Klaviersonate | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Gideon Klein

Klaviersonate

Sonate für Klavier (1943)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2986

Satzbezeichnungen

1. Allegro con fuoco

2. Adagio

3. Allegro vivace

Erläuterungen

Als Gideon Klein aufgrund seiner jüdischen Abstammung 1941 nach Theresienstadt deportiert wurde, war der 1919 in Mähren geborene Musiker gerade 22 Jahre alt. Klein hatte in Prag Klavier bei Vilém Kurz studiert und Komposition bei Alois Hába. Lange Zeit hieß es, dass der hauptsächlich als Pianist ausgebildete Klein erst in Theresienstadt zu komponieren begann. Doch wurden 1990 in Prag Manuskripte seiner Werke aus der Zeit vor 1941 entdeckt, die das meisterhafte kompositorische Talent des jungen Komponisten vor Theresienstadt bezeugen. In Theresienstadt war Klein einer der agilsten Künstler im Musikleben der “Freizeitgestaltung”, betreute das Mädchenheim und gab zahlreiche Konzerte. Er war es auch, der den paralysierten Pavel Haas dazu ermunterte, wieder zu schreiben. Gideon Klein komponierte in Theresienstadt mit einer unglaublichen Intensität. Er bearbeitete eine ganze Reihe tschechischer und schlesischer Volkslieder, komponierte zwei Madrigale und vier Kammermusiken. Von den vier sehr unterschiedlichen Werken sind drei erhalten geblieben, wie die “Sonate für Klavier”.

Die Sonate, 1943 entstanden, wurde nie in Theresienstadt gespielt. Gideon Klein widmete sie seiner ebenfalls dort inhaftierten Schwester Eliska, die zu den wenigen Überlebenden des Holocaust gehörte. In ihrem Stil entstammt die Sonate der Welt des Expressionismus der Zweiten Wiener Schule, der Schönberg’schen Klaviermusik, und doch ist in ihr das traditionelle Prinzip der Sonate bewahrt. Dem ersten motivisch zerklüfteten Satz, in dem ganze Abschnitte notengetreu transponiert wiederholt werden, folgt das Adagio mit seinem impressionistischen Charakter: eine bogenförmig weitgespannte Melodie mit exponiertem Höhepunkt wird von rezitativischen Abschnitten unterbrochen. Das Allegro vivace mit seinem grotesken Ausdruck, mit den fragmentarisch volkstümlichen Tanzszenen und kapriziösen Trillern folgt dem Typus des Scherzos, wodurch der gesamte Sonatenzyklus unabgeschlossen scheint. In der Tat weist Kleins Theresienstädter Notenbuch noch wenige Takte eines vierten Satzes auf, den er jedoch nicht mehr vollenden sollte.

Gideon Klein wurde im gleichen Transport mit Pavel Haas und Bernhard Kaff nach Auschwitz gebracht. Er überstand die Selektion und wurde dem Außenkommando im KZ Fürstengrube zugewiesen. 1945, als die Front näherrückte, wurde Fürstengrube evakuiert. Ob Gideon Klein bei der Evakuierung oder bei der Exekution der im Lager Zurückgebliebenen durch die SS starb, ist bis heute ungeklärt.