Sonate Nr. 3 B-Dur | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Jan Dismas Zelenka

Sonate Nr. 3 B-Dur

Triosonate Nr. 3 B-Dur für Oboe, Violine, Fagott oder Violoncello und Basso continuo

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2146

Satzbezeichnungen

1. Adagio (Andante)

2. Allegro

3. Largo

4. Allegro – Tempo giusto

Erläuterungen

Die raumgreifende Satzanlage der bachschen Violinsonaten – der fugierten Allegro- wie der lyrischen Adagiosätze – wäre im zeitgenössischen Umfeld ohne Parallele, hätte es nicht Jan Dismas Zelenka gegeben. Mit der Wiederentdeckung seiner sechs Triosonaten begann in den 1950er-Jahren die Renaissance eines böhmischen Komponisten, den man schlicht einen Wahlverwandten Bachs nennen muss. Man findet bei ihm die gleiche ausufernde Fugenschreibweise wie in Bachs Triosonaten, die gleiche Tiefe und harmonische Abgründigkeit der Adagios. Sie unterscheiden sich grundsätzlich von der schlagfertigen Kürze Telemanns, der naiven Italianità eines Heinichen oder dem imposanten, aber stets formal überschaubaren Pathos Händels.

Zelenka wirkte lange Jahre an der Seite Heinichens als dessen Assistent an der Dresdner Hofkirchenmusik, kam jedoch früher nach Dresden als sein sächsischer Vorgesetzter und hatte letztlich die breitere musikalische Ausbildung erfahren: erst bei den Jesuiten in Prag, dann im Eliteensemble des Dresdner Hofs, den „Cammermusici“, wo er Kontrabass spielte, schließlich bei Lotti in Venedig und bei Johann Joseph Fux in Wien.

Zelenka gehörte zu jenen Dresdner Musikern, mit denen der sächsische Kurprinz 1716 Venedig besuchte. Anders als Heinichen brachte ihm dies jedoch keine dauerhaften Vorteile ein. Als Komponist stand er lebenslang im Schatten anderer, Heinichens, Hasses, Pisendels. Denn seine Musik war für den galanten Geschmack der Wettiner zu gelehrt und zu reich an Dissonanzen, was sie wiederum mit Bach verbindet. In der katholischen Kirchenmusik des Hofes konnte sich seine Begabung für Doppelfugen, chromatischen Kontrapunkt und lange, harmonisch reich ausgearbeitete Sätze ungehindert entfalten; in der Dresdner Instrumentalmusik war sie eher unerwünscht, hat uns aber seine großartigen Triosonaten für zwei Oboen und B.c. beschert.
Komponiert um 1720 nach seinem Studienaufenthalt beim Kontrapunktspezialisten Fux, waren sie sein Opus I, seine kompositorische Visitenkarte. In der B-Dur-Sonate, der einzigen, für die Zelenka die Besetzung Oboe, Violine und Bass vorschrieb, ist schon der erste Satz ungewöhnlich breit angelegt: ein harmonisch reich ausgearbeiteter Dialog über einem keineswegs nur stützenden Bass. Letzterer ist nämlich ein sogenannter Basso obbligato, in dem sich das Fagott ab und zu von der stützenden Basslinie löst und in Tenorlage eine zusätzliche Stimme ausführt. (Grundsätzlich haben wir es also mit der gleichen Konstellation wie in Telemanns Concerto a quattro zu tun, obwohl man im einen Fall von „Quartett“ und im anderen von „Triosonate“ spricht.) In den zweiten Satz der B-Dur-Sonate, ein fugiertes Allegro, hat Zelenka die ganze Meisterschaft seines doppelten Kontrapunkts hineingelegt, der dritte wirkt unstet und harmonisch schweifend, als Intermezzo vor dem tänzerischen Finale. Letzteres ist – im Gegensatz zu Telemanns schmissiger Gigue – kein Kehraus, sondern das rhythmisch vertrackte Elaborat eines böhmischen Themas.

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ZELENKA gehört zu den großen Entdeckungen der Barockmusik. Jene Solistenschar um Heinz Holliger, die vor 30 Jahren mit der Ersteinspielung seiner Sonaten seine Wiederent-deckung einleitete, muss bass erstaunt gewesen sein: Ein solcher Reichtum an Kontrapunkt, eine solche Fülle an Einfällen und extravaganten Modulationen hätte keiner von Triosonaten für Oboen und Bass erwartet. Noch heute sind die Allegrosätze dieser Sonaten für Oboisten eine Herausforderung, die Fagottsoli nur mit Vivaldi zu vergleichen, die Doppelfugen singulär.

Man kann in diesen Stücken Zelenkas Genius bewundern und Spuren seiner böhmischen Musikalität entdecken, man kann sie aber auch als Dokumente für die Kunst der Oboisten am Dresdner Hof verstehen. 1718, vier Jahre vor Zelenka, widmete Telemann seine Kleine Cammer-Musik den Oboisten François le Riche und Franz Richter, „Sr. Königlichen Majestät von Polen und Chur Fürstlichen Durchläucht von Sachsen bestallten Cammer-Musicis.“ In der Widmungsvorrede wurde Telemann nicht müde, die „Virtu“ und den „Goût, dessen dieselben sich auf der Hautbois zu bedienen pflegen,“ zu preisen. Er gesteht, von den Dresdner Oboisten auf „unaussprechliche Arth gerührt worden zu sein“, selbst wenn komplizierte Technik gefordert war wie „weit entfernte Sprünge, bedeckte und unbequeme Töne“, chromatische Gänge. „Die brillirenden Töne, welche von Natur in dieses delikate Instrument geleget sind,“ beherrschten le Riche und Richter in gleicher Weise vollkommen.

In Zelenkas Sonaten wird all dies hörbar und auch im Notentext sichtbar. Die minutiöse dynamische Bezeichnung etwa straft die alte Mär von der barocken „Terassendynamik“ lügen: die Stücke strotzen vor Crescendi und feinsten Abstufungen. Man spürt, wie sehr diese beiden Oboisten und der Dresdner Solofagottist Ritter Zelenka in ihren Bann zogen. Was er ihnen abverlangte, ist ein Extrem an Ausdauer, technischer Bravour und Differenzierungskunst, doch es scheint, dass er das Niveau von Sonate zu Sonate steigerte. Nr. I ist noch eine klassisch-italienische Sonata, ab Nr. II wird der Ausdruck bizarrer, die Satztechnik komplexer. Zunehmend löst sich das Fagott vom Bass, bis es in den Sonaten V und VI konzerthafte Soli übernimmt. Es liegt ein eigener Reiz darin, diese sukzessive „Überladung“ von Sonate zu Sonate zu studieren.

SONATA III in B-Dur: Die einzige Sonate, für die Zelenka statt der zweiten Oboe eine Violine vorsah, und die erste, in der das Fagott virtuos geführt ist. Im zweiten Satz verläuft die Fagottstimme fast permament in Sechzehnteln, was ihm einen italienischen Zug ins Virtuose verleiht. Man wird daran erinnert, dass Zelenka 1716 in Venedig Vivaldi traf. In Begleitung des sächsischen Kurprinzen hielt er sich in der Lagunenstadt auf. Anklänge an Vivaldi prägen viele seiner Themen.

Der erste Satz entfaltet sich im Dialog zwischen Oboe und Violine über einem „gehenden Bass“. Das weit gestreckte Violinthema des zweiten Satzes über den rauschenden Sechzehnteln des Fagotts würde man nicht für ein Fugenthema halten, schon gar nicht angesichts seiner gewagten Chromatik; dennoch kommt es zu einer gründlichen Durchführung in allen Stimmen. Der dritte Satz ist ein Siciliano in Moll über einem etwas skurrilen Bass, das Finale ein Concerto da camera mit italienischen Tirate als Thema. Erst gegen Ende stellt sich heraus, dass man es auch hier mit einer veritablen Doppelfuge zu tun hat.