Streichquartett c-Moll, op. 18,4 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ludwig van Beethoven

Streichquartett c-Moll, op. 18,4

Quartett c-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 18,4

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 167

Satzbezeichnungen

1. Allegro ma non tanto

2. Scherzo. Andante scherzoso quasi Allegretto

3. Menuetto. Allegretto

4. Allegro – Prestissimo

Erläuterungen

1799, ein Jahr, nachdem Joseph Haydn sein Opus 76 vollendet hatte, begann sein Schüler Ludwig van Beethoven mit der Komposition seines ersten Opus von Streichquartetten. In Teilen gingen die Stücke auf Entwürfe aus seinen Bonner Jugendjahren zurück, doch Beethoven scheint den Gedanken an sein erstes Quartett-Opus bewusst für Jahre aufgeschoben zu haben. Erst nach der Publikation seiner Streichtrios, frühen Klaviertrios und Violinsonaten – durchweg erfolgreiche Serien, die ihn quasi über Nacht zum international berühmten „Star“-Komponisten machten ?, näherte er sich dem anspruchsvollsten Genre der Kammermusik. Seine Skrupel, ausgelöst durch die großen Quartettzyklen Mozarts und Haydns, werden daran ersichtlich, dass er seine ersten sechs Quartette vor der Drucklegung 1801 noch einmal einschneidend revidierte, um sie den strengen Gesetzen des Genres anzupassen.

Noch im Sommer 1799 hatte er die Urfassung des F-Dur-Quartetts, op. 18, 1, mit begeisterten Worten seinem Jugendfreund Carl Amenda nach Riga geschickt. Schon ein Jahr später forderte er ihn auf: „Dein Quartett gieb ja nicht weiter, weil ich es sehr umgeändert habe, indem ich erst jetzt recht Quartetten zu schreiben weiss, wie du schon sehen wirst, wenn du sie erhalten hast.“ Im Dezember 1800 gab Beethoven denn die sechs Quartette des Opus 18 endlich an den Verleger Mollo, der sie 1801 in zwei Lieferungen herausbrachte. Es war gewissermaßen der symbolische Beginn des Streichquartetts im 19. Jahrhundert.

Wie man am Vergleich der beiden Fassungen des F-Dur-Quartetts heute noch sehen kann, ging es Beethoven beim „rechten Quartettschreiben“ um eine konsequente Durcharbeitung des vierstimmigen Satzes nach Haydns Vorbild: Dichte der thematischen Arbeit, Prägnanz der motivischen Gestalten und Dramatisierung der Form schwebten ihm vor. Nicht in allen Werken des Opus hat er diesen Anspruch in gleicher Weise verwirklicht. Dem c-Moll-Quartett, op. 18,4, warf Ludwig Finscher eine gewisse Unausgewogenheit vor: „Sicherlich das problematischste Werk des Opus 18 ist das c-Moll-Quartett (was umso merkwürdiger ist, als es nicht, wie man früher oft annahm, in die Bonner Jahre zurückreicht, sondern als vorletztes der sechs Werke geschrieben wurde). Der erste Satz weist mit seiner orchestralen Klangfülle und Satztechnik, der konzertant-solistischen Behandlung der ersten Violine und vor allem den stereotypen »singenden« Auftakt-Themen auf Mannheimer Einflüsse … Das Finale fällt schon durch seine formale Anspruchslosigkeit (es ist ein konventionelles Rondo) aus dem Rahmen des ganzen Opus heraus; auch in diesem Satz ist die Behandlung der ersten Violine so ausgesprochen konzertant-solistisch, daß man sich fragt, ob Beethoven zeitweilig mit dem französischen Quatuor concertant geliebäugelt haben könnte.

Das C-dur-Scherzo anstelle des langsamen Satzes – formal ein Fugato in Sonatensatzform – ist als extremer Kontrast zum Kopfsatz zu verstehen, aber seine Thematik ist merkwürdig konventionell. Ganz auf der Höhe der anderen Quartette steht nur das außerordentlich düstere Menuett, das mit dem im 1. Satz nur vorgeführten c-Moll-Pathos Ernst zu machen scheint, weniger das bukolische As-Dur-Trio, in dem wieder die erste Violine konzertant behandelt wird.“

Die Besonderheiten, die Finscher als Schwächen wertete, kann man ebenso gut als Vorzüge eines nicht an Wien orientierten Quartettstils verstehen. Quartette von sogenannten Kleinmeistern der Klassik wie Antonio Rosetti oder Joseph Martin Kraus, deren Musik in den rheinischen Residenzen populär war, weisen in die gleiche Richtung wie Beethovens c-Moll-Werk: in die des „Sturm und Drang“. Man darf davon ausgehen, dass sich Beethoven in diesem Stück – seinem einzigen Moll-Quartett vor 1806 – von jener Stilrichtung aus seiner Jugendzeit prägen ließ, die eben nicht mit dem Wiener Quartettstil identisch war, sondern eigene, frühromantische Wege ging.