Ouvertüre e-Moll | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Georg Philipp Telemann

Ouvertüre e-Moll

Ouverture à 7 e-Moll, aus: Musique de Table Première Production, Hamburg 1733

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2336

Satzbezeichnungen

1. Ouverture. Lentement – Vite

2. Réjouisance

3. Rondeau

4. Loure

5. Passepied

6. Air. Un peu vivement

7. Gigue

Erläuterungen

Die umfangreichste Gattung der spätbarocken Instrumentalmusik war die Ouverture. Mit diesem Pars pro Toto bezeichnete man bekanntlich die Gattung der Orchestersuite, die von einer Ouvertüre im französischen Stil eröffnet wurde, an welche sich eine Tanzfolge (französisch “Suite”) anschloß. Diese in Frankreich aus der Oper hervorgegangene Kombination wurde von deutschen Komponisten zu einem Konzertgenre weiterentwickelt, allen voran vom jungen Telemann am Eisenacher Hof, wo er in den Jahren 1709-12 wirkte. Lassen wir ihn selbst zu Wort kommen:

“allhier fing ich an, mich in der Instrumental-Music, besonders in Ouverturen zu versuchen, weil Se. Excellence der Herr Graf kurtz zuvor aus Franckreich kommen waren und also dieselben liebeten. Ich wurde des Lulli, Campra, und anderer guten Autoren Arbeit habhafft und, ob ich gleich in Hannover einen ziemlichen Vorschmack von dieser Art bekommen, so sahe ihr doch jetzo noch tieffer ein und legte mich eigentlich gantz und gar nicht ohne guten Succes darauf; es ist mir auch der Trieb hierzu bey folgenden Zeiten immer geblieben, so daß ich bis 200 Ouverturen wohl zusammen bringen könnte.”
Die Ouvertüre e-Moll unseres Programms gehörte nicht zu diesen bis 1718 komponierten Suiten, sondern zu den 400, die in Telemanns Oeuvre noch folgen sollten. Sie eröffnet den ersten Teil der berühmten Tafelmusik, die er 1733 in Hamburg im Druck herausbrachte und nach halb Europa verkaufen konnte. Das opulente Opus trug folgenden repräsentativen Titel:

MUSIQUE de TABLE
partagée
en
Trois Productions
dont chacune contient
1 Ouverture avec la Suite, à 7 instrumens,
1 Quatuor,
1 Concert, à 7,
1 Trio,
1 Solo,
1 Conclusion, à 7,
et dont les instruments se di=
versifient par tout.

Telemann gab hier nicht allein alle Instrumentalgattungen des deutschen Spätbarock in jeweils drei Musterbeispielen zum Besten, sondern löste auch das Versprechen des Titels ein, die Besetzung werde sich “durchweg unterscheiden”: von den 18 Stücken sind nur jeweils die Ouverture und Conclusion einer Production gleich besetzt.
Mit dieser Fülle an Klangfarben erfaßte Telemann nahezu alle Kombinationmöglichkeiten der spätbarocken Instrumentalmusik in Deutschland, insbesondere der höfischen. Ein Werk wie die e-Moll-Ouvertüre mit ihren zwei Traversflöten plus Streicher konnte jede Hofkapelle besetzen; um das Raffinement des Ereignisses noch zu steigern, läßt Telemann aus dem Streichertutti zwei Geigen und ein Cello konzertierend hervortreten. Aus diesem gestaffelten Apparat hat er die üblichen Konsequenzen gezogen: Konzertieren der Soli untereinander, was besonders in den alternativen Mittelsätzen der Tänze stattfindet; Abwechslung zwischen Soli und Tutti, wie man es besonders schön im Mittelteil der Ouvertüre und Rondeau beobachten kann.

Durch ihre ätherischen Flöten-Streicher-Register steht diese Suite auf der bukolischen Seite des Klangspektrums. Die perfekte Imitation des französischen Stils und der slawische Einschlag der Melodien sind typisch für Telemann. An den Melodien der Tafelmusik hatte ein Käufer des Werkes besonderes Interesse: Händel, der sie großzügig für seine Oratorien und Opern ausschlachtete.