Streichquartett e-Moll, op. 59,2 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ludwig van Beethoven

Streichquartett e-Moll, op. 59,2

Quartett e-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello , op. 59,2

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 171

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Molto Adagio. Si tratta questo pezzo con molto di sentimento

3. Allegretto – Maggiore (Thème russe)

4. Finale. Presto – Più presto

Erläuterungen

„FLICKWERK EINES WAHNSINNIGEN“ nannten die Zeitgenossen Beethovens Streichquartette op. 59 nach dem ersten Hören bzw. Durchspielen. Von der irritierenden Wirkung, die diese Werke auf die damaligen Hörer ausübten, machen wir uns heute keine Vorstellungen mehr, da sie uns als klassischer Höhepunkt des Beethoven’schen Quartettschaffens gelten. Die Zuhörer damals waren jedoch durchweg irritiert, ja von manchen Stellen förmlich belustigt, fanden es „schade um das Geld“ oder glaubten an einen Beethoven’schen Scherz. Noch 1821, 15 Jahre, nachdem es komponiert worden war, heißt es von einer Aufführung des e-Moll-Quartetts, op. 59, 2: „Mit merkwürdiger Stille lauschte alles den, oft etwas bizarren Tönen“. Anfang 1807, als Beethoven die Werke gerade vollendet hatte, munkelte die Presse schon: „Auch ziehen drey neue, sehr lange und schwierige Beethovensche Violinquartetten, dem russischen Botschafter, Graf Rasumowsky zugeeignet, die Aufmerksamkeit aller Kenner an sich. Sie sind tief gedacht und trefflich gearbeitet, aber nicht allgemeinfasslich…“.

Drei Dinge waren es, die das Unverständnis der Zeitgenossen provozierten: die Länge der Stücke – im e-Moll-Quartett vor allem die Ausdehnung des Adagio-Satzes und des Scherzos -; die ungewöhnlichen, in ihrer Expressivität völlig neuartigen Themen, wie etwa das schroffe Hauptthema des Kopfsatzes im e-Moll-Quartett; und schließlich der Klang, der hier nicht mehr aus Melodie und Begleitung im Wechsel mit kontrapunktischen Abschnitten besteht, wie noch in Beethovens frühen Quartetten, sondern aus Konglomeraten, in denen der Charakter der Einzelstimme im Ganzen aufgehoben ist. Viele Musiker sträubten sich gegen diesen neuen Quartettklang, und nur wenige erkannten den besonderen Gehalt dieser Werke, die auf das intime Quartettgenre den weltanschaulichen Anspruch der Sinfonie übertrugen.
So beruht der Kopfsatz des e-Moll-Quartetts mit seinen riesigen Durchführungspartien auf sinfonischen Techniken, der Tanzsatz nimmt die fünfteilige Form des Sinfonie-Scherzos an, und das Finale distanziert sich von jeder leichtgewichtigen Rondomanier. Im Zentrum aber steht das Molto adagio, dem Beethoven die Anweisung „Man spiele dieses Stück mit viel Gefühl“ hinzusetzen ließ. Dieses Adagio in der feierlichen Tonart E-Dur entstammt unverkennbar einer quasi-sakralen Ausdruckssphäre, beinahe wie ein Messensatz. Angeblich fiel es Beethoven ein, „als er einst den gestirnten Himmel betrachtete und an die Harmonie der Sphären dachte.“ (Czerny) Diese berühmte Anekdote ist jedoch nur ein Bild für die im Streichquartett neuartige sakrale Aura.

Als Huldigung an den Auftraggeber, Graf Rasumsowksy, hat Beethoven im Trio des Scherzos eine russische Melodie zitiert. Es ist ein Volkslied, das Mussorgsky später als Krönungshymne in seiner Oper Boris Godunow verarbeitete.