Klaviertrio E-Dur, KV 542 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Wolfgang Amadeus Mozart

Klaviertrio E-Dur, KV 542

Trio E-Dur für Klavier, Violine und Violoncello, KV 542

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1406

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Andante grazioso

3. Allegro

Erläuterungen

Trio für eine Wiener Professorentochter

In Wien zog man gerne um, so auch Mozart, der seine Wohnung oft wechselte. Im Jahre 1787 war es wieder einmal so weit: Am 24. April, dem Georgitag – der übliche Wiener Umzugstermin – verließ er seine stattliche Wohnung im „Camesinaschen Haus“ unweit des Stephansdoms. Johannes Brahms erteilte man in den 1860er Jahren in diesem Haus eine grausame Wiener hausmeisterliche Abfuhr, als er vorschlug, wenigstens eine Gedenktafel dort anzubringen. Denn Mozart vollendete hier – neben unzähligen hoch bedeutenden Instrumentalwerken – den Figaro, weshalb das Haus bis heute auch das „Figarohaus“ genannt wird. Seit einigen Monaten ist es, aufwendig renoviert, als „Mozart House Vienna“ wieder eröffnet.

Zu den Klavierschülerinnen, die den Meister bereits in dieser stattlichen Wohnung aufsuchten, gehörte die Professorentochter Franziska von Jacquin (1769-1850). Nach dem Umzug im April 1787 vertiefte sich die Freundschaft, denn die Mozarts und die Jacquins wurden auf der Wiener Landstraße Nachbarn: hier das Haus des berühmten Botanikprofessors von Jacquin und seiner lebenslustigen Kinder Gottfried und Franziska, dort die neue Adresse des aus der inneren Stadt ins Grüne umgezogenen Maestro, seiner Frau Constanze und ihres Söhnchens Carl. Im Kreis der musikalischen Jacquin-Kinder war Mozart gerne zu Gast – nicht nur zum Musizieren, sondern auch zum Kegeln, Billard spielen und anderweitigem Amusement.

Die Klaviertrios, die Mozart in den Jahren 1786 bis 1788 komponiert hat, sind wahrscheinlich für den Kammermusikzirkel im Hause von Jacquin entstanden. Sicher weiß man dies vom sogenannten „Kegelstatt-Trio“, dessen Klavierpart er seiner Schülerin Franziska auf den Leib schrieb, doch auch andere Trios müssen in diesem Kreis ihre erste Aufführung erlebt haben.

Das E-Dur-Klaviertrio, KV 542, trug Mozart am 22. Juni 1788 als vollendet in sein Werkverzeichnis ein – vier Tage vor der großen Es-Dur-Sinfonie, KV 543, und einen Monat vor einer „kleinen Canzonette“ für drei Singstimmen, die er für Gottfried von Jacquin komponiert hat. Dies lässt auf einen unbeschwerten Musiksommer im Kreis der Freunde schließen, dem wir auch das E-Dur-Trio verdanken. Die seltene Tonart, die sich bei Mozart sonst nur gelegentlich findet, die herbe Chromatik im ersten Satz und das heikle Zusammenspiel im Finale, der technische und musikalische Anspruch des Klavierparts deuten jedenfalls auf einen Kreis von Kennern und auf eine sehr fähige Pianistin hin.

Bei seinem Logenbruder Michael Puchberg fragte Mozart noch im Juni brieflich an: „Wann werden wir denn wieder bey Ihnen eine kleine Musique machen? – Ich habe ein neues Trio geschrieben!“ In diesem Kreis hat Mozart das Werk selbst gespielt. Auch seiner Schwester Nannerl sandte er es zu und bat sie, es Michael Haydn vorzuspielen. Noch im November gab es Mozart zum Druck. Mit den beiden Trios in B und C, KV 502 und 548, erschien es beim wichtigsten Wiener Verlagshaus Artaria als sein Opus 15 – sein bedeutendstes Opus mit Klaviertrios, das sich alsbald großer Beliebtheit erfreute.

Die Nähe zur großen Es-Dur-Sinfonie hört man dem E-Dur-Trio an: Es fehlt zwar die langsame Einleitung, doch beginnt das Allegro wie in der Sinfonie mit einem ausgesprochen kantablen Thema im Dreivierteltakt. Es wird zunächst vom Klavier solo angestimmt, ein wehmütiger Gesang, der von zarten Halbtönen und stillen Seufzern durchzogen ist. Lebhafter gestaltet sich die Wiederholung des Themas im Dialog mit den Streichern, aus dem ein neues, zart singendes Thema hervorgeht. Plötzlich löst sich die Musik auf und mündet in eine Generalpause, bevor ein zweites Seitenthema einsetzt. Im Kopfsatz der „Jupitersinfonie“ hat Mozart wenige Wochen später das zweite Seitenthema auf die gleiche Weise eingeleitet. In diesem Fall ist es ein zunächst ganz unschuldiger Ländler der Violine, der wenig später eine aufregende Fahrt durch die Tonarten antritt: von G-Dur über g-Moll und h-Moll nach H-Dur. In der Schlussgruppe kehren danach noch einmal die Halbtöne des Hauptthemas zurück, freilich mehr scherzend als ernst. Nach der melodisch so überreichen Exposition hat Mozart die Durchführung ganz und gar als kontrapunktisches Spiel mit zwei Motiven gestaltet.

Von besonderem Reiz ist der Mittelsatz, der seiner Überschrift Andante grazioso alle Ehre macht. Mozart hat hier eine Art graziösen Marsch geschrieben, der auf dem französischen Tanzrhythmus einer Gavotte beruht. Der gehende Duktus, das „Andare“, ist in den punktierten Rhythmen omnipräsent, doch eben nicht schwer und militärisch, sondern grazil und leicht. Hinzu kommt eine Melodie von so naivem Ausdruck, fast ein Kinderlied, dass man sich der zauberhaften Wirkung des Ganzen schwer entziehen kann. Nicht nur Max Reger hat diesen Satz besonders bewundert. Während die drei Instrumente im Hauptteil nicht müde werden, sich das Thema immer wieder gegenseitig vorzusingen und dabei stets leicht zu variieren, schlagen die beiden Moll-Episoden des Satzes dunlere Töne an, besonders die Geigenmelodie der zweiten Episode in a-Moll. Hinreißend ist der Schluss des Satzes – eine so knappe Pointe des Kinderlied-Themas, wie sie nur Mozart schreiben konnte.

Für das Finale hatte Mozart ursprünglich ein Allegro im Sechsachteltakt vorgesehen, ein hoch virtuoses, rhythmisch komplexes Stück, das er freilich nach 65 Takten abbrach. Stattdessen begann er einen völlig neuen Satz, ein ganz entspanntes, kantables Rondo im Allabreve-Takt mit einem so süßlichen Leierkasten-Thema, dass man ihm das Potenzial zu einem anspruchsvollen Finalthema kaum zutrauen würde. Wahrscheinlich war Mozart der erste Finalentwurf zu dramatisch und bewegt nach dem lieblichen Mittelsatz. Er blieb lieber noch ein wenig im Duktus jener scheinbar naiven Kinderlied-Musik, die das Andante prägt, um danach – im weiteren Verlauf des Finales – umso großartigere Steigerungen anbringen zu können. Seiner Schülerin Franziska von Jacquin muss es ein besonderes Vergnügen gewesen sein, das immer wieder kehrende Thema stets mit neuem Ausdruck zu spielen. Vielleicht hat uns Mozart in diesem Thema sogar ein klingendes Porträt der jungen Franziska hinterlassen, wissen wir doch, dass er mehrere Male in seinen Klaviersonaten Frauen poträtiert hat: seine Frau Constanze und seine Schwägerin Sophie sowie eine kurzzeitige Klavierschülerin in Mannheim, Rose Cannabich. Vielleicht ist das Finale des E-Dur-Trios ja sein Porträt der Franziska von Jacquin.