"L'Histoire du Tango" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Astor Piazzolla

"L'Histoire du Tango"

„L’Histoire du Tango“ (Die Geschichte des Tango)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1469

Satzbezeichnungen

1. Bordel 1900

2. Café 1930

3. Nightclub 1960

4. Concert d’aujourd’hui

Erläuterungen

ASTOR PIAZZOLLA, der 1992 verstorbene Altmeister des Tango, erzählt in seiner Histoire du Tango, wie der Tango entstand, und wie er sich durch die Generationen bis heute weiterentwickelte:
„Der Tango um 1900 – die Musik der Bordelle. Der Tango wird im Jahre 1882 in Buenos Aires geboren. Die ersten Instrumente, die diese neue Musik spielen, sind Gitarre und Flöte, später kommen Klavier und Bandoneon hinzu. Der Tango ist eine anmutige, lebhafte Musik; sie spiegelt die gute Laune und die Beredtheit der Französinnen, Italienerinnen und Spanierinnen wider, die in den Bordellen von Buenos Aires leben und Polizisten, Matrosen und Gauner in ihre Fänge locken. Der Tango ist eine fröhliche Musik.
Der Tango um 1930 – die Musik der Cafés. Nun kommen wir in eine neue Epoche des Tango. Jetzt tanzt man ihn nicht mehr wie 1900; man beschränkt sich darauf, ihn anzuhören. Der Tango wird musikalischer, ja auch romantischer. Er verändert sich auf radikale Weise: die Bewegungen werden langsamer, neue Harmonien kommen hinzu, und das Ganze bekommt einen stark melancholischen Zug. Ein Tango-Orchester setzt sich aus zwei Geigen, zwei Bandoneons, einem Klavier und einem Baß zusammen…
Der Tango um 1960 – die Musik der Nightclubs. Während dieser Zeit, in der sich zahlreiche Einflüsse aus aller Welt mischen, entwickelt sich auch der Tango weiter. Brasilianer und Argentinier treffen sich in Buenos Aires; Bossa Nova und neuer Tango sind Teil eines „gemeinsamen Kampfes“. Jeden Abend füllen sich die Nightclubs mit Menschen, die den neuen Tango mit Ernst und Überzeugung anhören. Dabei findet eine Revolution, eine tiefe Veränderung bestimmter Formen des alten Tango statt.
Das Tangokonzert von heute. Der Tango trifft sich heute in vielen Punkten mit der Neuen Musik. Auf der Basis des alten Tango finden wir Reminiszenzen an Bartók, Strawinsky u. a. Dies ist der Tango von heute, der Tango von morgen…“ (Astor Piazzolla)

(1921-1992)
In seiner Histoire du Tango erzählt er, wie der Tango entstand, und wie er sich durch drei Generationen bis heute weiterentwickelte:
„Der Tango um 1900 – die Musik der Bordelle. Der Tango wird im Jahre 1882 in Buenos Aires geboren. Die ersten Instrumente, die diese neue Musik spielen, sind Gitarre und Flöte, später kommen Klavier und Bandoneon hinzu. Der Tango ist eine anmutige, lebhafte Musik; sie spiegelt die gute Laune und die Beredtheit der Französinnen, Italienerinnen und Spanierinnen wider, die in den Bordellen von Buenos Aires leben und Polizisten, Matrosen und Gauner in ihre Fänge locken. Der Tango ist eine fröhliche Musik.
Der Tango um 1930 – die Musik der Cafés. Nun kommen wir in eine neue Epoche des Tango. Jetzt tanzt man ihn nicht mehr wie 1900; man beschränkt sich darauf, ihn anzuhören. Der Tango wird musikalischer, ja auch romantischer. Er verändert sich auf radikale Weise: die Bewegungen werden langsamer, neue Harmonien kommen hinzu, und das Ganze bekommt einen stark melancholischen Zug. Ein Tango-Orchester setzt sich aus zwei Geigen, zwei Bandoneons, einem Klavier und einem Baß zusammen…Der Tango um 1960 – die Musik der Night Clubs. Während dieser Zeit, in der sich zahlreiche Einflüsse aus aller Welt mischen, entwickelt sich auch der Tango weiter. Brasilianer und Argentinier treffen sich in Buenos Aires; Bossa Nova und neuer Tango sind Teil eines ‚gemeinsamen Kampfes‘. Jeden Abend füllen sich die Night Clubs mit Menschen, die den neuen Tango mit Ernst und Überzeugung anhören. Dabei findet eine Revolution, eine tiefe Veränderung bestimmter Formen des alten Tango statt.
Konzert von heute – der Tango trifft sich heute in manchen Punkten mit der neueren Musik. Auf der Basis des alten Tango finden wir Reminiszenzen an Bartók, Strawinsky u. a. Dies ist der Tango von heute, der Tango von morgen…“. (Astor Piazzolla)

2003:

ASTOR PIAZZOLLA
Die Geschichte des Tango

Keiner wäre Berufener gewesen, die Geschichte des Tango in einem Musikstück zu schildern, als der Argentinier Astor Piazzolla. Der König des Bandoneon und des Nuevo Tango hat mit seinen Kompositionen den Geist des argentinischen Tanzes so authentisch wieder zum Leben erweckt, dass er wesentlich zur „Tangomanie“ unserer Zeit beitrug.

1921 in Buenos Aires geboren, hatte Piazzolla als Filmkomponist und Kammermusiker „schon eine Weltkarriere hinter sich, als er um 1961 den ‚Nuevo Tango‘ entwickelte und mit seinem Quintett – er selber spielte das Bandoneon – als ‚Missionar des Tango‘ um die Welt zu ziehen begann. Seine ersten Auftritte in Deutschland in den frühen 80er Jahren wurden als Sensation gefeiert,“ so die Süddeutsche Zeitung in ihrem Nachruf auf den 1992 verstorbenen Komponisten.

In seiner Histoire du Tango, als Originalstück für Flöte und Gitarre komponiert, erzählte Piazzolla, wie der Tango entstand, und wie er sich durch drei Generationen bis heute weiterentwickelte. Wir hören die ersten drei Sätze mit den Stationen Bordell 1900 – Café 1930 – Nightclub 1960. Piazzolla schrieb dazu:

„Der Tango um 1900 – die Musik der Bordelle. Der Tango wird im Jahre 1882 in Buenos Aires geboren. Die ersten Instrumente, die diese neue Musik spielen, sind Gitarre und Flöte, später kommen Klavier und Bandoneon hinzu. Der Tango ist eine anmutige, lebhafte Musik; sie spiegelt die gute Laune und die Beredtheit der Französinnen, Italienerinnen und Spanierinnen wider, die in den Bordellen von Buenos Aires leben und Polizisten, Matrosen und Gauner in ihre Fänge locken. Der Tango ist eine fröhliche Musik.

Der Tango um 1930 – die Musik der Cafés. Nun kommen wir in eine neue Epoche des Tango. Jetzt tanzt man ihn nicht mehr wie 1900; man beschränkt sich darauf, ihn anzuhören. Der Tango wird musikalischer, ja auch romantischer. Er verändert sich auf radikale Weise: die Bewegungen werden langsamer, neue Harmonien kommen hinzu, und das Ganze bekommt einen stark melancholischen Zug. Ein Tango-Orchester setzt sich aus zwei Geigen, zwei Bandoneons, einem Klavier und einem Bass zusammen…

Der Tango um 1960 – die Musik der Night Clubs. Während dieser Zeit, in der sich zahlreiche Einflüsse aus aller Welt mischen, entwickelt sich auch der Tango weiter. Brasilianer und Argentinier treffen sich in Buenos Aires; Bossa Nova und neuer Tango sind Teil eines ‚gemeinsamen Kampfes‘. Jeden Abend füllen sich die Night Clubs mit Menschen, die den neuen Tango mit Ernst und Überzeugung anhören. Dabei findet eine Revolution, eine tiefe Veränderung bestimmter Formen des alten Tango statt.“ (Astor Piazzolla)

-

Ganz wie sein brasilianischer Kollege Villa-Lobos, der in den Dreißiger und Vierziger Jahren musikalische Denkmäler für Bach gebaut hatte, ließ sich auch der Argentinier Astor Piazzolla von Vivaldi inspirieren, als er in den Sechziger Jahren den Zyklus seiner „Jahreszeiten“ begann. Es sollten „Die vier Jahreszeiten aus Buenos Aires“ werden. Dies zeigt bei jedem der vier Stücke der Zusatz „porteno“, was so viel heißt wie: „aus Buenos Aires“. Im Gegensatz zu Vivaldi legte Piazzolla seine Jahreszeiten nicht von vornherein als Zyklus an, sondern schuf sie zwischen 1964 und 1970 in loser Folge. Auch sind alle vier Teile nur einsätzig, nicht wie bei Vivaldi mehrsätzig.

Zitate aus den berühmten „Quattro stagioni“ des Venezianers finden sich dennoch und zwar raffiniert verschoben: Da es in Argentinien Winter wird, wenn in Venedig der Sommer Einzug hält, zitierte Piazzolla Vivaldis „Sommer“ in seinem „Winter“. Diese Querverweise werden besonders dann hörbar, wenn man die beiden Jahreszeiten-Zyklen kombiniert, wie dies Gidon Kremer und nach ihm zahllose andere Geiger und Dirigenten taten. Dafür musste freilich die ursprüngliche Quintettbesetzung bei Piazzolla – das klassische Tango-Ensemble inklusive des von ihm selbst gespielten Bandoneon – durch eine Fassung für Streichorchester ersetzt werden. Auch dafür gibt es heute schon verschiedene Lösungen von diversen Arrangeuren.

Was den Stil jener argentinischen Jahreszeiten betrifft, so ist er geprägt von den Klängen des Tango und des Jazz, von durchaus neutönenden aggressiven Klängen und einer fast bedrohlichen Dramatik, wie sie für Piazzolla typisch sind. Der Frühling kommt – ganz wie bei Vivaldi – hell und strahlend daher, voll freudiger Erwartung im Rhythmus. Im Sommer ist die Verbindung von Tango und Barockzitaten besonders auffällig. Als bewegender Moment ist das Cellosolo im „Herbst“ hervorzuheben, eine Melodie von erotischem Zauber alla Carmen. Langsam und feierlich mutet auch der „Winter“ an, wo der Konzertmeister die Gelegenheit zu einer Kadenz erhält und sich die Spannung bis auf einen tragisch anmutenden Höhepunkt steigert. Piazzollas Musik ist barock auch in diesem Sinne: als „Affektmusik“ durch und durch.