Streichquartett Nr. 1, e-Moll "Aus meinem Leben" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Friedrich Smetana

Streichquartett Nr. 1, e-Moll "Aus meinem Leben"

Quartett Nr. 1 e-Moll für 2 Violinen, Viola und Violoncello, „Aus meinem Leben“

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2628

Satzbezeichnungen

1. Allegro vivo appassionato

2. Allegro moderato alla Polka

3. Largo sostenuto

4. Vivace

Erläuterungen

2004
Das erste von zwei Streichquartetten des tschechischen Komponisten trägt den Titel Aus meinem Leben. Zu dieser Autobiographie in Tönen wurde Smetana durch sein „unabwendbares Schicksal“ gedrängt: die durch Syphillis ausgelöste Taubheit, die sich 1874 durch ein Pfeifen im Ohr angekündigt hatte und 1876, im Entstehungsjahr des Quartetts, zur Gewißheit geworden war.

Ähnlich wie Tschaikowsky in seinen letzten beiden Sinfonien ließ Smetana vor diesem tragischen Hintergrund sein Leben in einem groß angelegten viersätzigen Werk instrumentaler Programmusik Revue passieren. Er bediente sich ähnlicher musiksymbolischer und zyklischer Mittel wie sein russischer Kollege, um das Verhängnisvolle des persönlichen Schicksals, aber auch die überpersönliche Ebene des Volkslebens auf romantische Weise in Töne zu fassen. Das Programm des Quartetts, das sich daraus ergab, hat Smetana in einem Brief in wünschenswerter Klarheit umrissen:
„Was ich beabsichtige. war den Verlauf meines Lebens in Tönen zu schildern. Erster Satz: Neigung zur Kunst in meiner Jugend, romantische Stimmung, unaussprechliche Sehnsucht. Gleichzeitig melden sich schon in diesem Beginn die Warnung vor dem künftigen Unglück und der langanhaltende Ton, das viergestrichene E, aus dem Finale; es ist dies jenes verhängnisvolle Pfeifen in den höchsten Tönen, das 1874 in meinen Ohren entstand und mir die beginnende Taubheit anzeigte…
Der zweite Satz. Quasi Polka, führt mich in der Erinnerung zurück in das lustige Leben meiner Jugendzeit, wo ich als Komponist meine Umwelt mit Tanzstücken überschüttete, selbst als leidenschaftlicher Tänzer bekannt war usw…
Der dritte Satz. Largo sostenuto, erinnert mich an das Glück der ersten Liebe zu einem jungen Mädchen, das später meine treue Gattin wurde.
Der vierte Satz: Erkenntnis der elementaren Kraft der Nationalmusik, Freude über den Erfolg des eingeschlagenen Weges bis zum Augenblick der jähen Unterbrechung durch die ominöse Katastrophe: Beginn der Taubheit. Ausblick in eine freudlose Zukunft, ein kleiner Schimmer der Hoffnung auf Besserung, schließlich doch nur ein schmerzliches Gefühl.
Das ist etwa der Inhalt der Komposition, die gleichsam privaten Charakter hat und deshalb absichtsvoll nur für vier Instrumente geschrieben wurde: sie sollen sich sozusagen im engsten Freundeskreis darüber unterhalten, was mich so bedeutungsvoll bewegt. Nicht mehr.“
Angesichts des weitgehend orchestralen Quartettsatzes und der unverhohlenen Neigung zur Programmusik verwundert es nicht, daß das Quartett erst mit der deutschen Erstaufführung 1880 in Weimar unter der Ägide von Franz Liszt seinen Durchbruch feiern konnte. Die konservative Prager Kammermusikvereinigung, der das Werk eigentlich gewidmet war, hatte es zuvor als „zweifelhaft im Stil“ und „technisch unüberwindlich“ abgelehnt.