Oktett | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Isang Yun

Oktett

Oktett für Bläser mit Kontrabass ad lib. (1994)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2134

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

Der aus Korea stammende Komponist Isang Yun wurde sowohl während des II. Weltkriegs als auch im Kalten Krieg zum “Opfer der Gewalt”. Da er sich nach dem Kriegseintritt Japans am Befreiungskampf Koreas beteiligt hatte, wurde er, obschon in Osaka und Tokio ausgebildet, 1943 von den Japanern gefoltert. 1967 wurde der mittlerweile in Berlin lebende Komponist durch den südkoreanischen Geheimdienst nach Seoul verschleppt und dort der Spionage für Nord-Korea angeklagt. Im Gefängnis mußte Yun Folter ertragen, und nur die massive Intervention der westlichen Musikwelt konnte verhindern, daß die lebenslange Freiheitsstrafe, zu der er verurteilt worden war, auch vollstreckt wurde.
Seit 1969 lebt Yun wieder in Berlin, 1971 erwarb er die deutsche Staatsangehörigkeit. Er lehrte in Hannover sowie 1970-85 an der Berliner Hochschule der Künste. Am 7. Mai 1993 war bei einem Parlando-Abend in der Villa Musica zu Gast.

Mit Yuns Musik gelangt der westliche Hörer in eine andere Welt von Bläsertradition und -klang. Die Rolle, die die europäische Kunstmusik den Holzblasinstrumenten zugedachte – durch ihre Kantilene den Gesang nachzuahmen – wird durch eine gänzlich andere ersetzt. In der chinesisch-koreanischen Hofmusik, auf deren Traditionen sich Yun besann, gelten außerordentlich differenzierte Formen der Klang-erzeugung und Klangfarben, die sich vom Naturlaut und dem Material der Instrumente herleiten. Zugleich folgt die Musik anderen Vorstellungen von Verlauf, wie Yun selbst es beschrieb: “Für das europäische Publikum hat Musik selbstverständlich eine formale Struktur. Die asiatische Musik strömt, sie kommt aus sich selbst und bleibt sich immer gleich. Deshalb habe ich meine Musik als Bewegtheit in der Unbewegtheit definiert. Wenn Sie asiatische Musik hören, so erklingt zwei, drei Stunden lang immer dasselbe. Erst wenn man genau beobachtet, stellt man fest, daß es nie genau dasselbe ist. Immer wird etwas differenziert, verändert.”

Obwohl Yun schon 1956 nach Westeuropa kam und in Berlin und Paris Anschluß an die westliche Avantgarde suchte, hat er sich in seiner Musik das koreanische Wesen bewahrt. “Er ist ungestüm, aber zugleich wie das kristallklare Wasser eines anmutig dahinfließenden Gebirgsbaches. Dort (in Korea) fällt kein dunkler Schatten (wie bei Japanern so häufig)”, schrieb der Japaner Toru Takemistu über den bewunderten Kollegen.

Sein Oktett für Bläser mit Kontrabaß ad lib. schrieb Yun 1994 im Auftrag des Landes Baden-Württemberg für die von Ingo Goritzki und Ulf Rodenhäuser geleitete Musikalische Akademie Stuttgart. Es erlebte im Rahmen einer Matinee der Akademie im Neuen Schloß Stuttgart am 20. 2. 1995 seine Uraufführung. In der Kritik der Stuttgarter Zeitung hieß es zu dem Oktett unter anderem: “Das einsätzige Werk, in dem eine gefaßtere Haltung vorherrscht, bewahrt trotz Abschnitten variierter Lautstärke und Klangdichte den Charakter durchgängigen musikalischen Strömens. Gleichwohl stehen neben kompakten Klangfeldern virtuose Spielfiguren der hohen Bläser, energische Hornrufe und blockhafte Fagotteinwürfe. Naturlautpassagen, von Oboen und Klarinetten in zartem Satz vorgetragen, schaffen ein durchsichtiges Stimmgefüge.”

2003
ISANG YUN
Bläseroktett

Der 1995 verstorbene koreanische Komponist Isang Yun galt zeitlebens als der große Vermittler zwischen den Klangwelten der westlichen Avantgarde und der fernöstlichen Musik. Vielleicht am suggestivsten zeigt sich dies in seinen Bläserwerken. In ihnen begegnet der westliche Hörer einer fremden musikalischen Welt, wie es Yun selbst eindringlich beschrieb: “Für das europäische Publikum hat Musik selbstverständlich eine formale Struktur. Die asiatische Musik strömt, sie kommt aus sich selbst und bleibt sich immer gleich. Deshalb habe ich meine Musik als Bewegtheit in der Unbewegtheit definiert. Wenn Sie asiatische Musik hören, so erklingt zwei, drei Stunden lang immer dasselbe. Erst wenn man genau beobachtet, stellt man fest, daß es nie genau dasselbe ist. Immer wird etwas differenziert, verändert.”

Sein Oktett für Bläser mit Kontrabass ad lib. schrieb Yun 1994 für die Musikalische Akademie Stuttgart. Es erlebte seine Uraufführung 1995 im Neuen Schloss Stuttgart unter Beteiligung von Ingo Goritzki und Klaus Thunemann. Bei einer Spieldauer von 18 Minuten entfaltet sich das Werk in einem einzigen großen Spannungsbogen. Die Grundidee ist die der Bläserpaare. Wie in der “Harmoniemusik” der Klassik sind Oboen, Klarinetten, Hörner und Fagotte paarweise aneinander gekoppelt. Nach dem Terz-einstieg der Oboen und Klarinetten über Hörnerpedal kommt es zu einer allmählichen Auffüllung des Satzes durch Horn- und Fagott-Terzen. Dazu treten als rhythmischer Impuls die angerissenen Liegetöne des Kontrabasses. Das Anschwellen der Lautstärke innerhalb weniger Takte freien Strömens ist ebenso typisch für Yuns Musik wie der Umschlag in nervöse Arabesken im Fortissimo. In den Duetten der hohen Bläser, die das freie Strömen aufbrechen, schlägt sich fernöstliche Ornamentik nieder. Immer wieder verdichten sich diese nervösen Felder zu eruptiven Ausbrüchen im Fortissimo, besonders im Schlussabschnitt. Die Stuttgarter Zeitung schrieb nach der Uraufführung: “Das einsätzige Werk … bewahrt trotz Abschnitten variierter Lautstärke und Klangdichte den Charakter durchgängigen musikalischen Strömens. Gleichwohl stehen neben kompakten Klangfeldern virtuose Spielfiguren der hohen Bläser, energische Hornrufe und blockhafte Fagotteinwürfe. Naturlautpassagen, von Oboen und Klarinetten in zartem Satz vorgetragen, schaffen ein durchsichtiges Stimmgefüge.”

Isang Yun wurde im Westen zuerst als politisch Verfolgter bekannt. Als koreanischer Freiheitskämpfer im II. Weltkrieg schon von den Japanern gefoltert, wurde er 1967 durch den südkoreanischen Geheimdienst nach Seoul verschleppt und dort der Spionage für Nord-Korea angeklagt. Im Gefängnis musste er erneut die Folter ertragen, und nur die massive Intervention der Musikwelt konnte verhindern, dass er eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verbüßen hatte.