Triosuite A-Dur | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Georg Philipp Telemann

Triosuite A-Dur

Suite A-Dur für zwei Flöten und Basso continuo aus “Der getreue Musikmeister”

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2782

Satzbezeichnungen

1. Introduzzione (Grave – Vivace)

2. Andante – Introduzzione da Capo

3. Xantippe

4. Lucretia (Largo)

5. Corinna

6. Clelia (Spirituoso)

7. Dido (Triste – Disperato)

Erläuterungen

“Die Frau in der Musik”, das Villa Musica-Thema der Saison 1998/99, hat viele Facetten – im 18. Jahrhundert auch und gerade erotische. Man muß den Mäzenen der damaligen Zeit – überwiegend männlichen Geschlechts – nicht unbedingt Chauvinismus vorwerfen, wenn sie sich in zahllosen Varianten antike Heroinen an ihre Wände, in ihre teuren Literaturausgaben und – last but not least – auf ihre Notenpulte zaubern ließen. Denn das von antikischer Bildung strotzende Säkulum konnte nichts mehr entzücken als der Rekurs auf die großen Frauengestalten der Antike, seien sie nun sozusagen ex officio für Erotik zuständig, wie die Liebesgöttin Venus, deren Darstellungen durch den französischen Maler François Boucher zu einer Ikone des Zeitalters wurden, oder seien sie aus tragischer Verstrickung zur Entblößung gewisser Körperpartien genötigt, um ihrem Leben auf die eine oder andere Weise ein Ende zu setzen (in den Flammen Karthagos wie Dido, mit dem Dolch wie Lucretias).

Unzählige Gemälde dieser Sujets zierten die Wände barocker Palais, aber auch reicher Bürgerhäuser, wobei es dem Maler freigestellt war, wie viel vom Dekolleté der Lucretia er lüften wollte, um den fatalen Dolchstoß ins zarte Fleisch des Busens umso grausamer erscheinen zu lassen. Das Mitleiden mit den tragischen Heldinnen war ebenso beliebt wie das kesse Einverständnis mit den Liebeskundigen oder das Vergnügen an den eher grotesken Seiten der Ehe, für die in unserem Programm Xanthippe, die streitsüchtige Gattin des Sokrates, steht.

Die Kenntnis dieser Figuren soll im folgenden etwas aufgefrischt werden, unter kurzer Bezugnahme auf die Musik, die durchweg von Komponisten stammt. Werke von Komponistinnen der Barockzeit werden in der Villa Musica Ende November vorgestellt.
In seiner Musikzeitschrift Der getreue Music-Meister, die Telemann 1728 im Selbstverlag in Hamburg herausbrachte, veröffentlichte er eine Suite, die berühmten Frauengestalten der Antike gewidmet ist. Mit den Nummern 11 bis 17 des Blattes wurden die einzelnen Sätze der Suite nach und nach geliefert: zunächst eine Einleitung (Introduzzione) in der dreiteiligen Form einer französischen Ouvertüre (langsamer Eröffnungsteil, der am Ende wiederholt wird; schneller, fugierter Mittelteil); danach ein fis-Moll- Andante, nach welchem die Ouvertüre zu wiederholen ist; schließlich die eigentliche “Suite”, d. h. eine Folge von Tänzen, von denen jeder mit charakteristischen Rhythmen und Figuren den Charakter der betreffenden Figur bezeichnet. Es sind der Reihe nach:

XANTHIPPE, die Frau des griechischen Philosophen Sokrates, die für ihre Kratzbürstigkeit berühmt-berüchtigt war; Telemann, der selbst nicht gerade eine glückliche Ehe führte, stellte sie mit den widerborstigen Rhythmen einer Hornpipe dar, eines in Deutschland eher seltenen Tanzes von den britischen Inseln.
LUCRETIA, die Ehefrau des römischen Fedherrn Collatinus, die vom Sohn des letzten römischen Königs, Tarquinius, vergewaltigt wurde; nachdem sie, ganz Römerin, ihrem Leben und ihrer Schmach mit dem Dolch ein Ende gesetzt hatte, rächte sich ihr Gatte, indem er den König stürzte und die Republik begründete. Telemann schildert die Verzweiflung vor ihrem Selbstmord in Form einer pathetischen Sarabande.

CORINNA, die griechische Dichterin dieses Namens, die als Rivalin des Poeten Pindar um 500 v. Chr. Verse im bo-
oetischen Dialekt verfaßte. Telemann, der ein Literaturkenner war, erfand für sie eine rustikal-heitere Bourrée.

CLELIA, ebenfalls eine heroische Römerin aus den Zeiten vor der Gründung der römischen Republik; sie bewahrte ihre Stadt vor der Zerstörung, indem sie aus dem Lager der etruskischen Truppen, in dem sie als Geisel gefangengehalten wurde, ausbrach, den Tiber durchschwamm und die Römer vor dem Angriff der Feinde warnte. Dynamischer und eleganter hätte wohl kein Komponist des Barock den Freistil der berühmten Schwimmerin in einem Tanz darstellen können.DIDO, die Königin von Karthago, die sich in den Trojanerfürsten Aeneas verliebte, der als Flüchtling an ihre Gestade kam. Um seiner Sendung, einer neuen Staatsgründung an den Ufern Latiums, nachzukommen, verließ sie Aeneas; Dido verwandt die Trennung nicht: Sie setzte ihrem Leben in den Flammen ihrer Stadt ein Ende. Telemanns Satz schwankt zwischen Trauer und rasender Verzweiflung.

Noch ein Wort zu unserer Aufführung des Werkes. Es dürfte Blockflötisten als Triosonate in C-Dur bekannt sein, die Originalfassung steht jedoch in A-Dur, ist mit je zwei Traversflöten und Violinen als Oberstimmen besetzt und unterscheidet minutiös zwischen Tutti- und Soloabschnitten. In dieser eigentlichen Fassung – einer Art Orchestersuite in nuce – erklingt das Stück in unserem Programm, wobei das Unisono-Spiel zwischen Flöten und Geigen in A-Dur keine geringen Anforderungen an die Musiker stellt.