix Mendelssohn Ende der 1830er Jahre ein neues Interesse an der Kammermusik für Streicher und Klavier: „Zudem ist ein ganz bedeutender und mir sehr lieber Zweig der Claviermusik, Trios, Quartetten und andere Sachen mit Begleitung, so die rechte Kammermusik, jetzt ganz vergessen und das Bedürfniß, mal was Neues darin zu haben, ist mir gar zu groß. Da möchte ich auch gern etwas dazu thun“, schrieb er 1838 an Ferdinand Hiller. Im gleichen Jahr komponierte er die B-Dur-Cellosonate, op. 45.

Mendelssohns Freund Robert Schumann hat ihr in der Neuen Zeitschrift für Musik eine Kritik gewidmet, die ihr Wesen treffend beschreibt: „Die Sonate ist … reinste, durch sich selbst gültigste Musik , eine Sonate, wie sie irgend je aus großen Künstlerhänden hervorgegangen, im besonderen wenn man will, eine Sonate für feinste Familienzirkel, am Besten etwa nach einigen Goethe’schen oder Lord Byron’schen Gedichten zu genießen. Über Form und Styl noch mehr zu sagen, schenke man der Zeitschrift; man findet Alles in der Sonate besser und nachdrücklicher.“ Trotz dieser Warnung seien hier ein paar beschreibende Worte zu den drei Sätzen angefügt.

Den ersten Satz, ein Allegro vivace in weit dimensionierter Sonatenform, eröffnen Cello und Klavier im Unisono, mit einem sanft aufsteigenden Thema, dem man nicht anhört, zu welchen Höhen heroischer Kraft es sich im Laufe des Satzes aufschwingen wird. Das Hauptthema wird alsbald zwischen rechter Hand und Streichinstrument dialogisch aufgespalten und zu einem ersten emphatischen Höhepunkt geführt, bevor es von einer rastlosen Triolenfigur verdrängt wird, die den weiteren Verlauf des Satzes prägt. Aus den Triolen geht nahtlos das Seitenthema hervor, eine nervös pulsierende Liedweise. In der Schlussgruppe nimmt die Triolenfigur düster-heroische Züge an und lockt das Hauptthema wieder hervor, das nun aber – zu Beginn der Durchführung – einen wehmütigen Charakter annimmt. Im zarten Dialog zwischen den beiden Instrumenten wird es allmählich gesteigert, bis der drängende Duktus der Triolen wiederkehrt, aus dem sich nun strahlend das zweite Thema erhebt. Die hell leuchtende Episode dauert nur einen Moment, denn danach wird auch das Seitenthema nach Moll abgebogen. Wundersam ist die Rückleitung zur Reprise: ein resignierender Moll-Abstieg, der sich unversehens nach B-Dur auflichtet und das Hauptthema freigibt. Die Reprise hat Mendelssohn auf seine übliche, geniale Weise verkürzt und zugespitzt, so dass die brillante Coda zwingend als Krönung des Satzes erscheint.

Das Andante gehört zu den zartesten Intermezzi, die Mendelssohn geschrieben hat: Ein wehmütiges Impromptu in Moll im sanft wiegenden Dreiertakt, das klanglich delikat von zartestem Klavieranschlag und gezupften Cellosaiten geprägt wird. Als Trio stimmt das Cello eine lieblich singende Ländlerweise an, die Mendelssohn unversehens in die Nähe Schuberts rückt. In der Reprise wird das Moll-Intermezzo wundervoll gesteigert: durch Pizzicato-Akkorde, einen lichten Durmoment, ein wellenartiges Klaviermotiv und eine letzte dialogische Aufspaltung der typischen fallenden Quart, die den Satz eröffnet und als eine Art Motto durchzieht.

Das Finale Allegro assai beginnt mit einem Thema, das man in seiner gelassenen gesanglichen Schönheit beinahe „Mozartisch“ nennen könnte. Es beherrscht die lyrisch-gesanglichen Abschnitte des Satzes, denen die brillant auftrumpfenden Passagen gegenüber stehen. Mendelssohns Bravour am Klavier feierte in den Aufführungen dieses Satzes wahre Triumphe, während sein Partner am Cello immer wieder beschwichtigend das singende Hauptthema einwerfen durfte. Wundersam wirkt nach den brillanten Höhenflügen des Satzes der sanft zurückgenommene Schluss, der aus dem Hauptthema die zarteste Konsequenz zieht.

-

Die frühe Begabung FELIX MENDELSSOHN-BARTHOLDYS zeigte sich zuerst und am nachhaltigsten in der Kammermusik, die im großzügigen Berliner Haushalt seiner Familie ihren festen Platz hatte. Durch seinen Geigenlehrer und Freund Eduard Rietz gewann sie für Felix auch eine ganz persönliche Bedeutung, durch die einige seiner bedeutendsten Frühwerke inspiriert wurden, wie etwa das Oktett op. 20. Im selben Jahr wie dieses, 1825, komponierte Felix die f-Moll-Violinsonate, die von seiner damaligen Auseinandersetzung mit Beethoven zeugt. Noch Jahre später erinnerte er sich an die Zeit „als ich meine musikalische Thätigkeit auf meinem eigenen Wege anfing, und als Vater fortwährend in der übelsten Laune war, auf Beethoven und alle Phantasten schalt und mich darum oft betrübte.“ Die Tonart f-Moll und der appassionata-Charakter des Stückes verweisen auf Beethovens gleichnamige Klaviersonate; auch der Anfang mit einem Rezitativ der unbegleiteten Violine ist ohne Beethoven nicht zu denken. Der Mendelssohn-Biograph Eric Werner hat gar die gesamte Sonate als bloße Imitation von Beethovens „Sturm“-Sonate, op. 31, abgetan. Ausgewogener erscheint das Bild, das Robert Schumann in seinen Musikkritiken vom frühen Mendelssohn zeichnete: „Im ersten Aufblühen seiner Jugend arbeitete er theilweise noch unter der Begeisterung Bach’s und Beethoven’s, obwohl bereits Meister der Form und des Kunstsatzes“; „und wenn auch den Davidsbündlern die meisten Jugendarbeiten Mendelssohns wie Vorarbeiten zu seinen Meisterstücken, den Ouvertüren, vorkommen, so findet sich doch im Einzelnen so viel Eigenthümlich-Poetisches, daß die große Zukunft dieses Componisten allerdings mit Sicherheit voraus zu bestimmen war.“
Das Unbehagen am Erfolg seiner Lieder ohne Worte für Klavier weckte in Mendelssohn Ende der 1830er Jahre ein neues Interesse an der Klavierkammermusik: „Zudem ist ein ganz bedeutender und mir sehr lieber Zweig der Claviermusik, Trios, Quartetten und andere Sachen mit Begleitung, so die rechte Kammermusik, jetzt ganz vergessen und das Bedürfniß, mal was Neues darin zu haben, ist mir gar zu groß. Da möchte ich auch gern etwas dazu thun“, schrieb er 1838 an Ferdinand Hiller. Im gleichen Jahr komponierte er die B-Dur-Cellosonate, op. 45.
Schumann hat ihr in der Neuen Zeitschrift für Musik eine Kritik gewidmet, die ihr Wesen treffend beschreibt: „Die Sonate ist … reinste, durch sich selbst gültigste Musik , eine Sonate, wie sie irgend je aus großen Künstlerhänden hervorgegeangen, im besonderen wenn man will, eine Sonate für feinste Familienzirkel, am Besten etwa nach einigen Goethe’schen oder Lord Byron’schen Gedichten zu genießen. Ueber Form und Styl noch mehr zu sagen, schenke man der Zeitschrift; man findet Alles in der Sonate besser und nachdrücklicher“. Diesem Rat schließt sich hiermit auch das Programmheft an.