Klavierquartett | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

William Walton

Klavierquartett

Klavierquartett

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2357

Satzbezeichnungen

1. Allegramente

2. Allegro scherzando

3. Andante tranquillo

4. Allegro molto

Erläuterungen

William Walton
Klavierquartett

Die italienische Post gilt nicht unbedingt als die zuverlässigste in Europa. Unter den vielen Dingen, die im Laufe der Jahrzehnte auf italienischen Postämtern liegen blieben, gehörte auch das Klavierquartett des jungen William Walton. Bereits 1918 vollendet, schickte es der Komponist 1921 von Italien aus in die Heimat. Erst drei Jahre später das Paket mit der Partitur an. Walton, vom Wiederauftauchen seines sechs Jahre alten Jugendwerks überrascht, nutzte die Gelegenheit, es nach gründlicher Überarbeitung beim Wettbewerb um den Carnegie Award einzureichen, den er prompt gewann. Die Begründung der Jury ist eine schöne Zusammenfassung der Qualitäten, die das Quartett auch heute noch hörenswert machen:

„Klar und transparent in der Textur, zurückgenommen im Gefühl, durchweg gut geschrieben, erhebt sich das Werk an Höhepunkten zu großer Schönheit und noblem Ausdruck. Es ist eine wahrhafte künstlerische Leistung!“

Kaum würde man vermuten, dass man es mit dem Werk eines erst sechzehnjährigen Studenten der Oxford University zu tun hat. Freilich haben gleich drei Revisionen – die schon erwähnte von 1924 und zwei späte Fassungen aus den Jahren 1954 und 1973 – zum reifen Eindruck beigetragen, den das Stück noch heute macht: In der Fassung letzter Hand wird das Quartett, das den Komponisten sein ganzes Leben nicht los ließ, heute im allgemeinen gespielt.

Natürlich sah die musikalische Welt zu Waltons Studienzeiten noch ganz anders aus als in den späteren Dezennien des 20. Jahrhunderts. Als Walton 1920 den letzten Teil seines Musik-Examens am Christ Church College in Oxford ablegte, wurde er nach seiner Kenntnis folgender zeitgenössischer Kompositionen befragt: Schönbergs Gurrelieder, Strauss‘ Ariadne auf Naxos, Strawinskys Feuervogel, Ravels Daphnis und Chloe sowie zweier Werke englischer Komponisten. Diese Stücke umreißen den musikalischen Horizont des Studenten Walton. Der Organistensohn aus Lancashire reifte in Oxford zu einem Gegenwartsmusiker heran.

Zwar ist das Klavierquartett noch weit entfernt von der avantgardistischen Haltung, wie es sie alsbald in seinem Skandalstück Facade an den Tag legen sollte, eine Studienarbeit, die der Sechzehnjährige pflichtschuldigst seinem Lehrer Thomas Strong widmete. Doch die geschilderten Einflüsse der seinerzeit modernen Musik lassen sich auch hier nicht überhören. Während die viersätzige Anlage der deutschen Tradition bei Johannes Brahms oder beim frühen Richard Strauss folgt, sind stilistisch sowohl britische als auch französische Vorbilder auszumachen. Waltons Biograph Michael Kennedy hat diese verschiedenen Einflüsse subtil analysiert:

„Das ambitionierte Stück ist unter anderem deshalb heute noch von Interesse, weil es Hinweise auf die stilistischen Einflüsse gibt, denen der 16jährige Komponist ausgesetzt war. Hier kann man zum ersten Mal einen Hauch von Elgar verspüren, und der langsame Satz klingt teilweise nach Vaughan Williams – oder vielleicht eher nach dessen Lehrer Ravel? … Trotz seiner Unvollkommenheiten war das Klavierquartett ein Meilenstein in Waltons Entwicklung, wobei seine schamlose Romantik eher französisch als deutsch wirkt.“

Gemäß der spätromantischen Vorliebe für thematische Vereinheitlichung kehrt das Hauptthema des ersten Satzes in den folgenden drei Sätzen verändert wieder. Am klarsten ist der Bezug in der Fugato-Episode des Scherzos, das hier an zweiter Stelle steht.