Cembalokonzert F-Dur | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Pietro Pompeio Sales

Cembalokonzert F-Dur

Concerto F-Dur für Cembalo und Streicher

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2489

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Andantino

3. Allegro

Erläuterungen

Wie klang die Musik des 18. Jahrhunderts an Rhein und Mosel? Diese Frage, die nicht nur Historiker, sondern auch all jene Hörer bewegen dürfte, die sich für die Musikgeschichte des Landes Rheinland-Pfalz interessieren, versuchen wir mit dem heutigen Programm für einen Höhepunkt eben dieser Musikgeschichte zu beantworten: die Blütezeit der kurtrierischen Hofkapelle unter ihrem letzten Kurfürsten Clemens Wenzeslaus (oben mit zwei seiner Schwestern dargestellt auf einem Gemälde im Landesmuseum Mainz).
Etwas überspitzt könnte man diese Zeit die „Koblenzer Klassik“ nennen, denn beileibe nicht alles, was den klassischen Stil zwischen 1775 und 1800 prägte, spielte sich in Wien ab. Gerade die rheinischen Kurfürsten von Bonn über Koblenz und Mainz bis Mannheim pflegten eine selbstbewußte Variante dieses Stils, die sich auf erstklassige Orchester und damals hoch angesehene Komponisten stützte. Einer von ihnen war der Italiener Pietro Pompeo Sales, der vor 200 Jahren verstorbene letzte kurtrierische Hofkapellmeister.Sales, von dem kein Portrait erhalten ist, stammte aus Brescia in Norditalien und kam über Umwege nach Ehrenbreitstein, wo die Trierer Kurfürsten seit Mitte des 17. Jahrhunderts mit ihrer Hofkapelle residierten. Die Umwege waren für die Zeit charakteristisch und finden sich auch in der Biographie eines Haydn oder Gluck: Dienst bei einem österreichischen Adligen, Kapellmeister einer italienischen Wandertruppe, schließlich 1756-69 Hofkapellmeister des Bischofs Joseph von Augsburg.

Als 1769 der sächsische Prinz Clemens Wenzeslaus dessen Nachfolger und zugleich Kurfürst von Trier wurde, nahm er Sales und andere Mitglieder der Augsburger Hofkapelle mit sich nach Ehrenbreitstein, kehrte aber immer wieder nach Augsburg zurück, so daß Sales eine Art Doppeldienst versah. 1787 wurde er dann auch offiziell Koblenzer Hofkapellmeister, was er bis zu seinem Tode 1797 blieb. Daß er in Hanau starb, hing mit den Wirren der Französischen Revolution zusammen, die den Kurfürsten und seine Musiker zweimal zur Flucht aus Koblenz zwangen. Doch soll dieses dunkle Kapitel der Trierer Geschichte für heute ausgeklammert bleiben.
Mit unserem Programm wenden wir uns vielmehr der Glanzzeit der Koblenzer Hofkapelle zu. Einmal in Ehrenbreitstein installiert, sorgte Sales mit Umsicht für den Aufstieg des Orchesters zu einem der größten und besten in Deutschland. Die Programme der höfischen „Akademien“, die in Ehrenbreitstein, aber auch in Kährlich oder Kesselheim stattfanden, verraten etwas vom stilistischen Horizont der „rheinischen Klassik“. Wie für die Zeit üblich, bestanden sie aus Sinfonien, Solokonzerten und Opernarien bzw. -ensembles. Die beliebtesten Komponisten von Sinfonien waren Rosetti und Johann Christian Bach, während in den Vokalnummern die Maestri der Opera seria wie Sacchini, Myslivecek oder auch Giordani den Ton angaben. Die Solokonzerte wurden von rheinischen Meistern wie Neefe oder Sterckel oder von heimischen Kräften wie dem Flötisten Hergen geschrieben, ab und zu war auch ein Mozart’sches Klavierkonzert darunter. Mit seinen eigenen Werken hielt sich Sales zurück, denn er wußte, daß seine Domäne die großen Oratorien waren, während sich im Sinfoniekonzert eher die Tagesproduktion seiner Kollegen widerspiegelte.
Mit dem heutigen Programm versuchen wir, etwas vom Flair dieser Akademien der Sales-Zeit zu vermitteln, mußten dafür aber drei Kompromisse eingehen: 1. Es erklingt mehr Musik von Sales als in irgendeiner Koblenzer Akademie aus seiner Zeit. 2. Es fehlen die für die Zeit so charakteristischen Arien. 3. Die Besetzung ist kammermusikalisch, was sinfonische Musik ausschließt. Sie hören deshalb heute abend vier Solokonzerte – drei für Flöte und eines für Cembalo – sowie eine Cembalosonate.

Klaviermusik war in den Koblenzer Programmen nichts Ungewöhnliches; da aber ein Hammerflügel erst ab 1784 zur Verfügung stand, ist das Cembalo die „authentischere“ Klangfarbe. Das gilt auch für die sehr beliebten Klavierkonzerte, die also meist als Cembalokonzerte erklangen. Selbst Sales, der kein Tastenvirtuose war, hat zahlreiche Cembalokonzerte komponiert, die auch über Koblenz hinaus weit verbreitet waren. Als Solist für Flötenkonzerte stand der schon erwähnte Hergen zur Verfügung, der neben seinen eigenen Konzerten sicher auch das Sales-Konzert gespielt haben dürfte. (Die Liste der Koblenzer Flötenkonzerte ist unvollständig.)
Die Komponisten der heutigen „Akademie“ sind neben Sales der schon erwähnte Tomaso Giordani, der als Opernkomponist in London wirkte, und der Wahl-Münchner Giovanni Ferrandini. Giordani ist heute noch durch seine Arie Caro mio ben bekannt. Sales lernte ihn auf einer von mehreren Reisen nach London kennen und setzte seine Arien häufig auf die Koblenzer Programme. Mit Ferrandini ist Sales 1767 in Padua zusammengetroffen, wo er seine Oper Antigona in Tebe zur Aufführung brachte. Wahrscheinlich kannte er seinen Kollegen schon vom Münchner Hof, an dem Ferrandini seit seiner Kindheit gewirkt hatte. Das Münchner Cuvilliés-Theater wurde 1753 mit einer Oper Ferrandinis eröffnet; an demselben Haus brachte Sales 1769 bzw. 1774 seine bedeutendsten Opern Antigono und Achille in Sciro (beide nach Metastasio) heraus.

Was läßt sich über die Musik dieser drei Komponisten sagen? Zunächst fällt auf, daß alle drei als „Gastarbeiter“ in den Norden gingen, denn im Deutschland des 18. Jahrhunderts war die italienische Musik so selbstverständlich wie im Deutschland des späten 20. die italienische Küche. Was man damals am „gusto italiano“ schätzte, kommt in zwei zeitgenössischen Urteilen über Sales zum Ausdruck:
„Ein Mann, der verdiente, weit besser bekannt zu sein, denn er gehört unter die großen Tonkünstler unserer Zeit. Er verbindet die den Deutschen eigentümliche Gründlichkeit mit der Anmut des italienischen Gesangs, mit Stärke der Melodie, Klugheit der Begleitung und verrät durchgehendes Verständnis der Natur und des Umfangs der Instrumente … Doch scheinen die rührenden, zärtlichen und empfindsamen Stellen wegen der Mischung seines Temperamentes am besten seine Größe bestimmen zu können.“ (Musikal. Almanach 1783)

„Kapellmeister Sales, ein gründlicher und angenehmer Tonsetzer … Lichter Ideenwurf, leichte gefällige Melodien, Wärme des Herzens, gute Bearbeitung des Gesangs, natürlicher musikalischer Charakter. Viel Schönheit, aber nicht Großheit liegt in seinen Stücken …“ (F. D. Schubart)
Hört man die Sales-Werke unseres Programms nach diesen Kriterien, so entspricht die schlichte Schönheit ihrer Themen dem Ideal eines „lichten Ideenwurfs“, der ungezwungene Fortgang der Sätze dem geforderten „natürlichen Charakter“. Dramatische Kontraste liegen dieser Musik fern. Selbst die schnellen Ecksätze des Flötenkonzerts und der Cembalosonate huldigen der „Anmut des italienischen Gesangs“, was melodische Anklänge an Sales‘ Opernarien unterstreichen. „Deutsche Gründlichkeit“ herrscht dagegen in der Begleitung: Die Streicher rücken die Flöte ins rechte Licht, indem sie für lebendigen Rhythmus und interessante Klangfarben-Wechsel sorgen. Die langsamen Sätze wirken persönlicher. Sie entfalten einen ganz eigentümlichen Zauber, eine Aura von „Zärtlichkeit und Rührung“, wie sie die Zeitgenossen an Sales schätzten.
Dies alles kann man, wie gesagt, als Inbegriff des italienischen Stils verstehen und doch darin auch unverwechselbare Eigenarten des Komponisten Pompeo Sales entdecken. Denn aus der Masse der Zeitgenossen ragt er durch eine Mozart nahestehende Synthese zwischen italienischem und deutschem Stil heraus. Mit dem heutigen Programm ist diese Eigenart jedoch nicht darstellbar; man müßte dafür auf seine Opern und die großen Koblenzer Oratorien der 1780er Jahre zurückgreifen.

Seine Instrumentalmusik gehört überwiegend der frühen und mittleren Schaffensphase an und ist durchaus „frühklassisch“. Nur das F-Dur-Cembalokonzert verrät etwas von Sales‘ späterem Stil. Es handelt sich um ein durchaus schon klassisches Klavierkonzert brillanterer Machart, das in der Bayerischen Staatsbibliothek in München in einer Stimmenabschrift erhalten ist. (Dort sind zusätzlich zwei Hörner vorgesehen, die aber ad libitum geführt sind.)