Septett Es-Dur, op. 20 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ludwig van Beethoven

Septett Es-Dur, op. 20

Septett Es-Dur, op. 20

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 190

Besetzung

Klarinette
Fagott
Horn
Violine
Viola
Violoncello
Kontrabass

Satzbezeichnungen

1. Adagio – Allegro con brio

2. Adagio cantabile

3. Tempo di Menuetto

4. Tema. Andante con Variazioni

5. Scherzo. Allegro molto e vivace

6. Andante con moto alla Marcia – Presto

Erläuterungen

2019:

„Das ist meine Schöpfung!“ soll Ludwig van Beethoven im Jahre 1800 beim Fürsten Schwarzenberg ausgerufen haben, als dort sein Septett zum ersten Mal aufgeführt wurde. Natürlich meinte er mit der Schöpfung das Oratorium seines ungeliebten Lehrers Joseph Haydn, das er mit seinem längsten Kammermusikstück herausfordern wollte. Stolz setzte er es auf das Programm seiner ersten eigenen Akademie im Hofburgtheater, der damaligen Wiener Hofoper, wo einst schon Mozart vor Kaiser Joseph II. brilliert hatte. An jenem 2. April 1800 hob er sein C-Dur-Klavierkonzert aus der Taufe, seine Erste Sinfonie und präsentierte als längsten Programmpunkt „ein Sr. Majestät der Kaiserin allerunterthänigst zugeeignetes Septett auf 4 Saiten- und 3 Blas-Instrumenten, gespielt von denen Herren Schuppanzigh, Schreiber, Schindlecker, Bär, Nickel, Matauschek und Dietzel“.

Tatsächlich erschien die Stimmenausgabe des Septetts im Jahre 1800 mit einer Widmung an Kaiserin Maria Theresia, die Enkelin der berühmteren Kaiserin gleichen Namens. Die zweite Gemahlin von Kaiser Franz II. war dessen Cousine ersten Grades, und zwar sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits: Maria Theresias bereits 1792 verstorbener Schwiegervater, Kaiser Leopold II., war der Bruder ihrer Mutter, ihre ebenfalls verstorbene Schwiegermutter war die Schwester ihres Vaters. Am Hof ihrer Eltern, des Königs Ferdinands IV. von Neapel und der Königin Maria Carolina, war die kleine Maria Teresa überaus musikalisch aufgewachsen. In Wien verfügte sie über eine der reichsten Musiksammlungen der Kaiserstadt und hatte regelmäßig die größten Sänger und Instrumentalisten zu Gast. Es war also kein Zufall, dass Beethoven sein bislang bedeutendstes Kammermusikwerk ausgerechnet ihr widmete – als Entrée zum Kaiserhof.

Als er das Septett seinem Verlegerfreund Hoffmeister anbot, schrieb er dazu in halb ironischem Ton: „Geliebtester Herr Bruder! Ich will in Kürze alles hersetzen, was der Herr Bruder von mir haben könnte: 1. Ein Septett per il violino, viola, violoncello, contrabasso, clarinett, corno, fagotto; – tutti obligati. (Ich kann gar nichts unobligates schreiben, weil ich schon mit einem obligaten Accompagnement auf die Welt gekommen bin.) Dieses Septett hat sehr gefallen.“ Obwohl die Anmerkung vom „obligaten Accompagnement“ den rheinischen Humor Beethovens deutlich erkennen lässt, wurde sie von der Beethovenforschung stets als gewichtige Selbstäußerung des Meisters verstanden: Von Anfang an habe er es auf die Durcharbeitung der Stimmen angelegt, wobei „nichts unobligates“ Platz fand. In Wirklichkeit ging es Beethoven in seinem Brief darum, dem Verleger anzuzeigen, dass man das Septett mit sieben vollwertigen Stimmen drucken müsse, also auch mit entsprechender Seitenzahl, da die Bläser nicht etwa „ad libitum“ gedacht waren, zur willkürlichen Verstärkung der Streicher.

Bald schon erfreute sich das Werk größter Beliebtheit, wozu eine Fülle von Bearbeitungen beitrug, von denen nur die Fassung für Klaviertrio Beethoven selbst zum Autor hatte. Später sah der Meister sein frühes Erfolgsstück mit gemischten Gefühlen an: „Sein Septett konnte er nicht leiden und ärgerte sich über den Beifall, den es erhielt“, so erinnerte sich sein Schüler Carl Czerny. Karl Holz bekam vom alten Beethoven ein milderes Urteil zu hören: Ihm gegenüber bemerkte der Meister über sein Septett, es sei viel „natürliche Empfindung“ darin, aber wenig Kunst.

Vielleicht meinte Beethoven mit dem Ausdruck „natürliche Empfindung“ sein Empfinden für die Natur, hatte er das Septett doch im Sommer 1799 in Mödling begonnen, in sommerlich sonniger Atmosphäre. In der Beethoven-Biographie von Thayer-Riemann heißt es dazu treffend: „Es ist ein Werk, welches seine Frische bewahrt hat und immer wieder mit neuem Entzücken gehört wird … Beethoven hat in den Wiener früheren Kompositionen, von den Klaviersonaten natürlich abgesehen, die leichtere Unterhaltungsmusik, die glänzenden Blasinstrumente, eifrig gepflegt, seinen Bonner Traditionen getreu. Hier hat er diese Gattung, zu der er später nicht mehr zurückkehrte, veredelt und verklärt. Er will unterhalten, aber in ernster und würdiger Weise.“

An die Tradition der Serenaden, Kassationen und Divertimenti des 18. Jahrhundert erinnert die hypertrophe Form des Septetts aus sechs langen Sätzen: Auf das erste Allegro und das Adagio folgen gleich zwei Tanzsätze, die einen Variationensatz umschließen. Auf den zweiten Tanzsatz folgt das Finale. Diese Form fand Beethoven bei Mozart vor, im großen Divertimento für Streichtrio in Es-Dur aus dem Jahre 1788 (KV 563). Gerade dieses Mozartwerk hat er besonders geliebt und schon in seinem ersten eigenen Streichtrio Opus 3 nachgeahmt. Im Septett kehrte er zur Tonart Es-Dur zurück und zu den Dimensionen seines eigenen Opus 3, fügte aber den Ecksätzen langsame Einleitungen hinzu und erweiterte das Streichtrio um einen Kontrabass sowie um ein Bläsertrio aus Klarinette, Horn und Fagott. Dadurch begründete er die Geschichte der Wiener Kammermusik in quasi-sinfonischer Besetzung. Wie sich später Franz Schubert mit seinem Oktett „den Weg zur großen Sinfonie bahnen“ wollte und sich dabei Beethovens Septett zum Vorbild nahm, so hat es noch einmal 30 Jahre später auch der junge Brahms gehalten, als er die Septettfassung seiner ersten Orchesterserenade entwarf. Mit seiner „Kammersinfonie“ für sieben Instrumente hat der junge Beethoven Musikgeschichte geschrieben, gleichsam seine „Nullte“, allerdings in den Formen des Wiener Divertimento. Deshalb erlauben sich unsere Interpreten, die sechs Sätze nicht am Stück zu spielen, sondern wie echte Unterhaltungsmusik auf den ganzen Abend verteilt.

Die sechs Sätze hat keiner anschaulicher beschrieben als Thayer in seiner von Hugo Riemann übersetzten Beethoven-Biographie:

Allegro con brio: „Die Spieler klopfen kräftig an, machen ihre Verbeugung, die Erwartung wird rege. Und nun beginnt das reizende Spiel; eine Melodie von so anmutigem Leben, wie er noch wenige geschaffen, und in welcher er sich ganz als er selbst zeigt. In den Fortsetzungen gibt sich ein erstaunlicher Reichtum der Erfindung zu erkennen; nirgendwo nur Überleitungsphrasen, überall feste Themen, die organisch verbunden sind; nicht nur ein zweites, sondern auch noch ein drittes Seitenthema. Eine edle, hohe, männliche Freudigkeit spricht sich in verschiedenen Nuancen in diesem ersten Satz aus. Schon hier sei auch auf die Meisterschaft in der Behandlung der einzelnen Instrumente, auf die Gegenüberstellung der Tongruppen und die Verwendung der Blasinstrumente, der weichen, vollen Klarinette, des Horns, des dunkeltönenden Fagotts hingewiesen. Das führende Instrument bleibt natürlich die Violine, manchmal in hohem Glanze.“

Adagio cantabile: „Eine wunderbar rührende Kantilene bringt dann die Klarinette in dem Adagio, gewiss eine der schönsten, die Beethoven geschrieben hat. Auch hier waltet hochbefriedigte Stimmung, aber ernster und gehaltener; die Nebenthemen sind etwas belebter, halten aber die Stimmung fest. Auch hier ist die Verwendung der Instrumente, des Horns, des Cello zu beachten. Die Weihe der Stimmung in diesem Satze kann kein Wort nur annähernd andeuten.“

„Das Menuett ist der Sonate Op. 49 Nr. 2 entnommen, aber selbständig behandelt. Im Trio ergehen sich Horn und Klarinette; auch sonst die Klangfarben schön gemischt. Wahrhaftig eine gute, edle Unterhaltung.

Andante con Variazioni: „Wieder wird es ruhiger, es folgt das Andante mit Variationen auf eine sehr reizende Melodie. Dieselbe soll nicht von Beethoven sein, sondern ein niederrheinisches Volkslied (Ach Schiffer, lieber Schiffer), welches Kretzschmer in seinen Deutschen Volksliedern (Berlin 1838) veröffentlichte. Nottebohm führt beachtenswerte Gründe dagegen an … Wir erachten die Behauptung damit als abgetan; wir haben es einfach mit einer Beethovenschen Melodie zu tun. Die Melodie ist zierlich und anmutig; die Variationen mit der bei Beethoven bekannten Meisterschaft gesetzt; besonders reizvoll die Moll-Variation mit den gehaltenen Tönen der Blasinstrumente.“

Scherzo: „Humoristisch und frisch ist das Scherzo, wo auf den Ruf des Horns die übrigen sich zu lustigem Aufschwung zusammenfinden, im zweiten Teil besonders die Violine losgelassen wird und jubelnd in die Höhe steigt. Dem tritt im Trio besänftigend das Violoncell mit schöner Kantilene gegenüber.“

Finale: Genug der Lustigkeit! Die Kräfte sammeln sich in einen kurzen Mollsatz und mahnen zur Einkehr; das Horn sucht wie nach etwas Verlorenem. Dann tritt als Grundlage des letzten Satzes ein festes Motiv mit dem Charakter frohen Selbstbewusstseins auf, vielfach imitatorisch behandelt und immer nachdrücklicher eingeprägt; das zweite Thema fest, frisch, doch gehalten; alles atmet Freude über etwas Erreichtes.“

-

Ein seiner Majestät der Kaiserin allerunterthänigst zugeeignetes und von Hrn. Ludwig van Beethoven componirtes Septett auf 4 Saiten- und 3 Blas-Instrumente war der vierte Programmpunkt eines Konzerts, das Ludwig van Beethoven am 2. April 1800 zu seinen Gunsten im Alten Burgtheater zu Wien veranstaltete. In dem selben Programm stellte er seine Erste Symphonie und sein Erstes Klavierkonzert der Öffentlichkeit vor. Es waren die drei bedeutendsten Werke seiner ersten Wiener Jahre.

Das Septetto, so der Titel der Ausgabe von 1802, war Kaiserin Maria Theresia gewidmet. Sie war die zweite Gemahlin von Kaiser Franz, der damals noch als Franz II. über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation herrschte, bevor er nach dessen Auflösung Kaiser Franz I. von Österreich wurde. Seine zweite Gemahlin war eine Tochter von König Ferdinand IV. von Neapel und dessen Gemahlin Maria Carolina von Habsburg-Lothringen und damit eine Enkelin der viel berühmteren Kaiserin Maria Theresia. Die hatte in ihren späten Jahren mit großer Freude von der Geburt ihrer Enkelin 1772 zu Neapel erfahren und eingewilligt, dass die kleine Prinzessin ihren Namen tragen durfte. Damals konnte noch keiner ahnen, dass auch diese Maria Theresia einmal Kaiserin sein würde. Denn erst durch den überraschenden Tod des kinderlosen Josephs II. 1790 war der Weg auf den Kaiserthron für dessen Bruder Leopold freigeworden, wodurch Leopolds ältester Sohn automatisch zum designierten Nachfolger wurde. Ebenso überraschend war es, dass Kaiser Leopold II. bei der Suche nach einer zweiten Frau für seinen Sohn ausgerechnet seine Nichte aus Neapel ins Auge fassen würde. Maria Theresia wurde mit 18 Jahren die Gemahlin ihres Cousins Franz und schon zwei Jahre später Kaiserin, nachdem ihr Onkel und Schwiegervater 1792 plötzlich verstorben war. Die blutjunge Neapolitanerin nahm das hohe Amt in schwerer Zeit auf sich, als Deutschland und Österreich von den Truppen des revolutionären Frankreich heimgesucht wurden. Die Musik blieb ihr einziger Trost: Sie war eine sehr gute Sängerin und musikalisch gründlich ausgebildet. Durch Joseph Haydns „Theresienmesse“ ist sie unsterblich geworden, noch bedeutender aber mutet die Widmung von Beethovens Septett an. Freilich starb die Kaiserin schon 1807, nach der Geburt ihres zwölften Kindes (!), im Alter von nur 34 Jahren.

Das Septett wurde Beethovens populärstes Werk zu Lebzeiten – bis 1830 sein meist gespieltes Stück überhaupt. Neben der Originalfassung konnte man es in Bearbeitungen für Streichquintett, Klaviertrio, Flöte und Streicher, ja sogar „arrangé en Harmonie“ für Flöte, Es-Klarinette, zwei B-Klarinetten, zwei Hörner, zwei Fagotte, Trompete, Posaune und Serpent erwerben! Dieser notorische Ruhm seines Septetts ist dem alten Beethoven lästig geworden. Laut seinem Schüler Carl Czerny konnte er das Werk „nicht leiden und ärgerte sich über den Beifall, den es erhielt,“ was die Zeitgenossen verwunderte: „Es ist sonderbar, dass Beethoven gerade dieses Werk für eines seiner wenigstgelungenen erklärt haben soll. Denn obwohl in der Anlage etwas breit, ist es doch unendlich viel reicher an wahren Schönheiten, als manche seiner spätern Werke“, schrieb ein Kritiker noch 1826.

Beethovens eigene Einstellung zu dem Werk war nicht immer so abschätzig wie am Ende seines Lebens. Nach der Wiener Premiere soll er, Haydn herausfordernd, gesagt haben: „Das ist meine Schöpfung!“ Ein Jahr zuvor hatte Joseph Haydn sein Oratorium Die Schöpfung in Wien zur triumphalen Uraufführung gebracht. Nun forderte Beethoven seinen ehemaligen Lehrer ausgerechnet mit einem Instrumentalwerk für sieben Instrumente heraus – David gegen Goliath. In einem Brief an seinen Verleger schrieb Beethoven voller Stolz, dass alle Stimmen in diesem Werk obligat seien; keines der sieben Instrumente sei nur ad libitum oder zur Begleitung da. Aus ihrem ständig sich wandelnden, kammermusikalischen Dialog entstehen eine fast symphonische Klangfülle und ein nie versiegender Einfallsreichtum der Satzweise.

Der Reiz des Septetts liegt eben in dieser Vielfalt begründet, in der sich Einflüsse der Symphonie, des Solokonzerts und der Kammermusik überlagern. Einerseits wirkt es wie ein kammermusikalischer Nachfahre der Sinfonia concertante, wobei Violine, Klarinette und Horn als Soloinstrumente fungieren; erstere erhält im Finale sogar eine Cadenza. Andererseits sind nach Beethovens zitierter Aussage alle Stimmen im Sinne der Kammermusik obligat („ich kann gar nichts unobligates schreiben!“). Die Form kombiniert die vier Sätze einer Symphonie mit zwei Intermezzi im Stil des Wiener Divertimento.

Schon in der Adagio-Einleitung zum ersten Satz wird die Rollenverteilung deutlich: Auf der einen Seite fungieren die vier Streicher wie ein Streichorchester in der Symphonie, nur dass die zweite Geige fehlt und dem einzigen Geiger damit solistische Aufgaben zuwachsen – technisch höchst anspruchsvolle Passagen schon in der Introduktion. Die drei Blasinstrumente treten teils den Streichern als geschlossene „Bläserharmonie“ gegenüber, teils solistisch hervor, wobei besonders die Klarinette als Widerpart zur Geige agiert.
Das Allegro con brio wird vom Streichtrio ohne Kontrabass eröffnet, mit einem wahrhaft schwungvollen Thema der Geige, das sofort von der Klarinette im orchestralen Septettklang wiederholt wird. Der nervöse Auftakt, die Synkopen und Sforzati des Themas sind typisch für den Sturm und Drang des jungen Beethoven, während die Überleitung unverhohlen Wiener Divertimento-Töne anschlägt. Im zweiten Thema wird das Alternieren Streicher-Bläser besonders deutlich, ebenso die „durchbrochene Arbeit“, das Wandern der Motive durch die Stimmen. Eine virtuose Passage der Violine und eine muntere Mozartsche Schlussgruppe im Gavotte-Rhythmus beenden die unbeschwerte Exposition der Themen. Erst mit dem Fortissimo zu Beginn der Durchführung tritt der trotzig-selbstbewusste Beethoven hervor. Molltöne nisten sich in die Bläserstimmen ein, der Gestus der Streicher wird immer wilder und nervöser, bevor eine große Steigerung in die Reprise zurücklenkt, die zur zweiten Durchführung ausgebaut wird (Thema in Cello und Kontrabass). Die Coda setzt mit majestätischen Soli für Horn, Geige und Klarinette den Schlusspunkt unter diesen wahrhaft mitreißenden Satz.

Wenn oft behauptet wird, man könne aus Beethovens Septett Vorahnungen seiner Symphonien heraushören, so liegt das vor allem am langsamen Satz und am Scherzo: Das Adagio cantabile in Beethovens Lieblingstonart As-Dur wirkt geradezu wie ein Vorläufer zum Adagio der Vierten. Das Klarinettensolo, das den Satz eröffnet, verkörpert idealtypisch jenen langen Atem, wie ihn so viele Adagios des jungen Beethoven ausstrahlen. Wieder hat er dafür den Neunachteltakt gewählt, also einen triolisch schwingenden Dreiertakt – wie im ersten Streichquartett und diversen frühen Klaviersonaten. Dies verleiht der Melodie ihren charakteristischen ruhigen Schwung, den die Klarinette an die Violine weiterreicht. Das Thema wird in einen so weichen, pulsierenden Klang eingebettet, wie ihn nur Beethoven schreiben konnte – man denke an das Adagio der Pastorale. In den Rahmenteilen entspinnt sich das Duett zwischen Violine und Klarinette als „unendliche Melodie“ in schönster Eintracht, im Mittelteil wandern melancholische Schatten über die Szene, was in einem schmerzlichen Hornsolo gipfelt.

Vor das Scherzo, das nun in einer Symphonie eigentlich folgen müsste, hat Beethoven zwei Sätze von volkstümlichem Charakter eingeschoben – ein Menuett und Variationen, beides Huldigungen an den Geist des Wiener Divertimento. Das Tempo di Menuetto hat ein so bärbeißiges Thema, als würde es von einer Dorfkapelle in Döbling oder Heiligenstadt gespielt, Beethovens bevorzugten Sommerfrischen, die damals noch vor den Toren Wiens lagen. Im Trio ruft die Geige zum Appell, worauf Horn und Klarinette mit kleinen, gefährlichen Triolenpassagen antworten. Kaum merkt man diesem Satz an, dass ihn Beethoven aus einer Klaviersonate übernommen hat: Es handelt sich um das von G-Dur nach Es-Dur transponierte Menuett der „leichten Klaviersonate“ op. 49,2, die zwar erst 1805 gedruckt wurde, aber schon zehn Jahre früher entstanden war.

Dem Variationensatz an vierter Stelle liegt ein so eingängiges B-Dur-Thema zugrunde, dass man es früher für ein Volkslied gehalten hat: 1838 wurde es als „Niederrheinisches Volkslied“ herausgegeben, obwohl es weder vom Niederrhein stammt noch ein Volkslied ist, sondern von Beethoven frei erfunden wurde. Die Variationen machen nach der Reihe die Probe aufs Exempel: Erst müssen Bratschist und Cellist ihre Virtuosität unter Beweis stellen, dann der Geiger (Variation II), schließlich Fagottist und Klarinettist (Variation III). In der vierten Variation erhält das Horn sein Solo über zartester Streicherbegleitung. Die fünfte Variation lenkt zum Thema zurück, das Streicher und Bläser einander zuspielen und in einer ganz zarten Coda ausklingen lassen. Freilich hat sich Beethoven hier einen Scherz mit plötzlichen Fortissimo-Akkorden erlaubt – wie ja überhaupt der rheinische Frohsinn bei dem Meister aus Bonn eine viel größere Rolle spielte, als man gemeinhin glaubt. Seine Schüler berichteten immer wieder, wie er sich in geselligen Runden „ausgeschüttet“ habe vor Lachen, besonders über musikalische Scherze.

Ein solcher ist der fünfte Satz des Septetts, ein wahrhaft furioses Scherzo, das vom Horn mit den Staccato-Tönen des Es-Dur-Dreiklangs eröffnet wird. Im rasend schnellen Tempo Allegro molto e vivace entfalten diese Staccato-Töne in allen sieben Instrumenten ein unbotmäßiges Eigenleben, wodurch die Ansätze zu schöner Melodie immer wieder zerstört werden. Im Trio erhält endlich auch der Cellist ein kantables Solo im Rhythmus eines Wiener Walzers.

In der langsamen Einleitung des Finales wird es plötzlich ernst: Ein Marsch in es-Moll vertreibt vorübergehend alle Heiterkeit, macht aber schon nach 16 Takten dem wahrhaft mitreißenden Finalthema Platz. Dieses Presto, von der Geige auf der G-Saite angestimmt, entfaltet einen solchen „eclat triomphal“, einen triumphalen Glanz, wie er bald zum Markenzeichen für die Finali Beethovens werden sollte. Dass der Meister sein Septett später so verachtete, erscheint gerade angesichts dieses Satzes ungerecht. Seine gewichtige Durchführung, die Geigenkadenz vor der Reprise und vor allem die brillanten Geigenpassagen gegen Ende münden zwingend in den Applaus des Publikums.

-

Ludwig van Beethoven hat sich am Ende seines Lebens von einigen seiner früheren Werke distanziert. Insbesondere der Ruhm seines Septetts, op. 20, scheint ihm lästig geworden zu sein. Laut seinem Schüler Carl Czerny konnte er das Werk „nicht leiden und ärgerte sich über den Beifall, den es erhielt,“ was die Zeitgenossen verwunderte: „Es ist sonderbar, dass Beethoven gerade dieses Werk für eines seiner wenigstgelungenen erklärt haben soll. Denn obwohl in der Anlage etwas breit, ist es doch unendlich viel reicher an wahren Schönheiten, als manche seiner spätern Werke“, schrieb ein Kritiker noch 1826. Tatsächlich ist der Erfolg dem Septett von der Uraufführung im Jahr 1800 bis heute treu geblieben. Sein berühmtester Bewunderer war Franz Schubert, der sein eigenes Oktett in enger Anlehnung an Beethovens Werk komponierte.

In der Beethovens Wiener Karriere war das Septett sein endgültiger Durchbruch zum Ruhm. Als ein „seiner Majestät der Kaiserin allerunterthänigst zugeeignetes und von Hrn. Ludwig van Beethoven componirtes Septett auf 4 Saiten- und 3 Blas-Instrumente“ war es der vierte Programmpunkt eines Konzerts, das Beethoven am 2. April 1800 zu seinen Gunsten in Wien veranstaltete. In dem selben Programm stellte er seine 1. Symphonie, op. 21, und sein 1. Klavierkonzert, op. 15, der Öffentlichkeit vor. Es waren die drei bedeutendsten Werke seiner ersten Wiener Periode.

Das Septetto, so der Titel der Ausgabe von 1802, wurde das populärste von ihnen und bis 1830 das meist gespielte Beethoven-Werk überhaupt. Neben der Originalfassung konnte man es in Bearbeitungen für Streichquintett, Klaviertrio, Flöte und Streichquartett und sogar „arrangé en Harmonie“ für Flöte, Es-Klarinette, zwei B-Klarinetten, zwei Hörner, zwei Fagotte, Trompete, Posaune und Serpent erwerben.

Beethovens eigene Einstellung zu dem Werk war nicht immer so abschätzig wie am Ende seines Lebens. Nach der Wiener Premiere soll er, Haydn herausfordernd, gesagt haben: „Das ist meine Schöpfung.“ Dies belegt, wie sehr das Septett im unmittelbaren Vorfeld seiner Ersten Sinfonie für ihn Neuland war – eine „Schöpfung“ ganz anderer Art als Haydns Oratorium von 1798. In einem Brief an seinen Verleger schrieb Beethoven, dass alle Stimmen in diesem Werk obligat seien, das bedeutet: keines der sieben Instrumente ist nur „ad libitum“ oder zur Begleitung da. Aus ihrem sich ständig wandelnden kammermusikalischen Dialog entsteht eine fast sinfonische Klangfülle und eine Vielfalt der „obligaten“, durchgestalteten Satzweise, die für den Instrumentalkomponisten Beethoven typisch werden sollte.

Die Besonderheit des Septetts liegt in dieser satztechnischen Vielfalt begründet, in der sich Einflüsse der Symphonie, des Solokonzerts und der Kammermusik miteinander verbinden. Einerseits wirkt es wie ein kammermusikalischer Nachfahre der Sinfonia concertante, wobei Violine, Klarinette und Horn als Soloinstrumente fungieren; erstere erhält im Finale sogar eine Cadenza. Andererseits sind nach Beethovens eigener Aussage alle Stimmen im Sinne der Kammermusik obligat behandelt („ich kann gar nichts unobligates schreiben!“); die Form schließlich kombiniert die vier Hauptsätze einer Symphonie mit zwei divertimentohaften Sätzen.

Kopfsatz und Finale verweisen – zumal durch ihre langsamen Einleitungen – auf die ersten beiden Symphonien; das Adagio cantabile wirkt wie ein Vorläufer zum Adagio der Vierten und das Scherzo wie eine Studie zu den Scherzi bis hin zur Eroica. Das Menuett dagegen hat Beethoven aus seiner kleinen Klaviersonate op. 49, 2 übernommen, und den Variationensatz hat er nach dem Vorbild der großen österreichischen Finalmusiken bzw. Cassationen eingefügt. Sein Thema wurde so populär, daß es schon 1838 als Niederrheinisches Volkslied herausgegeben werden konnte.

2003
UDWIG VAN BEETHOVEN
Septett Es-Dur, op. 20

Ein „seiner Majestät der Kaiserin allerunterthänigst zugeeignetes und von Hrn. Ludwig van Beethoven componirtes Septett auf 4 Saiten- und 3 Blas-Instrumente“ war der vierte Programmpunkt eines Konzerts, das Ludwig van Beethoven am 2. April 1800 zu seinen Gunsten im Alten Burgtheater zu Wien veranstaltete. In dem selben Programm stellte er seine 1. Sinfonie und sein 1. Klavierkonzert der Öffentlichkeit vor. Es waren die drei bedeutendsten Werke seiner ersten Wiener Periode.

Das Septetto, so der Titel der Ausgabe von 1802, war Kaiserin Maria Theresia, der Frau von Kaiser Franz II. gewidmet. Es wurde das populärste der drei Stücke und bis 1830 das meist gespielte Beethoven-Werk überhaupt. Neben der Originalfassung konnte man es in Bearbeitungen sld Streichquintett oder Klaviertrio, für Flöte und Streicher und sogar arrangé en Harmonie für Flöte, Es-Klarinette, zwei B-Klarinetten, zwei Hörner, zwei Fagotte, Trompete, Posaune und Serpent erwerben! Dieser notorische Ruhm seines Septetts ist dem alten Beethoven lästig geworden. Laut seinem Schüler Carl Czerny konnte er das Werk „nicht leiden und ärgerte sich über den Beifall, den es erhielt,“ was die Zeitgenossen verwunderte: „Es ist sonderbar, dass Beethoven gerade dieses Werk für eines seiner wenigstgelungenen erklärt haben soll. Denn obwohl in der Anlage etwas breit, ist es doch unendlich viel reicher an wahren Schönheiten, als manche seiner spätern Werke“, schrieb ein Kritiker noch 1826.

Beethovens eigene Einstellung zu dem Werk war nicht immer so abschätzig wie am Ende seines Lebens. Nach der Wiener Premiere soll er, Haydn herausfordernd, gesagt haben: „Das ist meine Schöpfung.“ Dies belegt, wie sehr das Septett für ihn Neuland war – eine „Schöpfung“ ganz anderer Art als Haydns Oratorium von 1798. In einem Brief an seinen Verleger schrieb Beethoven, dass alle Stimmen in diesem Werk obligat seien; keines der sieben Instrumente sei nur ad libitum oder zur Begleitung da. Aus ihrem sich ständig wandelnden kammermusikalischen Dialog entsteht eine fast sinfonische Klangfülle und eine Vielfalt der obligaten, d.h. durchgestalteten Satzweise, die für den Instrumentalkomponisten Beethoven typisch werden sollte.

Die Besonderheit des Septetts liegt in dieser Vielfalt begründet, in der sich Einflüsse der Sinfonie, des Solokonzerts und der Kammermusik überlagern. Einerseits wirkt es wie ein kammermusikalischer Nachfahre der Sinfonia concertante, wobei Violine, Klarinette und Horn als Soloinstrumente fungieren; erstere erhält im Finale sogar eine Cadenza. Andererseits sind nach Beethovens zitierter Aussage alle Stimmen im Sinne der Kammermusik obligat („ich kann gar nichts unobligates schreiben!“). Die Form kombiniert die vier Sätze einer Symphonie mit zwei Intermezzi. Kopfsatz und Finale verweisenzumal durch ihre langsamen Einleitungen – auf die ersten beiden Sinfonien. Das Adagio cantabile wirkt wie ein Vorläufer zum Adagio der Vierten und das Scherzo wie eine Studie zu den Scherzi bis hin zur Eroica. Das Menuett dagegen hat Beethoven aus seiner kleinen Klaviersonate op. 49, 2 übernommen. Den Variationensatz hat er nach dem Vorbild der großen österreichischen Finalmusiken bzw. Cassationen eingefügt. Sein Thema wurde so populär, dass es schon 1838 als Niederrheinisches Volkslied herausgegeben werden konnte, obwohl es weder vom Niederrhein stammt noch ein Volkslied war.

Karl Böhmer