"Die schöne Müllerin", D 795 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Franz Schubert

"Die schöne Müllerin", D 795

Liederzyklus „Die schöne Müllerin“ für Singstimme und Klavier, D 795, nach Gedichten von Wilhelm Müller

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2516

Satzbezeichnungen

1. Das Wandern (Mäßig geschwind)

2. Wohin? (Mäßig)

3. Halt! (Nicht zu geschwind)

4. Danksagung an den Bach (Etwas langsam)

5. Am Feierabend (Ziemlich geschwind)

6. Der Neugierige (Langsam)

7. Ungeduld (Etwas geschwind)

8. Morgengruß (Mäßig)

9. Des Müllers Blumen (Mäßig)
10. Tränenregen (Ziemlich langsam)

11. Mein! (Mäßig geschwind)

12. Pause (Ziemlich geschwind)

13. Mit dem grünen Lautenbande (Mäßig)

14. Der Jäger (Geschwind)

15. Eifersucht und Stolz (Geschwind)

16. Die liebe Farbe (Etwas langsam)

17. Die böse Farbe (Ziemlich geschwind)

18. Trockne Blumen (Ziemlich langsam)

19. Der Müller und der Bach (Mäßig)

20. Des Baches Wiegenlied (Mäßig)

Erläuterungen

DER LIEDERZYKLUS Die Schöne Müllerin nach Texten von Wilhelm Müller rangiert in Otto Erich Deutschs Verzeichnis der Werke Schuberts mit der Nummer 795 vor der Oper Fierabras (D 796), wurde aber höchstwahrscheinlich erst nach ihr komponiert. Im November 1823 berichtete Schubert seinem Freund Franz von Schober: „Ich habe seit der Oper nichts componirt, als ein paar Müllerlieder“, wobei mit der Oper nicht Alfonso und Estrella, wie man früher annahm, sondern Fierabras gemeint war. Was Schubert hier so lapidar und – nebenbei – mit dem Doppelsinn von Thema und Dichter als „ein paar Müllerlieder“ ankündigte, war nichts Geringeres als der erste erzählende Liederzyklus der Romantik. Schubert hatte damit ein klassisches Genre kreiert, das für Schumann, Brahms und Wolf zum Zentrum ihres Liedschaffens werden sollte und ihnen die Überhöhung der Kleinform im Zyklus ermöglichte.

Will man Anekdoten glauben schenken, so geschah dieses Jahrhundertereignis zufällig. Nicht nur trug der Band, dem Schubert die Textvorlage entnahm, den Titel: Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Herausgegeben von Wilhelm Müller, was an E. T. A. Hoffmanns „Zufällige Makulaturblätter“ erinnert und durch „Reise“ und „Hinterlassenschaft“ die Vorstellung eines Zufallsfundes weckt. Auch Schubert selbst soll das Bändchen zufällig auf dem Schreibtisch des Sekretärs Randhartinger vorgefunden haben. Der Entschluß zu einem Liederzyklus sei von ihm spontan gefaßt worden, er habe, nachdem er das Bändchen über Nacht entwendet hatte, dem erstaunten Besitzer schon am nächsten Tage die ersten fertigen Lieder präsentiert. Diese Anekdote ist so auffallend zwei typischen Komponenten des traditionellen Schubert-Bildes verpflichtet – dem seine Texte wahllos aufgreifenden Komponisten, der sie außerdem in einem Rutsch vertont -, daß sie noch weniger Glaubwürdigkeit beanspruchen kann, als ihr ohnehin durch die Quellenlage zukommt.

Schuberts Umgang mit der Textvorlage läßt ganz im Gegenteil auf eine sehr bewußte Wahl und Auswahl, auf eine lange Vorbereitungszeit schließen. Von den 24 Gedichten, die er unter dem Titel Die schöne Müllerin auf den Seiten 1 bis 50 des Bändchens von Müller vorfand, vertonte er nur 20, behielt aber das erste und letzte der zyklischen Abrundung wegen bei. Was er ebenfalls verschwieg – verschweigen mußte, weil dieses Aus-der-Rolle-Fallen kaum zu vertonen war – waren Prolog und Epilog des Dichters. Diese seien unten auszugsweise mitgeteilt, um zu zeigen, welcher Rahmen der ironischen Brechung die ach so romantische Geschichte vom armen Müllersburschen ursprünglich umgab.

Die Wiener Öffentlichkeit war sich keineswegs des musikhistorischen Meilensteins bewußt, der da in fünf leichten Heften zwischen Februar und August 1824 im Druck herauskam. Erst 1856 soll durch Julius Stockhausen die erste öffentliche Aufführung des Zyklus stattgefunden haben, wobei der berühmte Wiener Bariton bereits einer klassizistischen Aufführungstradition huldigte, indem er den unverzierten Originaltext der Lieder widergab. Wie wir den zeitgenössischen Quellen – Abschriften und einer späteren Ausgabe bei Diabelli – entnehmen können, hat Schuberts bevorzugter Sänger Johann Michael Vogl in den Liedern der Schönen Müllerin Verzierungen angebracht.

WILHELM MÜLLER:
Prolog und Epilog zur Schönen Müllerin

Der Dichter, als Prolog

Ich lad‘ euch, schöne Damen, kluge Herrn, Und die ihr hört und schaut was Gutes gern,
Zu einem funkelnagelneuen Spiel Im allerfunkelnagelneusten Styl;
Schlicht ausgedrechselt, kunstlos zugestutzt,
Mit edler deutscher Roheit aufgeputzt,
Keck wie ein Bursch‘ im Stadt soldatenstrauß,
Dazu wohl auch ein wenig fromm für’s Haus:
Das mag genug mir zur Empfehlung sein, Wem die behagt, der trete nur herein…
Doch wenn ihr nach des Spiels Personen fragt,
So kann ich euch, den Musen sei’s geklagt,
Nur eine präsentiren recht und ächt, Das ist ein junger blonder Müllersknecht.
Denn, ob der bach zuletzt ein Wort auch spricht,
So wird ein Bach deshalb Person noch nicht.
Drum nehmt nur heut das Monodram Vorlieb:
Wer mehr giebt, als er hat, der heißt ein Dieb…

Der Dichter, als Epilog

Weil gern man schließt mit einer runden Zahl,
Tret‘ ich noch einmal in den vollen Saal,
Als letztes, fünf und zwanzigstes Gedicht,
Als Epilog, der gern das Klügste spricht.
Doch pfuschte mir der Bach in’s Handwerk schon
Mit seiner Leichenred‘ im nassen Ton.
Aus solchem hohlen Wasserorgelschall
Zieht Jeder selbst sich besser die Moral;
Ich geb‘ es auf, und lasse diesen Zwist,
Weil Widerspruch nicht meines Amtes ist.
So hab‘ ich denn nichts lieber hier zu thun,
Als euch zum Schluß zu wünschen, wohl zu ruhn.
Wir blasen unsre Sonn‘ und Sternlein aus -
Nun findet euch im Dunkel gut nach Haus,
Und wollt ihr träumen einen leichten Traum,
So denkt an Mühlenrad und Wasserschaum,
Wenn Ihr die Augen schließt zu langer Nacht,
Bis es den Kopf zum Drehen euch gebracht.
Und wer ein Mädchen führt an seiner Hand,
Der bitte scheidend um ein Liebespfand,
Und giebt sie heute, was sie oft versagt,
So sei des treuen Müllers treu gedacht
Bei jedem Händedruck, bei jedem Kuß,
Bei jedem Herzensüberfluß:
Geb‘ ihm die Liebe für sein kurzes Leid
In eurem Busen lange Seligkeit!

2004
Wanderer-Lieder

Die Gestalt des Wanderers durchzieht als Archetypus Schuberts Schaffen. Das Wandern sei des Müllers Lust, verkündet noch hoffnungsfroh der junge Müller am Anfang von Schuberts erstem Liederzyklus, doch am Ende des zweiten, der Winterreise, führt ihn sein Weg unaufhaltsam in den Tod.
Ruben Lifschitz, der Lied-Dozent dieses Projekts, hat für den jungen Bariton Edwin Crosley-Mercer eine Gruppe von Wanderer-Liedern Schuberts zusammengestellt – aus beiden Liedzyklen, sodann Der Wanderer und Der Wanderer an den Mond. Sie gewähren Einblick in Schuberts tragischen Lebensweg wie in die immer schauerlichere Abseitigkeit seiner harmonischen und melodischen Abgründe – für einen Bariton von 22 Jahren sicher eine Herausforderung.

2004
Wanderer-Lieder
Das männliche Gegenbild zur zarten, der Welt nicht gewachsenen Mignon ist der Wanderer, der frischen Muts sich aufmacht in der Welt, doch am Ende seines Wegs, in der Winterreise, nur noch einen Wegweiser vor sich hat: den Tod. Ruben Lifschitz, der Lied-Dozent dieses Projekts, hat für den jungen Bariton Edwin Crossley-Mercer eine Gruppe von Wanderer-Liedern Schuberts zusammengestellt – aus der Schönen Müllerin und der Winterreise, sodann Der Wanderer und Der Wanderer an den Mond. Sie gewähren Einblick in die Tragik Schuberts, die immer schauerlichere Abseitigkeit seiner harmonischen und melodischen Abgründe – für einen Bariton von 22 Jahren sicher eine Herausforderung.