Streichquartett As-Dur, op. 105 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Antonin Dvorák

Streichquartett As-Dur, op. 105

Quartett As-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 105

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3031

Satzbezeichnungen

1. Adagio ma non troppo – Allegro appassionato

2. Molto vivace

3. Lento e molto cantabile

4. Finale. Allegro non tanto

Erläuterungen

Befreit kehrte Antonin Dvorak im Herbst 1894 aus New York in die Heimat zurück – befreit von der großen Aufgabe, der amerikanischen Nation innerhalb weniger Jahre eine „Nationalmusik“ zu schenken und befreit von dem Heimweh, das ihn in den amerikanischen Jahren von 1892 bis 1895 verfolgt hatte. Ein rührender Brief aus New York an seine Kinder vom Februar 1895 beschreibt seine Gefühle: „Mich und Mutter freut hier nichts – wenn wir Euch nicht hier haben, und Mutter sagte, dass sie um nichts in der Welt wieder herkäme – nun, und ich würde es ohne sie und Euch hier nicht einmal eine Woche aushalten.“ Am 27. September 1892 hatte Dvorak in Hoboken bei New York seinen Fuß das erste Mal auf amerikanischen Boden gesetzt, am 16. April 1895 kehrte er dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten den Rücken. Hinter ihm lagen sensationelle Erfolge wie die Uraufführung der Neunten Sinfonie und des „Amerikanischen Streichquartetts“, aufreibende Lehrstunden am New Yorker Konservatorium, wo er junge Amerikaner in europäischer Spätromantik unterrichtet hatte, und einige schöne Ferienmonate, die er mit seiner Familie in Iowa verbracht hatte. Was er mit sich nahm, waren bleibende Eindrücke von der Größe New Yorks und der Weite des Mittleren Westens, und es war ein gewandelter Stil, in den einige Elemente „amerikanischer“ Musik mit einflossen. Obwohl sein ureigenster tschechischer „Akzent“ im Musikalischen auch die amerikanischen Werke prägte, drangen daneben Spuren des Spirituals, indianische Rhythmen und indianische Pentatonik in seine Musik ein, und sie blieben auch nach der Rückkehr in die Heimat wesentliche Elemente seines Spätstils.

In den USA war Dvoraks Stil gewissermaßen „altersweise“ geworden. Die beiden letzten Streichquartette in As und G, Opera 105 und 106, künden davon – in der Schlichtheit ihrer Themen wie in der ungezwungenen Verarbeitung sind es entwaffnend eingängige Stücke. Das As-Dur-Quartett war buchstäblich Dvoraks amerikanisches Abschiedslied. Den ersten Satz bis zum Beginn der Durchführung hat er als letztes Werk noch in Amerika geschrieben. Vollendet wurde das Quartett aber erst nach dem G-Dur-Werk, Opus 106, im Herbst 1895.

Die langsame Einleitung – die einzige in Dvoraks reifem Quartettschaffen – lässt noch nicht den jubelnden Elan des Allegro-Hauptthemas erahnen. In düsterem as-Moll werden dessen Motive gleichsam „ertastet“. Immer wieder bricht die Bewegung ab, bis sich endlich strahlend der Jubelruf des As-Dur-Allegro durchsetzt. Seine Ornamente erinnern an einen Vogelruf, die aufjauchzende Quint an ein Fanfarenmotiv – ein volkstümlicher Gedanke. In komplexen motivischen Verwandlungen und ständig wechselnder harmonischer Beleuchtung – zu Beginn gleich in Fes- und Ces-Dur – durchzieht dieser Ruf den ganzen ersten Satz.

Im Scherzo kontrastiert der f-Moll-Hauptteil mit einem Des-Dur-Trio. Ersteres ist wie das Scherzo des „Amerikanischen Quartetts“ aus mehreren Motiv- und Rhythmusschichten aufgebaut, letzteres ein Gesang von entwaffnender Schlichtheit. Im langsamen Satz scheinen Dvoraks amerikanische Naturerlebnisse nachzuklingen: eine schlichte Volksweise in F-Dur wird – nach düster-chromatischem Mittelteil – variiert wiederholt und dabei in Naturklänge getaucht. Pizzicato und Vogelrufe umschwirren das Thema, bevor es am Ende in der Schlichtheit des Anfangs noch einmal wiederkehrt. Im Finale ist Dvorak dann sozusagen endgültig in die Heimat zurückgekehrt: es ist eine Polka in Form eines Sonatenrondos. Zu Beginn wird das Polkathema „im Anlauf“ genommen, bis es ungehemmt seinen Schwung entfaltet. Gegen zwei Seitenthemen – einen kurzen Es-Dur-Einschub und das eigentliche lyrische Gegenthema in G-Dur – behauptet sich die Polkaweise immer wilder und ungezwungener. Die Tanzszene kulminiert in einer wirbelnden Coda.