Sonate C-Dur, op. 65 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Benjamin Britten

Sonate C-Dur, op. 65

Sonate C-Dur für Violoncello und Klavier, op 65 (1961)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3051

Satzbezeichnungen

1. Dialogo. Allegro

2. Scherzo-pizzicato. Allegretto

3. Elegia. Lento

4. Marcia. Energico

5. Moto perpetuo. Presto

Erläuterungen

2002
BENJAMIN BRITTEN
Sonata in C, op. 65

Was Bach betrifft, kennen wir nicht den Namen des Gambisten, für den er seine Gambensonaten schrieb. Schnittke ließ sich von Natalja Gutman zu seiner 1. Cellosonate inspirieren. Die berühmteste Künstlerfreundschaft zwischen einem Cellisten und einem Komponisten verband Benjamin Britten und Mstislav Rostropowitsch. Die beiden lernten sich 1960 durch Dmitri Schostakowitsch kennen. Ohne es zu ahnen, gab der russische Komponist damit den Anstoß zu fünf der bedeutendsten Cellowerke der Moderne, die Britten in den folgenden 14 Jahren für Rostropowitsch schreiben sollte. Auf die Sonate für Cello und Klavier, op. 65, folgten die Cello Symphony, op. 68, und die drei Solosuiten, op. 72, 80 und 87.

„Ein fröhlicher, bezaubernder, außergewöhnlich brillanter Virtuose, aber hinter all dem ein suchender Musiker mit dem Gehirn eines Philosophen.“ So beschrieb der Kritiker der Times, William Mann, Rostropowitsch nach der Uraufführung der Cellosonate von Britten 1961. Wohl nicht zu Unrecht vermutete der Londoner Kritiker, Britten habe in seiner Sonate den Charakter Rostropowitschs, so wie er ihn sah, in Töne fassen wollen. Mit ihren fünf Sätzen – dem einleitenden Dialogo, dem bartókhaften Scherzo-pizzicato, der Lento-Elegie, dem bizarren Energico-Marsch und dem Perpetuum-mobile-Finale – scheint die Sonate verschiedene Facetten eines Cellisten-Genies zu beleuchten. Sie ist weniger das Ergebnis abstrakter Konstruktion als spontaner Eindrücke, die Britten beim Musizieren mit Rostropowitsch gewann.

Dass es Britten auf einen Dialog zwischen zwei Charakterköpfen und nicht auf eine Virtuosensonate abgesehen hatte, zeigt der Stil, in dem die beiden Instrumente agieren: „Der Klaviersatz besitzt die ganze Feinheit seiner Liedbegleitungen, doch noch größeren Reichtum der Textur. Er wird nie virtuos, und auch der Cellopart erweckt diesen Eindruck. Nur wenn man genau hinsieht, erkennt man, wie hoch die Anforderungen an den Cellisten tatsächlich sind.“ (Peter Evans)

Sonata in C schrieb Britten mit kaum zu unterbietendem Understatement über das Werk, was die scheinbar naive Einfachheit des C-Dur suggeriert, obwohl die Sonate einen harmonischen Bogen über a, d und As spannt und ihr Material aus engschrittigen Intervallen und teilweise bitonalen Akkorden besteht.

Den Leitgedanken jedes Satzes hat Britten in der Überschrift eingefangen. Im einleitenden Dialogo umschreibt das Cello einzelne Töne des C-Dur-Dreiklangs mit Sekundschritten. Die nachschlagenden Terzen des Klaviers wirken wie Antworten auf seine knappen Fragen. Es handelt sich in der Tat um einen Dialog. „Der ganze Satz dreht sich um die Erörterung eines winzigen Motivs: der fallenden oder steigenden Sekund. Es wird ausgeweitet zum lyrischen Seitenthema, das auf einen Flageolett-Ton im Pianissimo zuläuft und wieder abfällt.“

„Eine Pizzicato-Studie“ nannte Britten bescheiden den zweiten Satz, der ihn so nahe an der Kunst Béla Bartóks zeigt wie kein anderes Stück in seinem Schaffen. Dennoch erreicht der Klavierpart nie die Härte eines bartókschen Allegro barbaro, vielmehr stellte sich Britten den Klavierklang „fast gitarrenhaft“ vor.

Zentrum der Sonate ist der langsame Satz, eine Lento-Elegie im Duktus einer bachschen Passacaglia: „Vor einem ernst-getragenen Hintergrund des Klaviers singt das Cello eine gedehnte Weise. Diese wird durch Doppel-, Tripel- und Quadrupelgriffe zu einem großartigen Höhepunkt gesteigert und sinkt dann zurück, um sanft zu verklingen.“
Was den vierten Satz betrifft, stellte Peter Evans die Frage, ob dieser „freakige Marsch“ nicht Brittens Tribut an die sarkastische Manier eines Schostakowitsch oder Prokofieff sei: „Die verzerrte Grimasse seines Themas entsteht aus der grausamsten bitonalen Spannung (Melodie in G, Begleitung in As), doch es ist gerade das Aggressiv-Banale dieses Aufhängers, was uns fasziniert.“ Die Rollenverteilung der Instrumente hat Britten beschrieben: „Zur sprunghaft-abgehackten Melodie des Klaviers spielt das Cello den Bass. Nach dem Trio mit seinen horn-artigen Signalen über Basstriolen kehrt der Marsch leise wieder; nun übernimmt das Cello im Flageolett die Oberstimme.“

Das Moto perpetuo-Finale ist ein Presto von nie nachlassender Energie, wie geschaffen für eine pralle Interpretenpersönlichkeit vom Schlage Rostropowitschs: „Ein Saltando-Thema im 6/8-Takt bestimmt den ganzen Satz, wobei es seinen Charakter ständig ändert: bald hoch und expressiv, bald tief und brummelnd, bald fröhlich und sorglos.“ Noch einmal ließ Britten durch die Töne, die er für das Cello seines Duopartners erfand, dessen Charakter musikalisch Gestalt annehmen. (Karl Böhmer)

2004

BENJAMIN BRITTEN
Sonata in C, op. 65

Die berühmteste Künstlerfreundschaft zwischen einem Cellisten und einem Komponisten verband Benjamin Britten und Mstislav Rostropowitsch. Die beiden lernten sich 1960 durch Dmitri Schostakowitsch kennen. Ohne es zu ahnen, gab der russische Komponist damit den Anstoß zu fünf der bedeutendsten Cellowerke der Moderne, die Britten in den folgenden 14 Jahren für Rostropowitsch schreiben sollte. Auf die Sonate für Cello und Klavier, op. 65, folgten die Cello Symphony, op. 68, und die drei Solosuiten, op. 72, 80 und 87.

„Ein fröhlicher, bezaubernder, außergewöhnlich brillanter Virtuose, aber hinter all dem ein suchender Musiker mit dem Gehirn eines Philosophen.“ So beschrieb der Kritiker der Times, William Mann, Rostropowitsch nach der Uraufführung der Cellosonate von Britten 1961. Wohl nicht zu Unrecht vermutete der Londoner Kritiker, Britten habe in seiner Sonate den Charakter Rostropowitschs, so wie er ihn sah, in Töne fassen wollen. Mit ihren fünf Sätzen – dem einleitenden Dialogo, dem bartókhaften Scherzo-pizzicato, der Lento-Elegie, dem bizarren Energico-Marsch und dem Perpetuum-mobile-Finale – scheint die Sonate verschiedene Facetten eines Cellisten-Genies zu beleuchten. Sie ist weniger das Ergebnis abstrakter Konstruktion als spontaner Eindrücke, die Britten beim Musizieren mit Rostropowitsch gewann.

Dass es Britten auf einen Dialog zwischen zwei Charakterköpfen und nicht auf eine Virtuosensonate abgesehen hatte, zeigt der Stil, in dem die beiden Instrumente agieren: „Der Klaviersatz besitzt die ganze Feinheit seiner Liedbegleitungen, doch noch größeren Reichtum der Textur. Er wird nie virtuos, und auch der Cellopart erweckt diesen Eindruck. Nur wenn man genau hinsieht, erkennt man, wie hoch die Anforderungen an den Cellisten tatsächlich sind.“ (Peter Evans)

Sonata in C schrieb Britten mit kaum zu unterbietendem Understatement über das Werk, was die scheinbar naive Einfachheit des C-Dur suggeriert, obwohl die Sonate einen harmonischen Bogen über a, d und As spannt und ihr Material aus engschrittigen Intervallen und teilweise bitonalen Akkorden besteht.

Den Leitgedanken jedes Satzes hat Britten in der Überschrift eingefangen. Im einleitenden Dialogo umschreibt das Cello einzelne Töne des C-Dur-Dreiklangs mit Sekundschritten. Die nachschlagenden Terzen des Klaviers wirken wie Antworten auf seine knappen Fragen. Es handelt sich in der Tat um einen Dialog. „Der ganze Satz dreht sich um die Erörterung eines winzigen Motivs: der fallenden oder steigenden Sekund. Es wird ausgeweitet zum lyrischen Seitenthema, das auf einen Flageolett-Ton im Pianissimo zuläuft und wieder abfällt.“

„Eine Pizzicato-Studie“ nannte Britten bescheiden den zweiten Satz, der ihn so nahe an der Kunst Béla Bartóks zeigt wie kein anderes Stück in seinem Schaffen. Dennoch erreicht der Klavierpart nie die Härte eines bartókschen Allegro barbaro, vielmehr stellte sich Britten den Klavierklang „fast gitarrenhaft“ vor.

Zentrum der Sonate ist der langsame Satz, eine Lento-Elegie im Duktus einer bachschen Passacaglia: „Vor einem ernst-getragenen Hintergrund des Klaviers singt das Cello eine gedehnte Weise. Diese wird durch Doppel-, Tripel- und Quadrupelgriffe zu einem großartigen Höhepunkt gesteigert und sinkt dann zurück, um sanft zu verklingen.“

Was den vierten Satz betrifft, stellte Peter Evans die Frage, ob dieser „freakige Marsch“ nicht Brittens Tribut an die sarkastische Manier eines Schostakowitsch oder Prokofieff sei: „Die verzerrte Grimasse seines Themas entsteht aus der grausamsten bitonalen Spannung (Melodie in G, Begleitung in As), doch es ist gerade das Aggressiv-Banale dieses Aufhängers, was uns fasziniert.“ Die Rollenverteilung der Instrumente hat Britten beschrieben: „Zur sprunghaft-abgehackten Melodie des Klaviers spielt das Cello den Bass. Nach dem Trio mit seinen horn-artigen Signalen über Basstriolen kehrt der Marsch leise wieder; nun übernimmt das Cello im Flageolett die Oberstimme.“

Das Moto perpetuo-Finale ist ein Presto von nie nachlassender Energie, wie geschaffen für eine pralle Interpretenpersönlichkeit vom Schlage Rostropowitschs: „Ein Saltando-Thema im 6/8-Takt bestimmt den ganzen Satz, wobei es seinen Charakter ständig ändert: bald hoch und expressiv, bald tief und brummelnd, bald fröhlich und sorglos.“ Noch einmal ließ Britten durch die Töne, die er für das Cello seines Duopartners erfand, dessen Charakter musikalisch Gestalt annehmen.