Metamorphosen | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Richard Strauss

Metamorphosen

Metamorphosen, Fassung für Streichsextett und Kontrabass von Rudi Leopold

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2623

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

Garmisch-Partenkirchen in den letzten Kriegsmonaten 1945: Richard Strauss arbeitet an einem „Andante“ für sieben Solostreicher: ein Streichsextett mit Kontrabass. Dass daraus wenig später die „Metamorphosen für 23 Solostreicher“ werden sollten, war dem Altmeister noch nicht klar. Wie das Sextett aus „Capriccio“ war ihm dieses Andante auf Beethovens Spuren inneres Bedürfnis und ästhetisches Bekenntnis.

In den letzten Monaten des Krieges war für Strauss die Rückwendung zur Wiener Klassik ein Bekenntnis zu einer dem Untergang geweihten Kultur. Als glühender Anhänger des Wagnerschen Musikdramas hielt der Meister sein Lebenswerk mit der letzten Oper „Capriccio“ für abgeschlossen. Was darauf folgte, waren Instrumentalwerke, „Handgelenksübungen, um das vom Taktstock befreite Handgelenk nicht vorzeitig ermüden zu lassen“, wie der Meister ironisch verlauten ließ. Strauss sprach denn auch mit Vorliebe von „Werkstattarbeiten“ und hat den Begriff der „Werkstatt“ in zwei Fällen – den beiden späten Sonatinen für 16 Bläser – auch als Titel verwendet. Dennoch enthalten diese Spätwerke eine sehr persönliche schöpferische Aussage, die im Musikdrama in dieser Form nicht möglich gewesen wäre: Das Bombeninferno des Zweiten Weltkriegs war Strauss gleichbedeutend mit dem Untergang der deutschen Kultur. Als Mahnmal für deren große Meister entwarf er seine instrumentalen Spätwerke.

Wie nostalgische Rückschau, teilweise auch auf seine Jugend, wirken ihre Dedikationen: „Den Mahnen des göttlichen Mozart am Ende eines dankerfüllten Lebens“ widmete er seine zweite Sonatine für 16 Bläser, den Vorbildern Beethoven und Wagner die Metamorphosen für 23 Solostreicher, wobei auch die Gegenüberstellung der beiden Klangmedien Bläser (Mozart) – Streicher (Beethoven) programmatische Züge trägt. Die sozusagen glühende Tonalität dieser Werke, ihr Rückgriff auf Themen der großen Meister und deren Stil rechtfertigte sich aus der geschilderten Zeitsituation. War Strauss früher bedingungslos dem stilistischen Fortschritt gefolgt, so verraten seine Spätwerke ein Beharren auf den musikalischen Grundfesten des klassischen Erbes.

Dass der klanglich üppigen Endfassung der „Metmorphosen“ für 23 Streicher eine verschollene Frühfassung für bur sieben Spieler vorausging, wussten bis vor wenigen Jahren nur Experten – so lange, bis das Wiener Streichsextett jene Urfassung mit Genehmigung der Strauss-Erben rekonstruierte. Wie es dazu kam, erzählt der Cellist des Ensembles und Hauptbearbeiter, Rudi Leopold:

„Im Jahre 1990 wurde ein Particell der ‚Metamorphosen‘ in der Schweiz aufgefunden und von der Bayerischen Staatsbibliothek München erworben. Besonders bemerkenswert ist die auf der ersten Seite von Strauss geschriebene Angabe: „Metamorphosen. Andante (für 2 Violinen, 2 Bratschen, 2 Celli , 1 Contrabaß) – Richard Strauss“, aus der der ursprüngliche Plan einer Besetzung mit sieben Solostreichern hervorgeht.

Offenbar arbeitete Strauss schon längere Zeit an diesem Werk, als ihn der Auftrag von Paul Sacher erreichte, der sich ja eine größere Streicherbesetzung wünschte und unter dessen Leitung es auch am 25. Jänner 1946 in Zürich uraufgeführt wurde. Bei der Realisation der „Urfassung“ für Streichsextett und Kontrabaß haben wir neben dem Particell auch die endgültige Partitur herangezogen, so daß nun das vollständige Klangbild in kammermusikalischer Form entsteht, wobei interessante Details des Particells (wie z. B. die originelle Schlussmodulation) beibehalten wurden. Die Erstaufführung dieser Version fand am 8. Juni 1994 anläßlich der Richard-Strauss-Tage in Garmisch-Partenkirchen statt.“

Der Titel „Metamorphosen“ bezieht sich bekanntlich auf die dauernde Verwandlung des erst am Ende deutlich hervortretenden Zitats der Takte 3 und 4 aus Beethovens orchestralem Trauermarsch, dem langsamen Satz der Eroica. Obwohl Strauss diesen Anklang angeblich unbewusst in sein Werk verwoben hat, scheint doch die Absicht hier Vater des Gedankens gewesen zu sein. Die Metamorphosen sind nichts anderes als eine Trauermusik für das zerstörte Dresden und die im Bombenhagel untergegangenen deutschen Städte.