Streichquartett Nr. 3 A-Dur, op. 73 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Dimitri Schostakowitsch

Streichquartett Nr. 3 A-Dur, op. 73

Quartett Nr. 3 A-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 73

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1687

Satzbezeichnungen

1. Allegretto

2. Moderaot con moto

3. Allegro non troppo

4. Adagio

5. Moderato

Erläuterungen

Erst 1938, nach der Vollendung seiner später so berühmten 5. Sinfonie, wandte sich Dmitri Schostakowitsch dem Genre „Streichquartett“ zu. „Ohne irgendwelche besonderen Gedanken oder Gefühle“ begann er, seinen Quartetterstling zu schreiben, und ging eigentlich davon aus, dass nichts daraus werden würde. „Ein Quartett ist nämlich eine der schwierigsten musikalischen Gattungen. Ich schrieb die erste Seite als eine Art Übung und dachte überhaupt nicht daran, es zu beenden oder gar zu publizieren. Dann aber hat mich die Arbeit so gepackt, dass ich den Rest unglaublich schnell fertig stellte.“ Dieser Elan des ersten Quartetts hat den Komponisten nie mehr losgelassen. Noch 14 weitere Streichquartette sollten folgen, jedes auf seine Art ebenso rasch wie dicht komponiert, ein Kosmos der Möglichkeiten des Genres zwischen neoklassizistischen Formen und modernen Inhalten.

Diese 15 Streichquartette können in drei Werkgruppen untergliedert werden: Die ersten sechs Quartette bilden eine mehr oder weniger geschlossene Gruppe, ebenso die „späten“ Quartette Nr. 10 bis 15. Am deutlichsten zyklisch ist die mittlere Trias, denn die Quartette Nr. 7 bis 9 wurden sämtlich als tief persönliche Widmungs-Kompositionen geschrieben.

Der entscheidende Einschnitt in dieser Entwicklung war der Tod Josef Stalins vor 60 Jahren, am 5. März 1953. Er befreite den Komponisten von einem existenziellen Druck, der ihm das Komponieren fast unmöglich gemacht hatte. Nun konnte er endlich auch solche Werke vorstellen, die er zu Lebzeiten des Diktators zurückgehalten hatte wie etwa das 4. Streichquartett von 1949 mit seinen jüdischen Themen. Nach der Veröffentlichung dieses hoch expressiven Quartetts brach der Damm für die großen Quartette, die für Schostakowitsch die Funktion eines Lebenstagebuchs annahmen, das er mit Bekenntniswerken anfüllte.

Für die drei ersten Streichquartette gilt dies noch nicht in gleicher Weise. Besonders das dritte in der pastoralen Tonart F-Dur wirkt fast heiter und „mozartisch“, wenn man den tragischen Hintergrund bedenkt, vor dem es entstand. Komponiert 1946, ein Jahr nach dem Sieg der Sowjetunion über die Deutschen im „großen vaterländischen Krieg“, hätte man hier eine Triumphpartitur erwarten können, wie sie Schostakowitsch in seiner 9. Symphonie pflichtgemäß abgeliefert hatte, oder ein tragisches Fanal für die Opfer, wie er es erst viel später in seinem berühmten 8. Quartett schreiben sollte. Stattdessen „hat er hier seinem schweren und ernsten Humor freien Lauf gelassen, indem er den Schmerz über den Krieg in souveräne Kunst verwandelte, in einer fast mozartischen Mutation.“ (Pierre-Émile Barbier)

So sind auch die Formen in dem fünfsätzigen Werk betont klassisch. Um das zentrale Scherzo gruppieren sich als innere Klammer zwei langsame Sätze, als äußere zwei schnelle Ecksätze in Sonaten- und Rondoform.

Der Allegretto-Kopfsatz kombiniert Sonaten- und Rondoform in einer Abfolge schlichter, tänzerischer Themen. Darauf folgt ein russischer Trauersatz in e-Moll, eröffnet von einer Art Sprechgesang der ersten Violine zur Begleitung der Viola. Seine Intensität nimmt stetig zu, bis zum verklärten Schluss in Fis-Dur. Das zentrale Scherzo in gis-Moll erinnert an die grotesken Scherzo- und Marschsätze eines Gustav Mahler. In harten rhythmischen Kombinationen wird der Boden für das Adagio bereitet, den innerlichsten, tiefsten Satz des Werkes. Nicht zufällig steht er in cis-Moll und erinnert so an das Quartett Opus 131 von Beethoven. Wie in diesem berühmten späten Quartett des Bonner Meisters leitet das Violoncello nahtlos ins Finale über, ein Moderato in Rondoform, das mit Elementen von Tanz und Passacaglia spielt. Ein Nachsatz im Adagio nimmt die Züge eines feierlichen Chorals an.

Karl Böhmer