"Wassermusik". Suite Nr. 1 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Georg Friedrich Händel

"Wassermusik". Suite Nr. 1

Suite Nr. 1 F-Dur aus der „Wassermusik“

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2647

Satzbezeichnungen

1. Overture (Largo – Allegro)

2. Adagio e staccato

3. Allegro – Andante – Allegro

4. Minuet

5. Air

6. Minuet

6. Bourrée

7. Alla Hornpipe

8. (Andante)

Erläuterungen

SITZPLÄTZE für ein Konzert auf dem Fluß zu verkaufen, war auch im London des Jahres 1717 ein unlösbares organisatorisches Problem. König Georg I. von England hatte die Idee, ein Konzert „auf Subskription“, d. h. mit im voraus bezahlten Plätzen, auf der Themse zu veranstalten. Er beauftragte seinen Haushofmeister, Baron Kielmannsegge, mit der Durchführung, dieser wiederum wandte sich an den Schweizer Impresario Heidecker, der die Londoner durch seine Karnevalsmaskeraden beeindruckt hatte, doch der erfahrene Veranstalter riet dem Baron von einem Konzert auf dem Fluß ab. Um den König nicht zu verstimmen, mußte sich Kielmannsegge entschließen, das Konzert aus eigener Tasche zu bezahlen – bei freiem „Eintritt“ für die zahllosen kleinen und großen Boote, die sich an dem bewußten 17. Juli 1717 um die königliche Yacht drängten. Sie durften gratis der „Water Musick“ lauschen, die Georg Friedrich Händel (links) eigens für diesen Anlaß komponiert hatte und die den Baron allein 150 Pfund an Künstlerhonoraren kostete.
Der preußische Botschafter in London, dem wir diese Hintergrundinformationen zur Wassermusik verdanken, beschrieb auch genau deren Ausführung: „Neben der Barke des Königs war die der Musiker, über 50 an der Zahl, die alle möglichen Instrumente spielten, wie Trompeten, Hörner, Oboen, Querflöten und Blockflöten, Violinen und Bässe. Dieses Konzert war eigens von dem berühmten Händel, einem Hallenser und dem ersten Komponisten der königlichen Musik, komponiert worden. Es fand so allgemeinen Beifall, daß es dreimal wiederholt werden mußte, obwohl jede Aufführung eine Stunde dauerte, nämlich zweimal vor und einmal nach dem Souper.“ Die Fahrt des Königs führte vom Palast in Whitehall bis nach Chelsea, wo das erwähnte „delikate Souper“ auf ihre Majestäten wartete. Danach, um drei Uhr nachts (!), begab man sich auf die Heimreise, die die Musiker – wie erwähnt – mit einem weiteren Durchlauf der „finest Symphonies of Mr. Handel“ zu garnieren hatten. Die Wassermusik war also – im Sinne unseres Titels gesprochen – zugleich eine Nachtmusik – eine Freiluft-Serenade, wenn auch eine auf dem Wasser.
Gedruckt wurde das Stück wenig später in 22 Einzelsätzen, die sich anhand ihrer Besetzungen zwanglos zu drei Suiten fügen: Nr. 1 in F-Dur für Hörner, Oboen, Fagott und Streicher, Nr. 2 in D-Dur mit Trompeten zusätzlich, Nr. 3 in G-Dur für Flöte und Streicher. Eine verbindliche Satzfolge für die Suiten gibt es nicht, so daß man sie auch mischen und einzelne Sätze weglassen kann. Von einem Cembalo oder sonstigen Tasteninstrumenten zur Ausführung des Basso continuo ist in den Beschreibungen der Uraufführung nicht die Rede. Wir haben uns deshalb entschlossen, unsere Suite ohne Cembalo zu musizieren. Außerdem werden die Bläser um Flöten bereichert, die der preußische Botschafter ja ausdrücklich erwähnte.

2004

HÄNDEL
Auszüge aus der Wassermusik

Dem Haushofmeister des Königs stand der Schrecken im Gesicht geschrieben. Baron Kielmannsegge war von seinem aus Hannover nach England gekommenen Souverän ja schon einiges gewöhnt, aber was sich ihre Majestät König Georg I. diesmal hatte einfallen lassen, überstieg die Fantasie des findigen Höflings: ein Konzert auf der Themse mit Eintritt! Wie um alles in der Welt sollte man um die Barke des Königs und die seiner Musiker herum ein Publikum setzen, wie die Eintrittskarten kontrollieren, wie die Plätze zuweisen? Keine Frage: eine Werbemaßnahme dieser Größenordnung, ein echtes Marketing-Event, hatte der ungeliebte Monarch aus Deutschland dringend nötig, doch es wurde zum Organisationsproblem. Letztlich blieb dem Baron nichts anderes übrig, als in die eigene Tasche zu greifen und die 50 Musiker der geplanten Wassermusik aus eigenen Mitteln zu bezahlen. Der Komponist des Werkes war kein Geringerer als Georg Friedrich Händel.

Drei Deutsche waren es also, die den Londonern an jenem Sommertag des Jahres 1717 ein unvergessliches Ereignis bescherten – der König aus Hannover, den sie hassten, sein Haushofmeister und sein sächsischer Komponist, den sie liebten. Es waren Händels Klänge, vorgetragen auf einer mit 50 Mann besetzten Musikerbarke, die die Londoner auf ihre Yachten und Barken lockten. Die Themse war voll, und alle lauschten andächtig den Klängen der einstündigen Musik, die aus drei Orchestersuiten bestand. Dreimal hintereinander musste sie gespielt werden, denn des Königs Prunkschiff glitt von Whitehall nach Chelsea, und die Musik durfte während der ganzen dreistündigen Fahrt nicht eine Minute aussetzen. Die Londoner hielten mit, setzten Spinnaker und alle anderen Segel und wollten wie der König jeden Ton aufschnappen. Händels Water Musick war bald in aller Munde und Ohren. Sie war Händels endgültiger Durchbruch zu den Herzen des englischen Publikums.

Blechbläser durften dabei natürlich nicht fehlen, zumal sie den Lärm so mancher Takelage im Wind zu übertönen hatten. Händel machte wunderbaren Gebrauch vom Wechselspiel zwischen Trompeten und Hörnern. Auch alle anderen Instrumente der üppigen Partitur, Oboen, Fagotte, Flöte und Streicher, sind in unser Arrangement eingearbeitet.

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Sitzplätze für ein Konzert auf dem Fluss zu verkaufen, war auch im London des 18. Jahrhunderts ein unlösbares organisatorisches Problem. Im Sommer 1717 kam König Georg I. von England auf die Idee, ein Konzert auf der Themse zu veranstalten, und zwar „auf Subskription“, d.h. mit im voraus bezahlten Plätzen. Er beauftragte seinen Haushofmeister, Baron Kielmannsegge, mit der Durchführung. Der Höfling aus Hannover war von seinem niedersächsischen Souverän schon manche Extravaganz gewöhnt, doch was er sich diesmal hatte einfallen lassen, überstieg die Fantasie des findigen Barons: Wie um alles in der Welt sollte man um die Barke des Königs und die seiner Musiker herum ein Publikum setzen, wie die Eintrittskarten kontrollieren, wie die Plätze zuweisen? Andererseits stand es außer Frage, dass sein ungeliebter Monarch, der erst drei Jahre zuvor der populären Queen Anne auf den Thron gefolgt war, ohne auch nur ein Wort Englisch zu sprechen, eine Werbemaßnahme dieser Größenordnung dringend nötig hatte. Was also tun?

Der deutsche Baron wandte sich an einen Schweizer Unternehmer, jenen Johann Jakob Heidegger, der die Londoner durch seine Opernaufführungen und Karnevalsmaskeraden beeindruckt hatte und später Händels Kompagnon in der Oper werden sollte. In diesem Falle wusste sich jedoch auch der erfahrene Veranstalter keinen Rat und riet dem Baron von einem Konzert auf dem Fluss dringend ab. Der König reagierte verstimmt, folglich musste Kielmannsegge in den sauren Apfel beißen und das Konzert aus eigener Tasche bezahlen – bei freiem „Eintritt“ für das Publikum, sprich: freier Zufahrt für die zahllosen Boote, die sich an jenem 17. Juli 1717 um die königliche Yacht drängten. Wer immer über einen schiffbaren Untersatz verfügte, durfte gratis der „Water Musick“ lauschen, die Georg Friedrich Händel eigens für diesen Anlass komponiert hatte und die den Baron wegen ihrer großen Besetzung allein 150 Pfund an Künstlerhonoraren kostete.

Drei Deutsche waren es also, die den Londonern an jenem Sommertag des Jahres 1717 ein unvergessliches Ereignis bescherten: der neue König aus dem Hause Hannover, den sie hassten, sein Haushofmeister, den sie belächelten, und sein sächsischer Hofkomponist, den sie liebten. Es war Händels Musik, vorgetragen auf einer mit 50 Mann besetzten Musikerbarke, welche die Londoner auf ihre Yachten und Boote lockte. Die Themse war voll, und alle lauschten andächtig den Klängen der einstündigen „Water Musick“. Des Königs Prunkschiff glitt von Whitehall nach Chelsea, und die Musik durfte während der ganzen Fahrt nicht eine Minute aussetzen. Die Londoner hielten mit, setzten Spinnaker und alle anderen Segel und wollten wie der König jeden Ton aufschnappen. Händels „Water Musick“ war bald in aller Munde und Ohren. Sie war Händels endgültiger Durchbruch zu den Herzen des englischen Publikums.

Details des Ereignisses wusste die Zeitung „The Daily Courant“ zu berichten, unter anderem, dass die Boote im Auftrieb der Gezeiten gegen die Strömung des Flusses bis nach Chelsea fahren konnten: „Am Mittwoch Abend gegen 8 ging der König in Whitehall an Bord einer offenen Barke, worin sich auch die Herzoginnen von Bolton und Newcastle und weitere erlauchte Gäste befanden, und fuhr flussaufwärts nach Chelsea. Viele andere Barken mit Personen von Stand waren zugegen und eine so große Anzahl Boote, dass der gesamte Fluss bedeckt war. Eine Barke der City Company stand für die Musiker zur Verfügung, worin sich 50 Instrumente aller Arten befanden, die den ganzen Weg von Lambeth an spielten, während die Barken von der Flut ohne Treideln bis nach Chelsea getragen wurden. Sie spielten die schönsten Sinfonien, eigens für diese Gelegenheit von Mr. Hendel komponiert, die seiner Majestät so wohl gefielen, dass er sie auf der Hin- und Rückfahrt insgesamt dreimal durchspielen ließ. Um 11 ging Seine Majestät in Chelsea an Land, wo ein Abendessen gerichtet war. Dann gab es ein weiteres sehr feines musikalisches Consort, das bis 2 Uhr nachts dauerte, nach welchem Seine Majestät erneut seine Barke bestieg und denselben Weg zurückfuhr, während die Musik ununterbrochen spielte, bis er wieder an Land ging.“

Der preußische Resident in London schrieb über Händels Musik und ihre Ausführung nach Berlin: „Neben der Barke des Königs war die der Musiker, 50 an der Zahl, die alle möglichen Instrumente spielten, nämlich Trompeten, Hörner, Oboen, Querflöten und Blockflöten, Violinen und Bässe, aber keine Singstimmen. Dieses Konzert war eigens von dem berühmten Händel, einem Hallenser und dem ersten Komponisten der königlichen Musik, komponiert worden. Es fand so allgemeinen Beifall, dass es dreimal wiederholt werden musste, obwohl jede Aufführung eine Stunde dauerte, nämlich zweimal vor und einmal nach dem Souper. Das Wetter an diesem Abend war ganz nach Wunsch, die Zahl der Barken und besonders der Boote, angefüllt mit feiner Gesellschaft, ohne Zahl. Um das Fest noch vollkommener zu machen, ließ Madame von Kilmansegge im Lusthaus des verstorbenen Count Ranelagh am Flussufer in Chelsea ein delikates Souper servieren, bei dem der König sich bis 1 Uhr nachts aufhielt. Um 3 Uhr brach er auf und war um 4:30 Uhr morgens wieder in den Palast von St. James zurückgekehrt.“

Tatsächlich dauert ein Gesamtdurchlauf der „Water Musick“ von Händel rund eine Stunde. Für die längere Hinfahrt waren zwei Durchläufe angesetzt, für die schnellere Rückfahrt genügte ein Durchlauf. Nimmt man noch jenen „very fine Consort of Musick“ hinzu, den die Musiker dem König nach der Tafel zwischen 1 und 2 Uhr nachts zum Besten geben mussten, so kann man sich die Erschöpfung von Händels Orchester nach einer so anstrengenden Nacht leicht vorstellen.

Blechbläser durften bei dieser königlichen Gelegenheit natürlich nicht fehlen, zumal sie den Lärm so mancher Takelage im Wind zu übertönen hatten. Händel machte wundersamen Gebrauch vom mehrchörigen Wechselspiel zwischen den Bläsergruppen: In der 1. Suite in F-Dur sind es Hörner und Oboen, die mit den Streichern in konzertanten Wettstreit treten. Die Hornpartien dieser Suite gehörten zu den ersten auf diesem Instrument in England. In Deutschland wurden virtuose Hörnerpaare schon früher eingesetzt, wie Bachs „Jagdkantate“ von 1713 beweist. Händel brachte diese Neuerung aus seiner Heimat mit auf die Insel. In der 1. Suite der „Water Music“ hat er ihren Auftritt mit dem sechsten Sinn für Dramatik inszeniert. Nachdem sich die Ouvertüre auf Holzbläser und Streicher beschränkt hat und die erste Oboe ein expressives Adagio im italienischen Stil anstimmen durfte, wirkt der „Auftritt“ der Hörner umso überraschnder und glänzender. Mit einer schmetterndern Fanfare geben sie den Auftakt zu einem tänzerischen Allegro des ganzen Orchesters. Noch eingängiger wirkt ihr seinerzeit berühmtes Menuett, während die „Hornpipe“ den Oboen und Streichern vorbehalten bleibt. Mit diesem Ohrwurm griff Händel einen Lieblingstanz der Engländer auf, den er in seiner „Water Musick“ gleich zweimal verwendete – als Verneigung vor dem Genius der Nation. Zwischen die schmissigen Tänze „alla française“ wie Passepied, Menuett und Bourrée hat er nicht nur englische „Dances“ eingeschoben, sondern auch italienische Konzertsätze im Andante- oder Allegro-Tempo. Die 1. Suite schließt mit einem solchen Konzertsatz in Moll für Oboen, Fagott und Streicher.

In der 2. Suite in D-Dur ließ Händel die königlichen Trompeter zum Ensemble hinzutreten. Mit den Hornisten und den „Hautboisten“ liefern sie sich einen virtuosen Schlagabtausch. Gleich im Eröffnungsstück, einem markigen Allegro im Rhythmus eines Rigaudon, alternieren Trompeten und Hörner auf die glanzvollste Weise. Noch schöner wirkt ihr Wechselspiel in der zweiten berühmten Hornpipe des Stückes, die von den sprichwörtlichen „Hornquinten“ auch auf den Trompeten regen Gebrauch macht. Man darf annehmen, dass Händel dieses Wechselspiel auch räumlich unterstrichen hat, indem er Trompeten und Hörner getrennt an Bug und Heck der Musikerbarke aufstellte, Oboen und Streicher dagegen in der Mitte. Nicht weniger berühmt als diese beiden Sätze war seinerzeit das „Trumpet Minuet“ der 2. Suite.

Die 3. Suite in G-Dur hat einen gänzlich anderen Charakter. Ihr verleihen Traversflöte und hohe Blockflöten ein pastorales Gepräge, wie es für eine „Nachtmusik“ auf dem Fluss durchaus angemessen war. Vielleicht war es diese Suite, die man im Lustschloss am Flussufer zu Chelsea nach dem Dinner spielte. Auch hier zollte Händel der britischen Vorliebe für das Landleben seinen musikalischen Tribut, indem er die Suite mit zwei Varianten einer irischen „Gig“ beendete.

Gemessen am Erfolg der Uraufführung zeigten die Londoner Verleger erstaunlich lange kein Interesse an Händels aufwendiger Partitur. Die Besetzung war zu üppig, die Partien der Hörner waren vor 1730 zu schwer auszuführen. Deshalb wurden zunächst nur die berühmten Menuette des Stückes populär: 1728 tauchten sie als Arien in der „Beggar’s Opera“ auf, im gleichen Jahr in einem Handbuch für den „Country Dancing-Master“ und etwas später bei Maskenbällen in London. Bis das gesamte Werk im Notendruck erschien, vergingen noch einige Jahre. Erst 1733 wagte sich ein kleiner Londoner Verlag mit einer rudimentären Fassung auf den Markt, „Handel’s Water-Piece“ genannt. Händels Hauptverleger Walsh konterte mit „Several Curious Pieces out of the Water Musick“, und legte dabei besonderes Gewicht auf die Sätze mit „two French Horns“. Mittlerweile waren die Hörner auch in England zum Modeinstrument geworden und damit der Absatz für „The Water Musick“ garantiert. Walshs Gesamtausgabe des Werkes aus dem Jahre 1733 enthält 22 Einzelsätze, die sich anhand ihrer Besetzungen zwanglos zu den drei erwähnten Suiten zusammenfügen lassen.