Serenade | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Mátyás Seiber

Serenade

Serenade für Bläsersextett (1925)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2354

Satzbezeichnungen

1. Allegro moderato

2. Lento

3. Allegro vivace – Allegretto

Erläuterungen

MÁTYÁS SEIBER gehört zu jenen Komponisten des 20. Jahrhunderts, die auf der Flucht vor den Nazis in England Asyl suchten und fanden. In Budapest geboren und aufgewachsen, studierte er dort Cello und Komposition bei Zoltán Kodály, reiste in den goldenen Zwanzigern als Cellist eines Schiffsorchesters nach Amerika und ließ sich 1927 in Frankfurt am Main nieder, wo er an Dr. Hoch’s Konservatorium die erste deutsche Jazz-Klasse ins Leben rief. Als Leiter dieses rasch berühmten Instituts, Dirigent und Cellist lebte er bis 1933 in Frankfurt; dann wanderte er über Ungarn nach England aus. Seine Vielseitigkeit hat er sich auch dort bewahrt, wirkte als Filmkomponist und Chorleiter, Dirigent und Verfasser von Instrumentalschulen. Vor allem galt er lange Zeit als der beste Kompositionslehrer Englands.
Seibers Serenade für Bläsersextett war das Schlüsselstück seiner eigenen Studienzeit. Er reichte sie 1925 für einen Kompositionswettbewerb in Budapest ein, in dessen Jury sein Lehrer Kodály saß. Als Seibers Stück nicht prämiert wurde, trat Kodály aus der Jury aus. Schon vorher hatte er sich öffentlich für seinen Schüler eingesetzt, als man ihn in der Presse eines allzu progressiven Stils beschuldigt hatte.
Seibers Serenade verrät, was den Zeitgenossen als zu progressiv erschienen sein mag: In ihren teilweise schroffen Dissonanzen und der freitonalen Führung der Stimmen ist sie ein typisches Beispiel für die Avantgarde der 20er Jahre. Seiber machte, wie sein Lehrer, von den Melodien der ungarischen Folklore und ihren rustikalen Klangmitteln ausgiebigen Gebrauch. Im ersten Satz dominieren derbe Staccatomotive und stilisierte ungarische Tanzmelodien. Die virtuosen Arabesken, die im Lauf des Satzes in der ersten Klarinette auftauchen, kehren im langsamen Satz wieder. Hier dienen sie als Ornamente eines elegischen Gesangs, der von einem bewegteren Duett der beiden Klarinetten im Mittelteil unterbrochen wird.
Das Finale ist ein äußerst effektvoll instrumentierter ungarischer Tanz im schnellen 2/4-Takt. Die aufpeitschende Motorik der ständig wiederholten Achtel wird am Ende in einer kurzen Coda auf raffinierte Weise gesteigert. Im Dreier- statt Zweiertakt gespielt, verwandeln sich die Achtel in eine zunächst gemächliche, dann immer schnellere Fughetta, die mit einer rasanten Geste schließt.

2002
MÁTYÁS SEIBER
Serenade für Bläsersextett

Mátyás Seiber gehört zu jenen Komponisten des 20. Jahrhunderts, die auf der Flucht vor den Nazis in England Asyl suchten und fanden. In Budapest geboren und aufgewachsen, studierte er in seiner Heimatstadt Cello und Komposition bei Zoltán Kodály, reiste in den Goldenen Zwanzigern als Cellist eines Schiffsorchesters nach Amerika und ließ sich 1927 in Frankfurt am Main nieder, wo er an Dr. Hoch’s Konservatorium die erste deutsche Jazz-Klasse ins Leben rief. Als Leiter dieses rasch berühmten Instituts, Dirigent und Cellist lebte er bis 1933 in Frankfurt; dann wanderte er über Ungarn nach England aus. Seine Vielseitigkeit hat er sich auch dort bewahrt, wirkte als Filmkomponist und Chorleiter, Dirigent und Verfasser von Instrumentalschulen, “last but not least” als weithin geschätzter Kompositionslehrer.

Seibers Serenade für Bläsersextett war das Schlüsselstück seiner eigenen Studienzeit. Er reichte es 1925 für einen Kompositionswettbewerb in Budapest ein, in dessen Jury sein Lehrer Kodály saß. Als Seibers Stück nicht prämiert wurde, trat Kodály demonstrativ aus der Jury aus. Schon vorher hatte er sich öffentlich für seinen Schüler eingesetzt, als man Seiber in der Presse eines allzu progressiven Stils beschuldigt hatte.

Seibers Serenade verrät, was den Zeitgenossen als zu progressiv erschienen sein mag: In ihren teilweise schroffen Dissonanzen und der freitonalen Führung der Stimmen ist sie ein typisches Beispiel für die Avantgarde der Zwanzigerer Jahre. Wie sein Lehrer machte auch Seiber von den Melodien der ungarischen Bauernmusik und von ihren rustikalen Klangmitteln Gebrauch. Im ersten Satz dominieren derbe Staccato-Motive und stilisierte ungarische Tanzmelodien. Die virtuosen Arabesken, die im Laufe des Satzes in der ersten Klarinette auftauchen, kehren im langsamen Satz wieder. Hier dienen sie als Ornamente eines elegischen Gesangs, der von einem bewegteren Duett der beiden Klarinetten im Mittelteil abgelöst wird.

Das Finale ist ein äußerst effektvoll instrumentierter ungarischer Tanz im 2/4-Takt. Die aufpeitschende Motorik der ständig wiederholten Achtel wird am Ende in einer kurzen Coda auf raffinierte Weise gesteigert. Im Dreier- statt Zweiertakt gespielt, verwandeln sich die Achtel in eine zunächst gemächliche, dann immer schnellere Fughetta, die mit einer rasanten Geste schließt.