"Refrains and Choruses" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Harrison Birtwistle

"Refrains and Choruses"

„Refrains and Choruses“ für Bläserquintett

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2424

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

HARRISON BIRTWISTLE ist mit über 60 Jahren heute schon ein Senior der zeitgenössischen Musik in England. Vor neun Jahren wurde er von Königin Elisabeth II. zum Ritter geschlagen und fand damit Anerkennung für ein Lebenswerk, das sich vor allem im Bereich des Musiktheaters entfaltete. Den Besuchern des von Benjamin Britten begründeten Aldeburgh Festivals wäre eine solche Karriere am Abend des 8. Juni 1968 wie ein Märchen vorgekommen. Die Uraufführung von Birtwistles Operneinakter Punch and Judy löste damals einen der größten Theaterskandale in der Geschichte Englands aus. Britten verließ unter Protest die Aufführung, Kritik und Publikum spalteten sich in feindliche Lager. Mit diesem denkwürdigen Abend zeichnete sich (nicht zufällig im 68er Jahr) ein Generationenwechsel in der englischen Musik ab: Die Komponisten der sog. „Manchester Group“ – Birtwistle und seine Studienfreunde Peter Maxwell Davis und Alexander Goehr – lösten die Generation von Britten und Vaughan Williams ab; die Neue Musik hielt in England Einzug.
Es ist wohl keine Übertreibung diesen Erdrutsch als das Werk eines Mannes zu bezeichnen: Harrison Birtwistle. Seine äußere Erscheinung und sein Kunstverständnis standen freilich stets in diametralem Gegensatz zu den Anforderungen einer feuilletonistischen Öffentlichkeit. Scheu und zurückgezogen lebt Birtwistle in Frankreich, widmet sich dem Kochen und der Bildenden Kunst und schafft seine Musik nach rationalistischen Prinzipien, die sich gängigen Einordnungen widersetzen: „Zuallererst muß man eine Vorstellung von der Welt haben, die man erschaffen will. Für mich sind die Welten, die ich am meisten bewundere, mit denen ich mich am meisten identifiziere, jene von Künstlern wie Uccello, Piero della Francesca, Paul Klee. Als ich jung war, machte Piero einen gewaltigen Eindruck auf mich. Kennen Sie sein Gemälde mit dem Titel ‚Die Geißelung Christi‘? Das Lyrische, Mysteriöse und Formalistische, das man darin findet, sind Qualitäten, die ich schon immer nachahmen wollte.“
Unser Beispiel aus Birtwistles Oeuvre ist sein opus I, ein Bläserquintett mit dem Titel Refrains and Choruses, das er am Silvesterabend 1957 beendete. Es wurde 1959 beim Cheltenham Festival uraufgeführt. Die Bläserbesetzung weist auf Birtwistles eigenes Instrument, die Klarinette, hin. Als Kind einer Arbeiterfamilie aus Lancashire war er „einfach nicht in der Lage zu sagen: ‚Ich werde Komponist‘.“ Stattdessen träumten seine Eltern von einer Solistenkarriere im Orchester. Als Student des Northern College erregte Birtwistle dann lange Zeit vor allem durch sein Klarinettenspiel Aufmerksamkeit, wobei ihm der Dirigent Elgar Howarth große Virtuosität attestierte: „Ich denke da an eine sehr elegante und technisch souveräne Semiramide-Ouvertüre …Wenn er gewollt hätte, wäre eine beachtliche Karriere als Solist möglich gewesen, aber er zog das einsamere, finanziell noch riskantere Leben eines Komponsten vor, wobei er die Ernsthaftigkeit seiner Absicht demonstrierte…“.