Divertimento F-Dur, KV 138 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Wolfgang Amadeus Mozart

Divertimento F-Dur, KV 138

Divertimento F-Dur für Streicher, KV 138

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1332

Satzbezeichnungen

Allegro
Andante
Presto

Erläuterungen

Anfang 1772, zwischen seiner zweiten und dritten Italienreise, schrieb Mozart zuhause in Salzburg drei Divertimenti für Streicher, über deren Besetzung bis heute gestritten wird. Während sie im Konzertsaal meist von Streichorchestern gespielt werden und auch als „Salzburger Sinfonien“ bekannt wurden, neigt die Musikwissenschaft dazu, sie als Werke für Streichquartett anzusehen. Die Mozartforscher sprechen von den drei „Quartett-Divertimenti“ – eingedenk der Tatsache, dass Joseph Haydn seine frühesten Streichquartette Divertimento nannte. Mozart freilich hatte sein erstes Streichquartett längst komponiert, 1771 in Lodi bei Mailand, und hatte es Quartetto genannt. Mit der Bezeichnung Divertimento für die drei Werke KV 136 bis 138 muss er also etwas anderes gemeint haben. Vor die Akkoladen der Partitur schrieb er die Instrumente und dabei statt „Viola“ den italienischen Plural „Viole“. Dies wird von Manchen als Hinweis auf eine chorische Besetzung der Streicher gedeutet, doch auch dieses Argument ist nicht triftig, da Mozart bis in seine späten Streichquartette hinein die zweifellos solistische Viola häufig als „Viole“ bezeichnet hat. Was also ist gemeint: solistische oder chorische Streicherbesetzung?

Vermutlich beides: Einen Tag, nachdem Vater und Sohn Mozart im Advent 1771 zum zweiten Mal aus Italien zurückgekehrt waren, starb ihr großer Gönner, Fürsterzbischof Schrattenbach. Der neue Landesherr wurde bald gewählt und geweiht: Fürsterzbischof: Hieronymus Graf Colloredo. Der Serenissimus war ein passabler Geiger und liebte es, im Hofkonzert die erste Sinfonie an einem der ersten Geigenpulte mitzuspielen. Darauf hatte Mozart in seinen Salzburger Sinfonien der Jahre 1772 und 1773 Rücksicht zu nehmen. Die drei Divertimenti stehen chronologisch ganz am Anfang dieser Werkgruppe und waren wohl für die kleineren Hofkonzerte bestimmt. Während nämlich in den großen Akademien Arien und Duette, Sinfonien für volles Orchester und Solokonzerte in üppiger Zahl zu überlangen Programmen zusammengestellt wurden, liebte Colloredo gelegentlich auch kürzere Abende: „Sollen die Musiken kürzer als gewöhnlich seyn“, berichtete eine zeitgenössische Quelle, „so werden Solos, Trios und Quatuors gemacht, und die Sänger fallen dabey aus; das Ende derselben macht sodenn mehrentheils eine Ouverture.“ Mit Ouverture ist hier eine dreisätzige, italienische Sinfonia gemeint, genau jene Form, die Mozart für seine drei Divertimenti benutzte. Offenbar schrieb Mozart die drei Stücke für die „kurzen“ Akademien in der Salzburger Residenz oder im Schloss Mirabell. Dort konnten sie entweder solistisch als „Quatuor“ oder in chorischer Besetzung als abschließende „Ouverture“ ausgeführt werden. Je nach Laune des Fürsten.

Mozart gab sich alle Mühe, seinen fürstlichen Dienstherren zu beeindrucken, und zwar durch den neuesten italienischen Stil, den er von seinen Reisen nach Mailand, Venedig und Rom in die Heimat mitbrachte. Die drei Divertimenti sind so italienisch wie nur möglich, voller Anklänge an die Werke eines Antonio Sacchini, Niccolò Piccinni und der anderen damals in Italien modischen Komponisten. Zugleich ist der Streichersatz überaus konzertant virtuos, was wohl mit Salzburger Vorlieben zusammenhängt: „Geschätzt war möglicherweise weniger der elaborierte als der virtuos konzertante Streichersatz“ schrieb Manfred Hermann Schmid in seinem Buch Mozart in Salzburg über die dortige Abneigung gegen das Streichquartett. Lieber hörten die Salzburger Werke im rauschend-konzertanten Stil Italiens, wie ihn Mozart in den drei Divertimenti ideal vorführte.

Im letzten der drei Werke, dem Divertimento F-Dur, KV 138, kehrte Mozart zur dreisätzigen Anlage italienischer Opern-Ouvertüren zurück: Das kraftvolle Dreiklangsthema des ersten Allegro erinnert an eine Arie aus Niccolo Piccinnis „Giulio Cesare“, die er 1770 in Mailand gehört hatte. Danach breiten die ersten Geigen in schönster italienischer Manier ihre weingespannten Meldebögen aus, über dem „Toccato“ der Bässe und den wohl ausgearbeiteten Mittelstimmen der zweiten Geigen und Bratschen. Eine knappe Schlussgruppe in Oktavklängen bündelt das reine Cantabile dieses wundervollen Satzes. Auch im Andante-Mittelsatz hat sich der junge Mozart ganz der Gesangskunst Italiens verschrieben: Wie ein Kastrat in der Opera seria stimmen die ersten Geigen eine empfindsame Aria cantabile im ruhigen Dreiertakt an, die von bewegten Mittelstimmen getragen wird. Wehmütige Mollwendungen und die schmelzenden Vorhalte des zweiten Themas lassen einen Schatten von Trauer über diesen Satz hinwegziehen. Umso ausgelassener gebärdet sich das Finale: ein Rigaudon, ein französischer Tanzsatz, in simpler Rondeau-Form mit drei Couplets voller witziger Pointen und einer rauschenden Coda. Wahrhaft „divergente“, unterhaltsam.