Streichquartett A-Dur, KV 464 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Wolfgang Amadeus Mozart

Streichquartett A-Dur, KV 464

Quartett A-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, KV 464

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1358

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Menuetto

3. Andante

4. Allegro

Erläuterungen

2002
W. A. MOZART
Quartett A-Dur, KV 464

Unter allen Streichquartetten Mozarts hat das A-Dur-Quartett, KV 464, kompositorisch den höchsten Rang. Beethoven scheint es besonders bewundert zu haben, wie eine Abschrift des Finales von seiner Hand beweist, und auch andere Kenner sahen in ihm den Gipfel von Mozarts Quartettkunst. Dabei ist es ein eher introvertiertes Stück, das nie die Popularität des „Dissonanzenquartetts“ oder des „Jagdquartetts“ erreichte.

Zusammen mit den beiden letztgenannten Quartetten entstand es im Winter 1784/85, auf einem Höhepunkt von Mozarts Instrumentalschaffen. Er arbeitete damals parallel an drei großen Klavierkonzerten (KV 459, 466 und 467) und an den drei erwähnten Streichquartetten (KV 458, 464, 465). Während die ersteren für seine Abonnementkonzerte im Februar 1785 bestimmt waren, entstanden die Streichquartette als Fortsetzung einer zwei Jahre zuvor begonnenen Serie. Zusammen mit den drei Quartetten in G, d und Es aus den Jahren 1782/83 erschienen die drei neuen Quartette in B, A und C 1785 im Wiener Verlag Artaria als übliches Opus von sechs Quartetten.

Mozart stellte dem Druck eine Widmung „al mio caro amico Haydn“ voran. Es war kein Zufall, dass er seinem „lieben Freund“ Joseph Haydn ausgerechnet Streichquartette widmete, war er doch der Großmeister jenes Genres, dem sich Mozart hier nach zehnjähriger Pause wieder zugewendet hatte. In der Widmungsvorrede nannte Mozart die Quartette seine Kinder, die er unter dem Schutz des großen Mannes Haydn in die Welt entlasse. Sie seien „il frutto di una lunga, e laboriosa fattica“, die Frucht einer langen, mühsamen Arbeit, wobei Haydn selbst „bei seinem letzten Aufenthalt in Wien“ seine Zufriedenheit mit den Stücken ausgedrückt habe. Mozart spielte damit auf zwei denkwürdige Quartettabende in seinem Hause an: Am 15. Januar und am 12. Februar 1785 hatte er den Freund zu sich eingeladen, um ihm zuerst die früheren drei Quartette, dann die erst jüngst komponierten vorzuführen. Das A-Dur-Quartett und seine beiden Schwesterwerke beeindruckten Haydn am zweiten Abend so sehr, dass er Mozart sein berühmtes Lob aussprach, er sei „der größte Componist, den ich von Person und dem Namen nach kenne; er hat Geschmack, und überdieß die größte Compositionswissenschaft.“

Das A-Dur-Quartett ist ein getreuer Spiegel von Haydns Worten. „Geschmack“ bewies Mozart dadurch, dass er allen Themen die Leichtigkeit des galanten Stils verlieh – den Duktus scheinbar unbeschwerter, singend-tänzerischer Gebilde. Im Umgang mit diesen Themen bewies er jedoch „die größte Compositionswissenschaft“. Im ersten Allegro wird die zärtlich abfallende Legatolinie der ersten Violine von einem kraftvoll aufsteigenden Unisono des Tutti beantwortet – scheinbar ein galantes Menuett. Doch gleich in der Wiederholung wird das Violinthema nach Moll gelenkt, kontrapunktisch aufgefächert und harmonisch so verfremdet, dass man auf einmal in C-Dur landet. Das chromatische Seiten-thema, ebenfalls beim ersten Mal schlicht gesanglich, wird in der Wiederholung von Chromatik überlagert. Und die Schlussgruppe schlägt den eleganten Bogen zurück zum Hauptthema und seinen beiden Motiven. In der Durchführung setzt das Violinthema des Anfangs mehrmals in verschiedenen Tonarten an, um sich immer wieder in Chromatik und Imitationen zu verstricken, und auch die Reprise behält dieses Prinzip des Verstrickens und Verwebens bei, bis ganz am Ende sozusagen mit einem Ruck die Grundtonart A-Dur wiederhergestellt wird.
Das Menuett, das hier an zweiter Stelle steht, schließt nahtlos an den Kopfsatz an: Sein Unisonothema ist eine Variante des kraftvollen Tuttimotivs aus dem Allegro, die zaghafte Violinantwort eine Variante des Kopfmotivs aus jenem Satz. Letztere wird im Laufe des Satzes durch Pausen und harmonische Verfremdung so sehr verunsichert, dass vom Schwung eines Menuetts nur noch Rudimente bleiben. Auch das Trio in E erscheint seltsam verschattet und introvertiert.

Höhepunkt des Quartetts sind die Variationen des dritten Satzes, an denen Beethoven Prinzipien seiner eigenen Variationskunst studiert haben dürfte. Das Thema wird in Violinarabesken getaucht, kontrapunktisch aufgespalten, nach d-Moll gewendet und im freien Kanon verarbeitet. Die Coda bringt die Pointe: Über einer Art Paukenbegleitung des Cellos schreitet das Thema mit marschartigem Pomp einher.

Das Finale des Quartetts reizt die latente Chromatik der vorangegangenen Sätze aus und treibt sie mithilfe kunstvoller Engführungen und fugierter Ansätze auf die Spitze. Es handelt sich ausnahmsweise nicht um ein Rondo, sondern um einen großen, experimentellen und dennoch mitreißenden Sonatensatz.

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Mit seinen sechs Streichquartetten KV 387, 421, 428, 458 sowie 464-465 hat Mozart seinem verehrten Komponistenfreund Joseph Haydn ein Denkmal gesetzt. Angeregt durch dessen sechs Streichquartette Opus 33, die 1782 im Druck erschienen waren, begann Mozart an Weihnachten 1782 einen eigenen Quartettzyklus, dessen sechs Werke freilich erst drei Jahre später vollendet waren. Den 1785 im Verlag Artaria publizierten Druck widmete er „seinem lieben Freund Joseph Haydn“. Seitdem werden die sechs Werke volkstümlich Mozarts „Haydn-Quartette“ genannt, was auch musikalisch zutrifft, denn unschwer kann man in ihnen Anspielungen auf frühere Quartette Haydns ausmachen, besonders natürlich auf dessen Opus 33. In den bewegenden Worten seiner Zueignung „al mio caro amico Haydn“ betonte Mozart, wie sehr ihm Haydns Streichquartette Leitstern und Inspiration gewesen waren. Seine eigenen Quartette nannte er Kinder, die er unter dem Schutz des großen Mannes in die Welt entlasse. Zugleich unterstrich er, wie sehr seine Quartette „il frutto di una lunga, e laboriosa fattica“ seien, die Frucht einer langen, mühsamen Arbeit. Ausführliche Skizzen zu den Quartetten und der für Mozart ungewöhnlich langwierige Entstehungsprozess lassen jene mühsame kompositorische Detailarbeit erahnen.

Da Mozart selbst ein leidenschaftlicher Quartettspieler an Geige oder Bratsche war, kam er in seiner Vorrede auch auf die ersten Aufführungen der Quartette in Wien zu sprechen. Haydn selbst habe ihm nach diesen Aufführungen „bei seinem letzten Aufenthalt in Wien“ seine Zufriedenheit mit den Stücken ausgedrückt. Mozart spielte damit auf zwei denkwürdige Quartettabende in seinem Hause an: Am 15. Januar und am 12. Februar 1785 hatte er den Freund zu sich eingeladen, um ihm zuerst die früheren drei Quartette, dann die erst jüngst komponierten vorzuspielen. Leopold Mozart spielte die erste, sein Sohn die zweite Geige, Viola und Cello lagen in den Händen der Freiherren Anton und Bartholomäus Tinti. Das Es-Dur-Quartett und seine Schwesterwerke beeindruckten damals Haydn so sehr, dass er Vater Mozart sein berühmtes Kompliment über den Sohn machte: „Ich sage Ihnen vor Gott, als ein ehrlicher Mann, ihr Sohn der größte Componist, den ich von Person und dem Namen nach kenne; er hat Geschmack, und überdieß die größte Compositionswissenschaft.“