Divertimento Es-Dur, KV 563 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Wolfgang Amadeus Mozart

Divertimento Es-Dur, KV 563

Divertimento Es-Dur für Violine, Viola und Violoncello, KV 563

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1343

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Adagio

3. Menuetto. Allegretto – Trio

4. Andante

5. Menuetto. Allegretto – Trio I / II

6. Allegro

Erläuterungen

Das Divertimento, KV 563, für Streichtrio ist Mozarts längstes Kammermusikwerk. Er komponierte es im August und September 1788, unmittelbar nach der Vollendung der letzten drei Sinfonien, denen es an musikalischem Gehalt nicht nachsteht. Dennoch nannte Mozart das Werk „nur“ Divertimento, was auf ein Stück Unterhaltungsmusik hinweist – vielleicht, um seinem Logenbruder Michael Puchberg, für den er es geschrieben hatte, das Trio schmackhafter zu machen. Die Gattung des Streichtrios begann damals erst langsam, in den Angeboten der Musikverlage und in handschriftlichen Stimmenkopien an Bedeutung zu gewinnen. Offenbar dachte Mozart bei der Komposition auch an diese Verbreitungsmöglichkeiten.
Das Stück ist in sei pezzi, in sechs Sätzen angelegt, wie er in seinem eigenhändigen Werkverzeichnis ausdrücklich vermerkte. Auf ein Allegro und ein Adagio, jeweils in Sonatenform, folgen ein erstes Menuett mit Trio, ein Variationensatz, ein zweites Menuett mit zwei Trios und ein Rondo. Das Streichtrio entspricht damit im Aufbau exakt dem letzten Divertimento, das Mozart in seiner Salzburger Zeit 1779 komponiert hatte. Dieses D-Dur-Werk, KV 334, zeigt auch stilistisch Parallelen zum Es-Dur-Trio, nicht zuletzt in der virtuosen Führung der Streichinstrumente. Im Vergleich wird jedoch auch das Inkommensurable von Mozarts Spätstil deutlich. Alle Sätze sind in KV 563 weiter ausgeführt, harmonisch reicher und kontrapunktisch kunstvoller angelegt. Das Verhältnis der drei Streichinstrumente zueinander ist völlig ausgewogen, wie es Joseph Haydn in der Streicherkammermusik zum Prinzip erhoben hatte, jedoch mit einem deutlichen Zug ins Konzertante, den Mozart 1789 in seinen Preußischen Quartetten aufgreifen sollte. Das Ergebnis enthält u. a. zwei der schönsten und anspruchsvollsten Partien für Bratsche und Cello, die jemals geschrieben wurden, wobei er selbst stets die erstere spielte.

Jeder der sechs Sätze verrät Eigenheiten von Mozarts Spätstil. So weist die Sonatenform des Kopfsatzes nicht zwei, sondern drei Themen auf, von denen das letzte, kontrapunktische im Mittelteil in Engführung verarbeitet wird. Ein einfacher gebrochener Dreiklang im piano wird im Hauptthema von weit ausgreifenden Läufen forte beantwortet, eine Antithese, wie sie sich auch zu Beginn des Klarinettenquintetts und des 3. Preußischen Quartetts findet. Das zweite Thema ist dagegen eine jener fast galanten Gesangsmelodien mit kurzen Vorschlägen, wie sie Mozart im gleichen Jahr auch als Seitenthemen in seiner g-Moll-Sinfonie verwendet hatte.
Das As-Dur-Adagio zählt zu den großartigsten langsamen Sätzen in der Kammermusik. Seine Tonart ist bei Mozart äußerst selten, eine Steigerung von Es-Dur ins Tiefgründig-Meditative. Dies verkündet schon der Anfang mit seiner weit ausgreifenden Cellogeste, einem gebrochenen As-Dur-Dreiklang zu ausgehaltenen Akkorden der anderen Instrumente. Daran schließt sich ein verinnerlichter Gesang an, im „redenden“ Stil Carl Philipp Emanuel Bachs entworfen und doch von der zarten Melancholie des späten Mozart durchdrungen. Dieses doppelte Hauptthema – gebrochener Dreiklang und Gesangsmelodie – kehrt im ganzen Satz refrainartig wieder. Bei jedem Wiedereintritt greift derDreiklang weiter aus und wird stärker verziert bis hin zum dramatischen Höhepunkt der Coda, an dem sich alle drei Instrumente die Geste teilen. Das Hauptthema bindet diverse kantable Episoden zusammen, deren in jedem Takt affektvoll sprechende Diktion selbst bei Mozart einen absoluten Höhepunkt des Kammermusikalischen darstellt.
Nach den anspruchsvollen Kopfsätzen wechselt die Stilhöhe in den beiden Menuetten und im Variationensatz ins Tänzerisch-Volkstümliche. Die Menuette hat Mozart sorgfältig gegeneinander abgestuft: Das erste zeigt Scherzo-Charakter, einschließlich der von Haydn so geliebten rhythmischen Verschiebungen, während sich das zweite mit Hornquinten in Dorfmusikanten-Manier vorstellt. Die beiden Trios des letzten sind denn auch ein waschechter Ländler und ein Deutscher Tanz, der Vorläufer des Walzers.
Das Thema der Variationen erinnert an Volksmusik, ohne ein Volkslied zu sein. Seine etwas burschikos-schreitende Manier wird durch die Anlage des Satzes nobilitiert, denn Mozart machte hier vom Prinzip der Doppelvariationen Gebrauch: Die beiden Hälften des Themas werden bei ihrer Wiederholung sofort variiert. In jeder der folgenden Variationen wird dieses Prinzip beibehalten, so dass man stets zwei miteinander verschränkte Variationen hört. Dadurch lotet der Satz scheinbar mühelos die verschiedenen Aspekte des Themas und die unterschiedlichsten Stilhöhen vom Volkslied vbis zum Kanon aus, ohne sich jemals zu wiederholen. Am kunstvollsten ist die Mollvariation im doppelten Kontrapunkt.
Auch im Rondofinale machen sich kontrapunktische Züge bemerkbar, allerdings nicht im liedhaften Hauptthema, sondern in der Tarantella-artigen Überleitungsfigur, die dem Satz bis in die letzten Takte der Coda hinein ihren widerborstigen Stempel aufdrückt.

2006: Glücklich die Zeitgenossen, die Wolfgang Amadeus Mozart bei Kammermusiksoiréen erleben durften! Was wussten sie nicht alles zu berichten: wie er seine Klavierstimme „zart und geschmackvoll ausschmückte, bald so, bald anders, der augenblicklichen Eingebung des Genius folgend“; wie er auf himmlische Art am Klavier improvisierte oder Geige spielte, „als ob er der erste Geiger Europas wäre“. Kammermusikabende mit Mozart waren unvergessliche Erlebnisse.

Es gab deren zu Lebzeiten nicht wenige, denn je älter er wurde, desto mehr entdeckte Mozart die Reize der Kammermusik – durchaus auch in finanzieller Hinsicht. Je schwieriger es für ihn wurde, Orchesterkonzerte zu finanzieren, umso mehr boten sich „Quartett-Subskriptionsmusiken„als Alternative an, also Kammermusikabende für einen kleinen Kreis von Abonnenten. Ein Gönner stellte seinen Saal zur Verfügung, Mozart kümmerte sich um die Musiker und die Einstudierung seiner Stücke, die er exklusiv zur Verfügung stellte.

Am Divertimento KV 563, seinem einzigen Streichtrio, kann man dieses Verfahren exemplarisch ablesen. Komponiert im September 1788, diente es zunächst seinem Logenbruder und Geldgeber Michael Puchberg zum Gebrauch. 1789 nahm es Mozart mit auf die Reise nach Dresden, Leipzig und Berlin, wo es gute Dienste tat. Im April 1789 arrangierte er in Dresden einen Kammermusikabend, wo er es zusammen mit einem Dresdner Kantor an der Geige und dem Cellovirtuosen Anton Kraft, dem Adressaten von Haydns D-Dur-Cellokonzert, „so ganz hörbar executierte“, wie er mit einigem Understatement an seine Frau schrieb. Auch in Wien fand es bald immer mehr Liebhaber. Im April 1790 spielte es der Bratschist Mozart erneut zusammen mit dem Geige spielenden Bankier Johann Baptist von Häring und dem Solocellisten der Kaiserlichen Hofkapelle, Joseph Orsler. Veranstalter dieser Soirée war der Amateurmaler und ungarische Kammerrat Graf Hadik. Mit auf dem Programm stand das Klarinettenquintett KV 581.

Diese Beispiele mögen genügen, um den Rahmen anzudeuten, in dem Mozart seine anspruchsvollsten Kammermusiken aufführte: zusammen mit professionellen Musikern oder virtuosen Laien für einen Kreis hoch gebildeter Zuhörer. Nur so wird verständlich, wie er ein „Divertimento“ in sechs kunstvollen Sätzen von fast 50 Minuten Spieldauer schreiben und aufführen konnte. Ein größeres Publikum hätte er damit nur gelangweilt. Im Kreis seiner Wiener Gönner jedoch meinte der Titel „Divertimento“ durchaus „Unterhaltung“- eine Unterhaltung für Kenner. Gleich der erste Satz verarbeitet – neben zwei wunderschönen gesanglichen Themen – eine kurze kontrapunktische Floskel in komplexer Manier. Das Adagio in As-Dur zählt zu Mozars tiefsten langsamen Sätzen, die Variationen des vierten Satzes zu seinen kompliziertesten – trotz oder gerade wegen des simplen Themas. Umrahmt wird der Satz von zwei sehr gegensätzlichen und langen Menuetten mit Trios. Als Finale dient eines jener selig singenden Rondos im Sechsachteltakt, wie sie Mozart auch in den späten Klavierkonzerten immer wieder geschrieben hat. Doch auch hier treibt ein kurzes Motiv im Fandangorhythmus sein kontrapunktisches Unwesen.