"Parthia", Oktett Es-Dur, op. 103 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ludwig van Beethoven

"Parthia", Oktett Es-Dur, op. 103

„Parthia“, Oktett Es-Dur für zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte und zwei Hörner, op. 103

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 159

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Andante

3. Menuetto. Allegro – Trio

4. Finale. Presto

Erläuterungen

EIN OPUS 103 von Beethoven hätte es nach dem Willen des Komponisten eigentlich nicht geben sollen. „Es exisitiert weder ein Op. 103 noch ein Op. 104 als Originalwerk“ wetterte Beethovens Intimus Schindler, nachdem 1851 die vom Komponisten zeitlebens freigelassene Opuszahl 103 willkürlich dem Bläseroktett Es-Dur zugeordnet worden war.

Beethovens einziges Bläseroktett stammt aus seiner Bonner Zeit. Der Kölner Kurfürst Max Franz, ein Bruder der Kaiser Joseph II. und Leopold I., unterhielt in Bonn eines der besten Bläseroktette des Reiches, ein Typus von Ensemble, den man damals „Harmoniemusik“ nannte. Nach Bosslers Musikalischer Korrespondenz (1791) konnte man die acht Bläser dieses Ensembles „mit Recht Meister ihrer Kunst nennen … Selten wird man eine Musik von dieser Art finden, die so gut zusammenstimmt, so gut sich versteht, und besonders im Tragen des Tons einen so hohen Grad von Wahrheit und Vollkommenheit erreicht hätte, als diese. Auch dadurch schien sie sich mir von ähnlichen Tafelmusiken zu unterscheiden, dass sie auch größere Stücke vorträgt.“ Zu den „größeren Stücken“, die der Bericht erwähnt, gehörte auch das Oktett Es-Dur des jungen Beethoven, das er unter dem Titel „Parthia“ 1792 komponiert hatte – unmittelbar bevor er sich zum zweiten Mal mit kurfürstlichem Stipendium zum Kompositionsstudium nach Wien begab. Das Stück war dem Kurfürsten also längst bekannt, als es Beethovens Wiener Lehrer Joseph Haydn 1793 nach Bonn sandte, um die Fortschritte seines Schülers zu belegen. Entsprechend indigniert fiel die Antwort des Gönners aus:

„Die Musik des jungen Beethoven, welche Sie mir zugeschickt haben, habe ich mit Ihrem Schreiben erhalten. Da indessen diese Musik … von demselben schon hier zu Bonn komponirt und produzirt worden, ehe er seine zweyte Reise nach Wien machte, so kann mir dieselbe kein Beweis seiner zu Wien gemachten Fortschritte seyn… Ich denke dahero, ob er nicht wieder seine Rückreise hieher antreten könne, um hier seine Dienste zu verrichten; denn ich zweifle sehr, daß er bey seinem itzigen Aufenthalte wichtigere Fortschritte in der Composition und Geschmak gemacht haben werde und fürchte, daß Er eben so wie bei seiner ersten Wienner Reise bloß Schulden von seiner Reise mitbringen werde.“ Beethovens Reise nach Wien wurde nach barockem Muster als Investition in die Zukunft der eigenen Hofmusik verstanden und dementsprechend bewertet.

Enthusiastisch beschrieb A. W. Thayer in seiner von Hugo Riemann überarbeiteten Beethoven-Biographie das Oktett: „Alles ist in eine Fülle von Wohllaut getaucht, der kaum beschrieben werden kann. Das führende Instrument ist meist die erste Oboe, mehrfach mit dem Fagott hübsch konzertierend; aber auch die Klarinette kommt zu ihrem Recht, und die Hörner machen ihre Wirkung ihrer Natur entsprechend geltend. Außer den Motiven und Figuren breiten namentlich die lang gehaltenen Töne der verschiedenen Instrumente einen leuchtenden Glanz über das Ganze. Sollte das Tafelmusik sein, so ist gewiß selten eine ähnliche geschrieben worden“, wobei es Riemann nicht unterließ, in einer Anmerkung auf das Vorbild Mozarts und seiner großen Bläserserenaden hinzuweisen, ohne die Beethovens Parthia kaum so überzeugend ausgefallen wäre.

1796 hat Beethoven diese Musik übrigens für Streichquintett arrangiert und dabei grundlegend erweitert bzw. umgearbeitet. „Aus der Parthia wurde das Gran Quintetto“ (Alfred Orel), Beethovens erstes Streichquintett Opus 4. Auch bei dieser Umformung ist er einem Modell von Mozart (KV 406 nach KV 388) gefolgt.

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Obwohl Beethovens Bläseroktett unter einer Opuszahl erschien, wurde es nicht von ihm selbst zur Veröffentlichung freigegeben. Es erhielt die Opuszahl 103, die Beethoven zeitlebens freigelassen hatte, erst 1851 von dem Verlag Breitkopf & Härtel. Die Höhe der Opusnummer ist verwirrend, denn mit Beethovens Spätwerk hat das Stück nichts zu tun. Es gehört in die Bonner Jugendjahre, in denen Beethoven am Hofe des Kölner Kurfürsten und Erzbischofs, des Habsburger-Erzherzogs Max Franz, wirkte. Sein Dienstherr, ein Bruder der Kaiser Joseph II. und Leopold I., war im ganzen Reich berühmt für seine Harmoniemusik. Nach Boßlers Musikalischer Korrespondenz (1791) konnte man die acht Bläser dieses Ensembles „mit Recht Meister ihrer Kunst nennen … Selten wird man eine Musik von dieser Art finden, die so gut zusammenstimmt, so gut sich versteht, und besonders im Tragen des Tons einen so hohen Grad von Wahrheit und Vollkommenheit erreicht hätte, als diese. Auch dadurch schien sie sich mir von ähnlichen Tafelmusiken zu unterscheiden, daß sie auch größere Stücke vorträgt“ . Zu den „größeren Stücken“, die der Bericht erwähnt, gehörte auch das Oktett des jungen Beethoven, das dieser kurz vor seiner zweiten Reise nach Wien 1792 komponierte und – offensichtlich aus der gleichen Tradition wie Haydn heraus – Parthia nannte.

Beethoven war zum damaligen Zeitpunkt nicht nur ein bereits berühmter Klaviervirtuose, sondern auch ein staatlich gefördertes Talent auf dem Gebiete der Komposition, das man nach Wien geschickt hatte, um „Mozarts Geist aus Haydns Händen“ zu empfangen. Mit Recht konnten seine staatlichen Förderer Fortschritte in der Komposition erwarten. Man kann sich die Verwunderung des Kölner Kurfürsten vorstellen, als ihm Beethovens Lehrer Haydn 1793 einen Packen mit angeblich neuen Stücken seines Schülers übersandte, die man aus Bonn längst kannte, darunter auch die Bläser-Parthia. Entsprechend indigniert fiel die Antwort aus Bonn aus: „Die Musik des jungen Beethoven, welche sie Mir zugeschickt haben, habe ich mit Ihrem Schreiben erhalten. Da indessen diese Musik … von demselben schon hier zu Bonn komponirt und produzirt worden, ehe er seine zweyte Reise nach Wien machte,so kann mir dieselbe kein Beweis seiner zu Wien gemachten Fortschritte seyn… Ich denke dahero, ob er nicht wieder seine Rückreise hieher antreten könne, um hier seine Dienste zu verrichten; denn ich zweifle sehr, daß er bey seinem itzigen Aufenthalte wichtigere Fortschritte in der Composition und Geschmak gemacht haben werde und fürchte, daß Er eben so wie bei seiner ersten Wienner Reise bloß Schulden von seiner Reise mitbringen werde.“ Beethovens Reise nach Wien wurde nach barockem Muster als Investition in die Zukunft der Bonner Hofmusik verstanden und entsprechend bewertet. Daß der junge Komponist in Wien anderes suchte, als für seinen Fürsten „Geschmak“ zu erwerben, konnte Max Franz nicht ahnen.

Enthusiastisch beschrieb A. W. Thayer in seiner von Hugo Riemann überarbeiteten Beethoven-Biographie das Oktett: „Alles ist in eine Fülle von Wohllaut getaucht, der kaum beschrieben werden kann. Das führende Instrument ist meist die erste Oboe, mehrfach mit dem Fagott hübsch konzertierend; aber auch die Klarinette kommt zu ihrem Recht, und die Hörner machen ihre Wirkung ihrer Natur entsprechend geltend. Außer den Motiven und Figuren breiten namentlich die lang gehaltenen Töne der verschiedenen Instrumente einen leuchtenden Glanz über das Ganze. Sollte das Tafelmusik sein, so ist gewiß selten eine ähnliche geschrieben worden,“ wobei es Riemann nicht unterließ, in einer Anmerkung auf das Vorbild Mozarts und seiner großen Bläserserenaden hinzuweisen, ohne die Beethovens „Parthie“ kaum so überzeugend ausgefallen wäre.

03.10.1998:

Wenn sich deutsche Fürsten Ende des 18. Jahrhunderts zum politischen Gespräch versammelten, sei es bei Staatsbesuchen, sei es während der Wahltage in Frankfurt/Main oder bei ähnlichen Großereignissen, durfte eine Harmoniemusik nicht fehlen. Der deutsch-österreichische Hochadel des Ancien régime war dazu übergegangen, die einst aus gemischten Ensembles bestehende Tafelmusik aus reinen Bläserensembles zu rekrutieren. Eine der berühmtesten dieser sog. „Harmoniemusiken“ war die Bonner des Kurfürsten Max Franz, der ein Bruder der Habsburger-Kaiser Joseph II. und Leopold II. war.
Nach dem schon zitierten Bericht in Boßlers Musikalischer Korrespondenz konnte man die acht Bläser dieses Ensembles „mit Recht Meister ihrer Kunst nennen … Auch dadurch schien sie sich mir von ähnlichen Tafelmusiken zu unterscheiden, daß sie auch größere Stücke vorträgt“. Zu den letzteren gehörte auch das Oktett des jungen Beethoven, das dieser kurz vor seiner zweiten Reise nach Wien 1792 komponierte und – gemäß der Tradition solcher Serenaden für acht Bläser – Parthia nannte, was soviel wie Suite bedeutet.
Beethoven war zum damaligen Zeitpunkt ein staatlich gefördertes Talent auf dem Gebiete der Komposition, das man nach Wien schickte, um „Mozarts Geist aus Haydns Händen“ zu empfangen. Mit Recht konnten seine staatlichen Förderer Fortschritte in der Komposition erwarten. Man kann sich die Verwunderung des Kölner Kurfürsten vorstellen, als ihm Beethovens Lehrer Haydn 1793 einen Packen mit angeblich neuen Stücken seines Schülers übersandte, die man aus Bonn längst kannte, darunter auch die Bläser-Parthia!
Entsprechend indigniert fiel die Antwort aus Bonn aus: „Die Musik des jungen Beethoven, welche sie Mir zugeschickt haben, habe ich mit Ihrem Schreiben erhalten. Da indessen diese Musik … von demselben schon hier zu Bonn komponirt und produzirt worden, ehe er seine zweyte Reise nach Wien machte, so kann mir dieselbe kein Beweis seiner zu Wien gemachten Fortschritte seyn… Ich denke dahero, ob er nicht wieder seine Rückreise hieher antreten könne, um hier seine Dienste zu verrichten; denn ich zweifle sehr, daß er bey seinem itzigen Aufenthalte wichtigere Fortschritte in der Composition und Geschmak gemacht haben werde und fürchte, daß Er eben so wie bei seiner ersten Wienner Reise bloß Schulden von seiner Reise mitbringen werde.“ Beethovens Reise nach Wien wurde nach barockem Muster als Investition in die Zukunft der Bonner Hofmusik verstanden und entsprechend bewertet. Daß der junge Komponist in Wien anderes suchte, als für seinen Fürsten „Geschmak“ zu erwerben, konnte Max Franz nicht ahnen.
Enthusiastisch beschrieb A. W. Thayer in seiner von Hugo Riemann überarbeiteten Beethoven-Biographie das Oktett:
„Alles ist in eine Fülle von Wohllaut getaucht, der kaum beschrieben werden kann. Das führende Instrument ist meist die erste Oboe, mehrfach mit dem Fagott hübsch konzertierend; aber auch die Klarinette kommt zu ihrem Recht, und die Hörner machen ihre Wirkung ihrer Natur entsprechend geltend. Außer den Motiven und Figuren breiten namentlich die lang gehaltenen Töne der verschiedenen Instrumente einen leuchtenden Glanz über das Ganze. Sollte das Tafelmusik sein, so ist gewiß selten eine ähnliche geschrieben worden,“ wobei es Riemann nicht unterließ, in einer Anmerkung auf das Vorbild Mozarts und seiner großen Bläserserenaden hinzuweisen, ohne die Beethovens „Parthie“ kaum so überzeugend ausgefallen wäre.
Noch ein Wort zur Opuszahl 103: Sie ist verwirrend hoch und erklärt sich aus der nachträglichen Einordnung in eine Lücke der Beethovenschen Opera. Wie die meisten seiner Bläserwerke hat Beethoven auch seine Parthia nicht selbst zur Veröffentlichung freigegeben. Sie erhielt die Opuszahl 103, die Beethoven zeitlebens freigelassen hatte, erst 1851 von dem Verlag Breitkopf & Härtel, überdies den irreführenden Titel Grand Octet. Damit wollte man das Stück höfischer Unterhaltungsmusik nachträglich nobilitieren und zu klassischer Kammermusik sublimieren. Beethoven selbst hat dies aber schon viel früher getan, indem er eine Bearbeitung des Bläseroktetts für Streichquintett vornahm und diese als sein Opus 4 publizierte.

2003
LUDWIG VAN BEETHOVEN
Oktett Es-Dur, op. 103

Im 18. Jahrhundert wurden Bläser von höchster Qualität in den Sparten der Musikmagazine eigens vermerkt. Als Deutschlands bestes Bläserensemble galt die „Harmoniemusik“ des Kölner Kurfürsten Max Franz, zu dessen Bonner Hofkapelle auch der junge Beethoven gehörte. Boßlers Musikalische Korrespondenz (1791) in Speyer berichtete, dass man die acht Bläser jenes Ensembles „mit Recht Meister ihrer Kunst nennen“ könne: „Selten wird man eine Musik von dieser Art finden, die so gut zusammenstimmt, so gut sich versteht, und besonders im Tragen des Tons einen so hohen Grad von Wahrheit und Vollkommenheit erreicht hätte, als diese. Auch dadurch schien sie sich mir von ähnlichen Tafelmusiken zu unterscheiden, daß sie auch größere Stücke vorträgt.“ Unter den „größeren Stücken“, die der Bericht erwähnt, befand sich auch ein Bläseroktett des jungen Beethoven, das dieser kurz vor seiner zweiten Reise nach Wien 1792 komponierte. Obwohl es zu seinen schönsten Bonner Frühwerken gehört, hat es Beethoven selbst zeitlebens nicht veröffentlicht. Es erhielt die verwirrend hohe Opuszahl 103, die der Komponist freigelassen hatte, erst 1851 vom Verlag Breitkopf & Härtel.
Beethoven stand dem Oktett später vielleicht deshalb reserviert gegenüber, weil es ihn an eine peinliche Jugendsünde erinnerte. 1792 war der junge Bonner als staatlich gefördertes Talent auf dem Gebiete der Komposition nach Wien aufgebrochen, um „Mozarts Geist aus Haydns Händen“ zu empfangen, wie es ihm Graf Waldstein mit auf die Reise gab. Mit Recht konnten Beethovens staatliche Förderer Fortschritte ihres Schützlings erwarten. Man kann sich die Verwunderung des Kölner Kurfürsten vorstellen, als ihm Beethovens Lehrer Haydn 1793 einen Packen mit angeblich neuen Stücken seines Schülers übersandte, die man in Bonn längst kannte, darunter auch das Bläseroktett. Entsprechend indigniert fiel die Antwort des Kurfürsten an Haydn aus: „Die Musik des jungen Beethoven, welche sie Mir zugeschickt haben, habe ich mit Ihrem Schreiben erhalten. Da indessen diese Musik … von demselben schon hier zu Bonn komponirt und produzirt worden, ehe er seine zweyte Reise nach Wien machte,so kann mir dieselbe kein Beweis seiner zu Wien gemachten Fortschritte seyn… Ich denke dahero, ob er nicht wieder seine Rückreise hieher antreten könne, um hier seine Dienste zu verrichten; denn ich zweifle sehr, daß er bey seinem itzigen Aufenthalte wichtigere Fortschritte in der Composition und Geschmak gemacht haben werde und fürchte, daß Er eben so wie bei seiner ersten Wienner Reise bloß Schulden von seiner Reise mitbringen werde.“ Beethovens Reise nach Wien wurde nach barockem Muster als Investition in die Zukunft der Bonner Hofmusik verstanden und entsprechend bewertet. Dass der junge Komponist in Wien anderes suchte, als für seinen Fürsten „Geschmak“ zu erwerben, konnte Max Franz nicht ahnen. Schon kurze Zeit später war klar, dass Beethoven in Wien bleiben und seine Zukunft selbst in die Hand nehmen würde.

Enthusiastisch beschrieb A. W. Thayer in seiner von Hugo Riemann überarbeiteten Beethoven-Biographie das Bläseroktett: „Alles ist in eine Fülle von Wohllaut getaucht, der kaum beschrieben werden kann. Das führende Instrument ist meist die erste Oboe, mehrfach mit dem Fagott hübsch konzertierend; aber auch die Klarinette kommt zu ihrem Recht, und die Hörner machen ihre Wirkung ihrer Natur entsprechend geltend. Außer den Motiven und Figuren breiten namentlich die lang gehaltenen Töne der verschiedenen Instrumente einen leuchtenden Glanz über das Ganze. Sollte das Tafelmusik sein, so ist gewiß selten eine ähnliche geschrieben worden.“