Streichquartett Nr. 7 D-Dur, op. 192 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Joachim Raff

Streichquartett Nr. 7 D-Dur, op. 192

Quartett Nr. 7 D-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 192 (Die schöne Müllerin)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3049

Satzbezeichnungen

1. Der Jüngling. Allegretto

2. Die Mühle. Allegro

3. Die Müllerin. Andante

4. Unruhe. Allegro

5. Erklärung. Andantino, quasi allegretto

6. Zum Polterabend. Finale

Erläuterungen

2002
JOACIHM RAFF
Streichquartett Nr. 7

“Armer Raff! Deine Schönheiten versteht fast Niemand!” Der Musikliebhaber, der diese Zeilen im 19. Jahrhundert auf die Originalausgabe der Violinsonaten von Joachim Raff kritzelte, würde sich vermutlich freuen, wenn er sehen könnte, wie Musiker des 21. Jahrhunderts die Werke seines Idols peu á peu wiederentdecken. In der Tat hat erst kürzlich eine Art Raff-Renaissance eingesetzt, die umso verdienter ist, als der Komponist nicht erst Posthum in den Schatten der großen Romantiker geriet. Als Privatsekretär von Franz Liszt in Weimar – ein Posten, den er von 1850 bis 1856 ausfüllte – legte sich Raff selbst auf eine Position fest, aus der er zeitlebens nur schwer herausfand. Unbestreitbar sind freilich seine Verdienste um seine Wahlheimat Wiesbaden.

Dort entstand auch 1874 sein 7. Streichquartett. Für einen Liszt-Schüler zeigte Raff ein seltsam ausgeprägtes Interesse an der Kammermusik: acht Streichquartette, je ein Streichsextett und Klavierquintett, zwei Klavierquartette, vier Trios etc. lassen eher an das Vorbild Brahms denken denn an die Nähe zu den Neudeutschen. Gerade dieser Reichtum in den klassischen Kammermusik-Genres bildet die Grundlage für Raffs Wiederentdeckung. Den Kammermusik-Kennern um 1900 war seine Bedeutung in diesem Metier noch bewusst. Der Violinvirtuose Pablo de Sarasate spielte die Sonaten von Raff regelmäßig im Konzert – mit dem größten Enthusiasmus und entsprechendem Erfolg. Ein so profunder Kenner der Kammermusik und geigender Liebhaber wie der englische Industrielle Walter Wilson Cobbett bescheinigte Raff “eine wahre Vertrautheit mit dem inneren Leben der Violine” und die Fähigkeit, “Musik zwischen extremer Brillanz und gefühlvoller Zartheit zu schreiben”. Der Vorwurf, den Cobbett andererseits gegen Raff erhob, war der zu großer, unkritischer Produktivität: “Zwischen seinen Meisterwerken schüttete er pausenlos Massenware aus, in der nur mit Wasser gekocht wird und die seinen guten Ruf verdarb.

Das 7. Streichquartett steht in der Mitte zwischen diesen Salonstücken und der seriösen Kammermusik, denn sein zweiter Satz mit dem Titel Die Mühle wurde zum festen Bestandteil aller Familien-Musikalben um 1900 wie die Cavatina aus Raffs Violinsuite, op. 85, und der Marsch aus seiner 5. Sinfonie. 1876 veröffentlicht, beruht das gesamte 7. Quartett auf der Geschichte von der Schönen Müllerin, wie sie Wilhelm Müller in seinen von Schubert vertonten Gedichten erzählt hat. Raff orientierte sich bei der Umsetzung dieser Vorlage nicht an den Sinfonischen Dichtungen Liszts, sondern schuf eine Serie von Genrebildem. Die rührende Geschichte von dem Jüngling (erster Satz), der sich in einer Mühle (zweiter Satz) in eine schöne junge Müllerin verliebt (dritter Satz etc.) nannte Mark Thomas zutreffend eine “sanfte pastorale Erzählung”.

Im Vergleich zu Raffs dramatischen frühen Quartetten kann man hier einen Rückzug in die Innerlichkeit beobachten, gegen den sich auch kritische Stimmen regten. Matthias Wiegandt meinte, die Komposition sei “ihrer ungehemmten, ausschweifenden Idyllik wegen” nur schwer zu goutieren. “Sechs Sätze werden von Überschriften gekrönt, welche zusammengenommen eine biedermeierliche Geschichte in den Raum stellen, ohne dass sich zwischen den Sätzen auffällige Verbindungen in Form von Weiterentwicklungen fänden … Kaum einmal finden dunklere Schattierungen Eingang in die Musik, und wer mit Quartettkomposition das Streben nach intensivster Verdichtung verbindet, sollte vor dem Studium des Werkes seine Vorerwartungen abstreifen.”

Als Zuhörer im Konzert können wir solche Bedenken getrost beiseite lassen und uns am schlichten Charme der Raffschen Muse freuen, der ja dem zweiten Satz auch zu seinem Welterfolg verhalf. Wilhelm Altmann, einer der ganz großen Kenner der Kammermusik um 1900, charakterisierte die sechs Sätze folgendermaßen: “Der romantische Kopfsatz Der Jüngling besticht durch sein höchst er ,frischendes Hauptthema. Die Nr. 2 ‘ die notorische Mühle, ist ein vergnüglicher Spiccaman das Klappern des Mühlrads überdeutlich hören kann. Der dritte Satz, ein Andante, stellt uns die Müllerin als eine charmante, aber offenbar nicht allzu warmherzige Frau vor. Im vierten Satz wird die Leidenschaft der Liebenden dargestellt, im fünften der Heiratsantrag in Form eines ausdrucksstarken Duetts zwischen Cello und erster Geige. Das Finale ist wie in vielen Raff-Werken der schwächste Satz in einem Werk, das sich wegen seiner bezaubernden Eigenschaften besonders für Amateure empfiehlt.” (Wilhelm Altmann) Im 19. Jahrhundert beherzigten unzählige Musiker diesen Ratschlag und machten Die schöne Müllerin zu Raffs populärstem Quartett, wie seine Tochter Helene in ihrer Biographie des Vaters berichtete.