Trio g-Moll, op. 63 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Carl Maria von Weber

Trio g-Moll, op. 63

Trio g-Moll für Klavier, Flöte und Violoncello, op. 63

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2069

Besetzung

Flöte
Violoncello
Klavier

Satzbezeichnungen

1. Allegro moderato

2. Scherzo. Allegro vivace

3. Schäfers Klage. Andante espressivo

4. Finale. Allegro

Erläuterungen

„Ging sehr gut und wirkte wie ich gewollt“ schrieb Carl Maria von Weber am 21. November 1819 in sein Tagebuch, nachdem sein g-Moll-Trio in einem Dresdner Privatkonzert uraufgeführt worden war. Jene unmittelbare Wirkung, wie sie sich bei den Zeitgenossen einstellte, haben spätere Generationen beim Anhören des Trios nicht immer verspürt. Manche Weber-Kenner hielten es für sein am wenigsten gelungenes Instrumentalwerk. Sie fanden, dass sich „angesichts des tief melancholischen Grundtons allzu leicht Trost und Ablenkung einstellen“ (John Warrack), und beklagten den Mangel an formaler Geschlossenheit. Das Unbehagen der Musikwissenschaft hat sich auf den Konzertsaal ausgewirkt: Webers Trio ist selten zu hören. Sein Rang als bedeutendstes Klaviertrio der Romantik vor Schubert wurde nicht hinreichend gewürdigt. Dies mag auch an der Besetzung mit Flöte liegen, obschon gerade sie biographisch wie inhaltlich den Schlüssel zum Verständnis liefert.

In einem Vortrag 1999 in Schloss Engers zeigte der Musikwissenschaftler Joachim Veit, wie sehr das Trio auf einer zeittypischen Verquickung von Biographie und romantischer Ästhetik beruht. Weber widmete es seinem Flöte spielenden Medizinerfreund Philipp Jungh und griff dabei auf einen Triosatz zurück, den er 1813 im Prager Freundeskreis mit Jungh musiziert hatte. Es war ein Adagio mit dem Titel Schäfers-Klage, das von einem gleichnamigen Gedicht Goethes inspiriert und dem Schäferinstrument Flöte auf den Leib geschrieben war. Aus dieser Schäfers-Klage wurde in Dresden 1818/19 das viersätzige Trio, dessen romantischer Klagegestus sich aus der Keimzelle des Werkes erklärt.

Weber verwendete für das Adagio eine Volksweise, die in Deutschland mit den unterschiedlichsten Texten kursierte und auch von Clemens Brentano in Des Knaben Wunderhorn aufgenommen worden war. Erst durch Goethe wurde sie zur Schäfers-Klage, denn der Dichter verfasste zur Melodie des Volkslieds einen neuen Text: sein Gedicht Schäfers Klagelied.

Weber lernte die Melodie mit Goethes neuem Text 1813 in Prag durch den Weimarer Schauspieler Ehlers kennen. Dessen Interpretation hat ihn offenbar so beeindruckt, dass er aus der Liedmelodie ein Adagio für Flöte, Cello (oder Viola) und Klavier machte. Dabei spielte offenbar Webers eigene Liebesklage über die zeitweise getrübte Beziehung zu seiner späteren Frau Caroline Brand in die Klage des Goetheschen Schäfers mit hinein. In dem Adagio des Trios vermischen sich also auf typisch romantische Weise Liebes-Sehnsucht, Volkslied-
ästhetik und Goethekult. Erst durch die drei in Dresden nachkomponierten Sätze hat Weber diese Prager Volksliedbearbeitung dann in den Rang eines romantischen Grand Trio erhoben.

Zu Beginn, in den einleitenden Takten des Allegro moderato, darf man schon an Franz Schubert denken. Aus geheimnisvollen Klavierakkorden steigt ein Klagegesang von Cello und Flöte auf. Dieses weit gespannte, fast 40 Takte lange Thema nimmt in seinem harmonischen Changieren und mit dem mehrmaligen Crescendo schon Wirkungen von Schuberts später Kammermusik vorweg. Zumindest der Wiener Schubert – das wird hier deutlich – hat die zukunftweisende Bedeutung von Webers Trio erkannt. Dem Klageton des Hauptthemas antwortet das Seitenthema mit einer munteren Dur-Arabeske der Flöte, die den Satz in lichtere Regionen zu lenken scheint. In der Durchführung jedoch spitzt sich der anfängliche Gegensatz zwischen verhaltenem Ausdruck und dramatischen Forte-Ausbrüchen im Hauptthema zu, während sich die Durarabeske in gespenstisches Passagenwerk verwandelt. Die Nähe zum 1820 komponierten Freischütz wird hier deutlich.

Auch das folgende Scherzo beschwört eine Freischütz-Szenerie herauf: Zwischen trotzig-bizarrem Moll und einer Polonaise brillante der Flöte scheint sich eine doppelbödige Tanzszene anzudeuten.

Nahtlos schließt sich daran Schäfers Klage an, jener Variationensatz über das allbekannte Volkslied. Die Liedmelodie wird zunächst in rührender Einfachheit in der Flöte vorstellt. Wir sehen gleichsam, die Flöte spielend, Goethes Hirten vor uns. Erst Webers harmonisch reicher Klaviersatz macht aus der simplen Weise ein hochromantisches Adagio, dessen Variationen zunehmend in Mollregionen abschweifen. Gegen Ende – nach einer Flötenkadenz – setzt das Thema im Klavier nurmehr stockend an, worauf es von Flöte und Cello ins tieftraurige b-Moll gewendet wird.

Zu Beginn des Finales wird der Gegensatz zwischen Moll und Dur, sozusagen das Motto des Werkes, fast überspitzt: Ein Tanzthema des Klaviers in chromatisch angereichertem g-Moll wird vom Cello mit einem Moll-Einwurf beantwortet, dann aber von der Flöte gewaltsam in rauschendes Dur verwandelt. Immer wieder ist es die Flöte, die den Ausdruck ins Brillante wenden will, immer wieder führen Cello und Klavier in die dunkleren Regionen zurück. Im Mittelteil erhält das Mollthema seine (schon zu ahnende) Durchführung in Fugenform, bevor sich das Durthema ganz allmählich gegen die Chromatik durchsetzt. Der kraftvolle Durschluss kann es an mitreißender Wirkung mit jeder Weberschen Ouvertüre aufnehmen. Dennoch bleibt auch im Finale die Schäfers-Klage Programm des Werkes.