Sonate für Violine und Violoncello | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Maurice Ravel

Sonate für Violine und Violoncello

Sonate für Violine und Violoncello (1920/22) „A la mémoire de Claude Debussy“

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2319

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Très vif

3. Lent

4. Vif, avec entrain

Erläuterungen

Maurice Ravel hat das vielleicht bedeutendste Werk für Violine und Violoncello komponiert: die Sonate en quatre parties (1920/22). Sie „markiert einen entscheidenden Wendepunkt, den Ravel selbst erkannte. Harmonische Strenge und wachsendes Interesse an linearer Bewegung kehren periodisch wieder, das gleiche gilt für die Verwendung der Bitonalität. Obgleich Debussys Andenken gewidmet, ist die Komposition nicht elegisch, sondern eher ein hervorrragendes Beispiel für die sparsame Schreibweise, die Debussy gefordert hatte und welche die Nachkriegsgeneration zu verwirklichen suchte. Bei der Premiere wurde die Sonate noch als Duo für Violine und Cello bezeichnet; Kodálys Opus 7 (1914) trug diesen Titel. Offenbar kannte Ravel diese Partitur. Seine Sonate zeigt nämlich Anklänge an ungarische Volksmusik und auch an die vorwärtsdrängenden brutalen Dissonanzen, die sich in Bartóks und Kodálys Werk finden. Außerdem lassen sich am Rande Schönbergsche Klänge bemerken. Die ganze Anlage und die Einflüsse auf die Sonate sind zweifellos neu, aber strukturell erinnert sie durchaus an das Streichquartett (ein Frühwerk Ravels), wobei das Material des 1. Satzes auch in den folgenden Sätzen erscheint… Obwohl relativ unbekannt, bedeutet dieses Werk eine glänzende Leistung des Komponisten.“ (A. Orenstein)

2004

Maurice Ravel war mit seiner einzigen Sonate für Violine und Violoncello kein allgemeiner Erfolg beschieden. Die Geigerin Héléne Jourdan-Morhange und der Cellist Maurice Maréchal kämpften bei der Uraufführung in der Pariser Salle Pleyel im April 1922 vergeblich mit dem Material eines Stückes, das der Komponist selbst als „Wendepunkt“ bezeichnet hat. Während das Publikum ein Virtuosenduo erwartete, hatte Ravel eine anspruchsvolle Sonate in vier Sätzen geschrieben, „eine extreme Kehrtwende“, wie er selbst zugab, weg vom „harmonischen Charme“ seiner früheren Musik, hin zu einer radikalen Linearität der Stimmführung mit oft dissonanten Wirkungen. Das Werk scheint bei der Uraufführung einen so sperrigen Eindruck hinterlassen zu haben, dass der Cellist Roman-Manuel witzelte, Ravel solle doch davon „eine reduzierte Fassung für Orchester“ schreiben. Weniger elegant fassten es die Kritiker in das böse Wort vom „Massaker“ an den beiden Solisten. Aus seinem zeitlichen Umfeld und den Erwartungen der Pariser herausgelöst, erscheint das Duo heute als eines der poetischsten Werke in der Kammermusik Ravels.

Der eigenartige Ton des Werkes – es ist besonders im langsamen Satz von tiefer Stille der Linienführung geprägt, die plötzlich in heftiger Erregung aufbricht – erklärt sich aus seiner Funktion als Tombeau, als Trauerstück: Ravel hat die Sonate Dem Andenken Claude Debussys gewidmet. Den ersten Satz hatte er bereits 1920 für eine Nummer der Revue musicale geschrieben, die in zahlreichen Werken an den 1918 verstorbenen Kollegen erinnerte. Später hat Ravel diese Idee der Hommage an Debussy auf die ganze Sonate erweitert.

Der Allegro-Kopfsatz verarbeitet drei relativ einfache Motive, die dennoch durch dauernden Wechsel zwischen Dur- und Mollterz fremdartig wirken, noch dazu im strengsten Kontrapunkt bis hin zum Kanon. Das sehr schnelle Scherzo benutzt hauptsächlich Pizzicati in einer aggressiven, an Bartók erinnernden Manier, unterbrochen von weichen coll’arco-Passagen. Gegen Ende werden das Sul ponticello der Geige und ein Pizzicato-Glissando des Cellos zur Pointe kombiniert. Der dritte Satz, Lent, besticht durch seine innere Ruhe, die vom einleitenden Cellosolo ausgeht. Hier erreicht die Klage ihre Mitte, während sie im Finale einem Kaleidoskop von Tanzrhythmen weicht.