Sinfonia D-Dur | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Johann Rosenmüller

Sinfonia D-Dur

Sinfonia D-Dur, aus: Sonate da Camera, 1667, Nr. 2

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2684

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

BAROCK AUS BADEN-BADEN
Der Titel unseres Konzerts mag wenig verheißungsvoll klingen: Barockmusik aus dem historischen Baden-Baden des 17. Jahrhunderts, da erwartet man provinzielle Gemütlichkeit in einem vom 30jährigen Kriege gezeichneten Land. Doch weit gefehlt: Ein kurzer Blick auf den Programmablauf offenbart dem Kenner das Gegenteil. In jener Sammlung von Streichermusik, die der Kantor Franz Rost im 17. Jahrhundert in Baden-Baden oder Straßburg zusammengetragen hat, findet sich alles, was in der Violinmusik des österreichischen und italienischen Barock Rang und Namen hatte: die großen Virtuosen Marco Uccellini und Johann Heinrich Schmelzer, der kaiserliche Hofkapellmeister Antonio Bertali und, last but not least, die beiden großen Exzentriker Johann Rosenmüller und Maurizio Cazzati.
Freunden der Alten Musik sind diese Namen durch die Wiederbelebung des barocken Violinspiels vertraut geworden. Musikliebhaber werden sie heute vielleicht zum ersten Mal kennen- und liebenlernen. Ihre Zusammenstellung in einer Sammlung von über 150 Musikstücken ist so ungewöhnlich, daß sie einer kurzen historischen Erläuterung bedarf.

DER CODEX ROST
Als der französische Musikgelehrte Sébastien de Brossard 1724 seine wertvolle Musikaliensammlung der königlichen Bibliothek in Paris anbot, erstellte er einen Katalog der darin enthaltenen Manuskripte, in dem er u. a. einen Band mit Instrumentalwerken verschiedener Autoren folgendermaßen beschrieb:
Anthologie der kuriosesten Stücke, wenigstens 151, Sonaten sowohl als Allemanden, Fantasien und andere Stücke, komponiert von den berühmtesten Autoren, die um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts blühten, d. h. von ungefähr 1640 bis 1688, von denen 27 am Anfang jener 63 Stücke genannt werden, die sicher aus ihrer Feder stammen…; was die übrigen 88 Stücke betrifft, kann man sie aufgrund ihres Stils leicht dem ein oder anderen dieser 27 oder guten anonymen Meistern zuordnen … Man sollte sehr dankbar für diese exzellente Sammlung sein, die in ihrem Genre ein wahrer Schatz und einzigartig ist. Ich verdanke sie einem gewissen François Rost, Kanoniker und Kantor an der Kollegienkirche Baden und Vikar an St. Pierre-le-Jeune in Straßburg, der die Sammlung 1688 vollendete… Ich kaufte diese Sammlung von seinen Erben. Damit ist schon fast alles gesagt, was man über den sogenannten “Codex Rost” wissen sollte. Die noch heute in der Biliothèque Nationale in Paris verwahrte Handschrift gibt einen einzigartigen Überblick über die Violinmusik um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Sie enthält genau 156 Stücke, die mittlerweile zum Großteil den erwähnten 27 Komponisten zugeschrieben wurden. Am stärksten vertreten sind der Österreicher Johann Heinrich Schmelzer und der Italiener Maurizio Cazzati mit jeweils ca. 20 Stücken. Von den übrigen Autoren finden sich jeweils ein bis maximal 6 Stücke.
Die Sammlung besteht aus drei Stimmbüchern: Violino I, Violino II und Baß. Diese Stimmenverteilung gilt für den Großteil der Werke, wenn auch nicht für alle, da gelegentlich in die Violinstimmen auch Baßstimmen, ja in einem Fall sogar die Noten einer Tenorpartie eingetragen sind. Grob gesprochen handelt es sich jedoch um eine Sammlung von Triosonaten für zwei Violinen und Baß bzw. solcher Werke, die Rost für diese Besetzung arrangiert hat.
Wer dieser François Rost war, liegt noch weitgehend im Dunkeln. Wir wissen, daß er von den Jesuiten im elsässischen Molsheim ausgebildet wurde, wohl aus Baden-Baden stammte und dort zeitweise an der katholischen Kollegienkirche tätig war. Seit spätestens 1664 ist er jedoch auch an der protestantischen Kirche St. Pierre-le-Jeune in Straßburg nachweisbar. Ob er in Baden-Baden tatsächlich ein Haus besessen hat und eine der Heilquellen des Kurortes entdeckte, wie berichtet wird, ist ebensowenig festzustellen wie eine Spur eigener kompositorischer Tätigkeit. Lediglich als Bearbeiter ist er – wie gesagt – in dem von ihm zusammengetragenen Manuskript greifbar.
Die Werkauswahl spiegelt den Zeitgeschmack wider: Bis 1700 kam Streichermusik vorwiegend aus Italien; eine französische Violinschule gab es noch nicht; Werke des Wiener Kaiserhofs (Bertali, Schmelzer) waren auch für Musiker im Reich verbindlich. Die meisten Stücke übernahm Rost aus gedruckten Sammlungen, wobei er offensichtlich auf Vielfalt der Genres bedacht war. Neben den zeitüblichen Sonaten spielen Variationsformen eine große Rolle, Programmstücke mit ausgiebiger Tonmalerei und Lamenti. Im folgenden seien nur die bekanntesten Stücke unseres Programms näher vorgestellt.

Johann Rosenmüller ist der bedeutendste Deutsch-Italiener in der Sammlung: bewunderter Instrumentalkomponist in Venedig und Vorläufer Vivaldis am Ospedale della Pietà. SeineSonate da Camera erschienen 1667 in der Lagunenstadt in sechsstimmiger Fassung für zwei Violinen, zwei Bratschen und Doppelbaß (Gambe und Continuo). Rost faßte die beiden Baßpartien zusammen, ließ die Bratschenstimmen weg und erhielt so jeweils eine einfache Sinfonia à tre – eine Vorgehenweise, die Rosenmüller selbst legitimiert hatte: “Das vorliegende Werk kann auch mit zwei Violinen alleine und Baß gespielt werden.”