Drei Märsche, op. 45 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ludwig van Beethoven

Drei Märsche, op. 45

Drei Märsche für Klavier zu vier Händen, op. 45

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2796

Satzbezeichnungen

Nr. 1 C-Dur (Allegro ma non troppo)
Nr. 2 Es-Dur (Vivace)
Nr. 3 D-Dur (Vivace)

Erläuterungen

An die Märsche, op. 45, knüpft sich eine der schönsten Anekdoten über Beethovens Ruhm und dessen seltsame Blüten, die sein Schüler Ferdinand Ries in seinen Erinnerungen erzählte: “Graf Browne [ein irischer Adliger, der nach Beethovens eigener Aussage “der erste seiner Mäzene” war] hielt sich eine Zeit lang in Baden bei Wien auf, wo ich häufig abends Beethoven’sche Sachen, theils von den Noten, theils auswendig vor einer Versammlung von gewaltigen Beethovenianern spielen mußte. Hier konnte ich mich überzeugen, wie bei den meisten schon der Name allein hinreicht, alles in einem Werke schön und vortrefflich, oder mittelmäßig und schlecht zu finden. Eines Tages, des Auswendigspielens müde, spielte ich einen Marsch, wie er mir gerade in den Kopf kam, ohne irgend eine weitere Absicht. Eine alte Gräfin, die Beethoven mit ihrer Anhänglichkeit wirklich quälte, gerieth darüber in ein hohes Entzücken, da sie glaubte, es sei etwas Neues von demselben, was ich, um mich über sie sowohl, als über die andern Enthusiasten lustig zu machen, nur zu schnell bejahte.
Unglücklicherweise kam Beethoven selbst den nächsten Tag nach Baden. Als er nun Abends beim Grafen Browne kaum ins Zimmer trat, fing die Alte gleich an, von dem äußerst genialen, herrlichen Marsche zu sprechen. Man denke sich meine Verlegenheit. Wohl wissend, daß Beethoven die alte Gräfin nicht leiden konnte, zog ich ihn schnell bei Seite und flüsterte ihm zu, ich hätte mich nur über ihre Albernheit belustigen wollen. Er nahm die Sache zu meinem Glück sehr gut auf, aber meine Verlegenheit wuchs, als ich den Marsch wiederholen mußte, der nun viel schlechter gerieth, da Beethoven neben mir stand. Dieser erhielt nun von allen die außerordentlichsten Lobsprüche über sein Genie, die er ganz verwirrt und voller Grimm anhörte, bis sich dieser zuletzt durch ein gewaltiges Lachen auflöste. Später sagte er mir: ‘Sehen Sie, lieber Ries! das sind die großen Kenner, welche jede Musik so richtig und so scharf beurtheilen wollen. Man gebe ihnen nur den Namen ihres Lieblings; mehr brauchen sie nicht.’ Dieser Marsch veranlaßte übrigens das Gute, daß Graf Browne gleich die Composition dreier Märsche zu vier Händen von Beethoven begehrte.”
Bei letzteren handelt es sich um die drei Märsche, die 1802 für den Grafen Browne geschrieben und zwei Jahre später mit einer Widmung an die Fürstin von Esterházy, Maria Hermenegild, gedruckt wurden. Die Widmung galt einer kunstsinnigen Frau. 1802 hatte der 70jährige Joseph Haydn für sie die Harmoniemesse, die letzte seiner sechs späten Messen, komponiert. Während sein einstmaliger Lehrer in bewegenden Tönen sein Dona pacem sang, schrieb Beethoven Märsche im militärischen Duktus der Napoleon-Ära – Symbol einer Epochengrenze.
Die so amüsante Erzählung über den Entstehungsanlaß der Märsche findet ihre Fortsetzung in zwei Berichten über ihre Komposition, die Carl Czerny und ebenfalls Ries überlieferten:
“Beim Componiren probirte Beethoven oft am Clavier, bis es ihm recht war, und sang dazu. Seine Stimme beim Singen war ganz abscheulich. So hörte ihn Czerny, im Nebenzimmer wartend, die vierhändigen Märsche componiren.”
“Beethoven componirte einen Theil des zweiten Marsches, während er, was mir noch unbegreiflich ist, mir zugleich Lection über eine Sonate gab, die ich Abends in einem kleinen Concerte bei dem eben erwähnten Grafen vortragen sollte. Auch die Märsche sollte ich daselbst mit ihm spielen.
Während letzeres geschah, sprach der junge Graf P . . . . in der Thüre zum Nebenzimmer so laut und frei mit einer schönen Dame, daß Beethoven, da mehrere Versuche, Stille herbeizuführen, erfolglos blieben, plötzlich mitten im Spiele mir die Hand vom Clavier wegzog, aufsprang und ganz laut sagte; ‘Für solche Schweine spiele ich nicht.’ Alle Versuche, ihn wieder ans Clavier zu bringen,
waren vergeblich, sogar wollte er nicht erlauben, daß ich die Sonate spielte. So hörte die Musik zur allgemeinen Mißstimmung auf.” (Ries)
Beethoven charakterisierte die drei Stücke übrigens wie folgt: “Drei Märsche zu vier Händen, die leicht aber doch nicht ganz klein sind, wovon aber der letztere so groß ist, daß er der Marsch dreier Märsche heißen kann.”