Sonate für Violine und Basso continuo, "Teufelstriller" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Giuseppe Tartini

Sonate für Violine und Basso continuo, "Teufelstriller"

Sonate für Violine und Basso continuo, “Teufelstriller”

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1930

Satzbezeichnungen

1. Larghetto

2. Allegro energico

3. Grave

4. Allegro assai

Erläuterungen

Assisi im August 1710. An die Pforten des Franziskanerklosters klopft ein junger Mann auf der Flucht. Er stammt aus Piran in den slowenischen Kolonien Venedigs, hat in Padua studiert und dort heimlich den Bund der Ehe geschlossen – ausgerechnet mit der Nichte des Erzbischofs, Kardinal Cornaro. Auch durch seine Fechtkünste hat er sich Feinde gemacht, die nun offene Rechnungen begleichen wollen. Ganz nebenbei ist der Achtzehnjährige auch noch ein vielversprechender junger Geiger, aber das muss er vorerst verschweigen, weil man ihn daran erkennen könnte. Glücklicherweise ist der Guardiano des Klosters San Francesco ein Verwandter. Er gewehrt dem Flüchtigen im Pilgergewand Zuflucht. Erst vier Jahre später wird Giuseppe Tartini die schützenden Mauern des Klosters wieder verlassen, innerlich gewandelt und gereift zu einem der besten Geiger Italiens.

Was sich liest, wie eine Szene aus einem Historienroman, hat tatsächlich stattgefunden. Die Anfänge des nachmals berühmtesten Geiger Italiens waren stürmisch, und sie hätten aus ihm ebenso gut einen professionellen Fechter wie Geiger machen können. Gleichsam unter dem Schutz des Heiligen Franziskus reifte er zum Musiker, bestärkt durch den Unterricht eines Franziskaners aus Prag, den die Mönche in Assisi schlicht „Il Boemo“ nannten, den Böhmen, weil sie seinen Namen Bohuslav Cernohorsky nicht aussprechen konnten. (Es handelte sich um den damals berühmtesten Komponisten Tschechiens neben Zelenka.) Bestärkt durch den Kompositionsunterricht des Böhmen und durch tägliches Üben, machte sich Tartini 1714 auf den Weg nach Ancona, um dort im Opernorchester zu spielen und seine Geigenkünste bei einem gewissen Giulio Terni zu vervollkommnen.

Auf dieser Reise wurde er von einer Teufelsvision geplagt, die ihn im Vorjahr im Kloster ereilt hatte. Jahrzehnte später erzählte er diesen Traum dem Astronomen Jérôme Lalande: „Eines Nachts im Jahre 1713 träumte mir, ich hätte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, er solle mein Diener sein. Alles ging nach meinem Kommando, mein neuer Domestik erkannte im Voraus alle meine Wünsche. Da kam mir der Gedanke, ihm meine Fiedel zu überlassen und zu sehen, was er damit anfangen würde. Wie groß war mein Erstaunen, als ich ihn mit vollendetem Geschick eine Sonate von derart erlesener Schönheit spielen hörte, dass meine kühnsten Erwartungen übertroffen wurden. Ich war verzückt, hingerissen und bezaubert; mir stockte der Atem, und ich erwachte. Dann griff ich zu meiner Violine und versuchte die Klänge nachzuvollziehen. Doch vergebens. Das Stück, das ich daraufhin geschrieben habe, mag das Beste sein, das ich je komponiert habe, doch es bleibt weit hinter dem zurück, was mich im Träume so sehr entzückt hatte. Denn wohl hätte ich meine Violine in zwei Teile zerbrochen und die Musik für immer aufgegeben, wenn es mir gelungen wäre, die Freuden jenes Traums tatsächlich aufzuzeichnen.“

Jahre lang versuchte Tartini, die Musik des Teufels in angemessener Weise aufzuzeichnen, doch erst im Jahr 1730 gelang es ihm, das Gehörte in die Form einer Sonate für Violine und Basso continuo zu kleiden. Sie steht in g-Moll und hat drei Sätze in jener besonderen Abfolge, die Tartini erfunden hat: langsam-schnell-schnell. Der langsame Satz steht am Anfang, ein sehnsüchtiges Siciliano, wie es für die Zeit um 1730 typisch war. Darauf folgt ein moderat schneller zweiter Satz mit einem kraftvollen Dreiklangsthema und weich fließenden Sechzehntelpassagen. Auch dieser Satz hat noch nichts Teuflisches an sich. Erst das Finale wartet mit der „musica del diavolo“ auf. Es ist ein furioses Allegro assai im tänzerischen Rhythmus einer Bourrée, dem eine kurze langsame Einleitung vorangeht, die mehrfach im Satz wiederkehrt. Schon diese Form ist so ungewöhnlich, dass man an ein verborgenes Programm denkt. Die Grave-Einleitung scheint den Schlafenden darzustellen, der im plötzlich hereinbrechenden Allegro von der Vision des Teufels überrascht wird. Mehrfach sinkt er wieder in den traumlosen Schlaf zurück, um erneut von den diabolischen Klängen aufgeschreckt zu werden.

In den Allegro-Abschnitten findet sich jener Triller, den spätere Generationen zum „Teufelstriller“ erklärten: Der Geiger muss unter dem Triller eine Melodie spielen, wobei beide Elemente Stufe um Stufe in die Höhe steigen. Dieser Effekt war um 1730 so neu, dass man auf ihn die Anekdote von der Teufelsvision bezog. Bezeugt ist dies zwar erst im Jahre 1798 in Paris, als der Franzose Jean-Baptiste Cartier die Sonate in seiner Sammlung L’art du violon (Die Kunst der Violine) herausgab und mit dem Titel Le trille du diable versah. Freilich muss die Identifizierung des „Teufelstrillers“ auf Tartini selbst zurückgehen, der seine „Teufelssonate“ lebenslang unter Verschluss hielt. Erst nach seinem Tod ¬wurde sie unter dem Titel „Teufelstrillersonate“ weltberühmt.

Generationen von Geigern haben dieses Stück teils historisch ehrfürchtig herausgegeben wie Joseph Joachim, teils stark bearbeitet wie Fritz Kreisler oder Jenö Hubay. Von Kreisler stammt eine Fassung für Violine und Streichorchester, die aber zusätzlich noch eine Orgel benötigt. Deshalb entschied sich Klaus Arp für eine leicht abweichende Bearbeitung, die Volker Müller für das Mainzer Kammerorchester angefertigt hat.

Übrigens wurde Tartini zeit seines Lebens nicht mehr vom Teufel heimgesucht, im Gegenteil: Als Musikdirektor an der Basilika Sant’Antonio in Padua, als Musik- und Universalgelehrter wurde er von den Einwohnern der Stadt wie ein Heiliger verehrt. In seiner Geigenschule, die er Scuola delle Nazioni („Schule der Nationen“) nannte, bildete er zwei Generationen berühmter europäischer Geiger aus. Auch privat wendete sich für ihn alles zum Guten: Kardinal Cornaro verzieh ihm den jugendlichen Leichtsinn und gab dem heimlichen Ehebund mit der geliebten Nichte Elisabetta den Segen. Die Beiden lebten glücklich und zufrieden miteinander in Padua und starben im Abstand von nur zwei Jahren, 1768 bzw. 1770. Die Italiener aber, aufgeschreckt durch den Teufelstraum des Geigers aus Slowenien, sahen seine Frau und ihn nach ihrem Tod in der Kirche Santa Caterina herumspuken, wo Beide bestattet sind. Als man ihre Gräber öffnete, fand man tatsächlich keinerlei Überreste, was die Gerüchte noch verstärkte. Der Grund dafür waren aber gewisse chemische Substanzen im Boden der Kirche, welche die Verwesung schnell und vollständig vorantreiben. Ungestraft durfte sich selbst ein Tartini nicht mit dem Teufel einlassen, und sei es nur im Traum.