Septett, op. 65 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Camille Saint-Saens

Septett, op. 65

Septett für Trompete, zwei Violinen, Viola, Violoncello, Kontrabass und Klavier, op. 65

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1634

Satzbezeichnungen

1. Préambule

2. Menuet

3. Intermède

4. Gavotte et Final

Erläuterungen

2000
CAMILLE SAINT-SAËNS
Septett Es-Dur, op. 65
Dass Poulenc sich noch 1926 an einem Werk von Saint-Saëns orientierte, verrät, wie viel der Grandseigneur der französischen Spätromantik für die Entwicklung der Instrumentalmusik in seiner Heimat getan hat. Saint-Saëns setzte es sich zum Ziel, durch regelmäßige Uraufführungen von eigenen Werken und solchen junger Komponisten die französische Kammermusik zu fördern und vom erdrückenden Vorbild der „Musique germanique“, der deutschen Kammermusik von Beethoven bis Brahms, zu befreien.
Unter den Stücken, die so im Laufe der Jahre entstanden, huldigten nicht wenige einem neobarocken Stilideal, d.h. sie versuchten, die Formen der Barockmusik mit den harmonischen Mitteln des späten 19. Jahrhunderts zu verbinden. Unter den Werken dieser Richtung ist das Septett von Saint-Saëns, 1879/80 für die Pariser Gesellschaft Die Trompete, komponiert, das brillanteste und zugleich ironischste. Nichts scheint hier ganz ernst zu sein. Der Komponist des Karnevals der Tiere hat hier seinen „Karneval der Stile“ geschrieben.

Schon gleich das einleitende Préambule zieht die Attitüde einer barocken Ouvertüre mit langsamer Einleitung und Fuge keineswegs dezent durch den Kakao. Auf den pompösen Unisono-Anfang folgt ein Fanfarensolo der Trompete, während das Klavier sich etwas unpassend im Stil des Virtuosenkonzerts gebärdet. Die Fuge schafft Ordnung. Sie behandelt ihr Thema in der Manier von Schumanns Klavierquintett – ein Seitenhieb auf deutsche Gründlichkeit. Romantische Episoden durchbrechen die barocke Motorik, die gegen Ende fröhliche Urständ feiert.
Das Menuett bedient sich noch plakativer als der erste Satz barocker Klischees. Versatzstücke aus dem Baukasten eines Lully oder Händel werden zusammengewürfelt, um unversehens dem Ton eines Schumann-Nachtstücks Platz zu machen. Die beiden Ebenen sind mit bewundernswerter Klarheit durchgehalten, bis das Trio eine elegante Melodie an die Stelle der Ironie setzt.

Das Interméde ist der einzige ganz romantische Satz des Werkes: eine Moll-Kantilene über eine Art Bolero-Rhythmus, die von Instrument zu Instrument weitergereicht und bis zu schwärmerischer Ekstase gesteigert wird. Stil und Klang erinnern an romantische Fantasiestücke, was Saint-Saëns jedoch nicht unbedingt ernster nahm als den Pseudo-Barock der übrigen Sätze.

Mit Gavotte et Final lenkte er den Blick zurück zur höfischen Welt des 18. Jahrhunderts, die hier einen Schuss Frivolität aus jüngeren Etablissements mitbekommen zu haben scheint. Im Kaskaden-Feuerwerk des Klaviers würde niemand ohne die Überschrift den Rhythmus der altehrwürdigen Gavotte wiedererkennen. Man würde ihn für einen Galopp alla Johann Strauß halten. Erst der virtuose Abschluss, das eigentliche Finale, führt uns wieder ins sichere Fahrwasser barocker Satztechniken zurück. Man findet sich in einem jener akademischen Fugenfinali wider, wie sie die Deutschen so sehr liebten und wofür sie von den Franzosen so gerne belächelt wurden.

Karl Böhmer