Violinkonzert d-Moll | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ernest Chausson

Violinkonzert d-Moll

Konzert d-Moll für Violine, Klavier und Streichquartett

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2898

Satzbezeichnungen

1. Décidé – Calme – Animé

2. Sicilienne. Pas vite

3. Grave

4. Très animé

Erläuterungen

22 Jahre jünger als Brahms, gehörte der geborene Pariser Ernest Chausson zu jener Generation junger Komponisten, die nach dem Zusammenbruch von 1871 dem französischen Musikleben eine neue Richtung geben wollten, indem sie Instrumentalwerke komponierten und zur Aufführung brachten, auch und gerade Kammermusik. Camille Saint-Saëns hatte mit der Gründung der Société Nationale de Musique dieser Richtung ein anfangs belächeltes, später immer breiter akzeptiertes Forum verschafft, auf dem er und sein Antipode César Franck jungen Komponisten eine Chance gaben. Auf diese Weise wurden fast alle großen Namen des französischen Fin de siècle in der Société „entdeckt“, viele von ihnen, wie etwa Gabriel Fauré, mit Kammermusik.

Obwohl Ernest Chausson 1886 Sekretär der Société wurde, hatte er nicht von Beginn zu diesem Kreis gehört. Sein Vater hatte den für Musik, Malerei und Dichtung gleichermaßen begabten Ernest zu einem Jura-Studium gezwungen, das dieser erst aufgab, nachdem er in den Bann von César Franck und Jules Massenet geraten war. Einen noch stärkeren Einfluss übte Wagner auf, dessen Musik er bei mehreren Besuchen in Bayreuth zwischen 1880 und 1889 aus erster Hand kennenlernte. Seitdem gehörte Chausson, wie sein Freund d’Indy, zum Kreis der Pariser Wagnerianer, was ihn freilich nicht daran hinderte, in seiner Kammermusik auch den zarteren Tönen eines Fauré Gehör zu schenken. Denn auch die Maler Monet und Puvis de Chavanne zählten zu seinem Freundeskreis, was die Nähe zum Impressionismus unterstreicht.

Das Concert für Violine, Streichquartett und Klavier ist Chaussons bedeutendstes Kammermusikstück, uraufgeführt im März 1892 in Brüssel, doch erst bei der Pariser Premiere in der Société ein paar Monate später ein aufsehenerregender Erfolg. Die Kritik rühmte es als eine der bedeutendsten Kammermusik-Neuheiten der Epoche. Dies dürfte einerseits der originellen Besetzung, andererseits der Kunst des Geigers Eugène Ysaye zu danken gewesen sein, für den Chausson den Solopart geschrieben hatte.

Für die Idee eines kammermusikalischen Violinkonzerts, in dem der Solopart nicht von einem Orchester, sondern von einem Klavierquintett begleitet wird, hatte Chausson letztlich zwei Vorbilder: die französischen „Concerts“ des 18. Jahrhunderts, Kammermusikstücke, in denen die Instrumente kaum konzertierend hervortreten, sondern als delikates Ensemble wirken, sowie das Klavierquintett seines Lehrers César Franck. Dieses ausladenste französische Kammermusikwerk der Epoche stand für Chaussons Concert in der Dichte der Chromatik, der klanglichen Gestaltung und der breiten Anlage der beiden Ecksätze Pate. Die Mittelsätze dagegen scheinen in ihrer Zartheit und tänzerischen Grazie eher jener Welt des 18. Jahrhunderts verwandt zu sein und auch von Fauré inspiriert.