Klaviersonate Nr 17 d-Moll, op 31,2 ("Der Sturm") | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ludwig van Beethoven

Klaviersonate Nr 17 d-Moll, op 31,2 ("Der Sturm")

Sonate Nr. 17 d-Moll für Klavier, op. 31,2 (“Der Sturm”)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3104

Satzbezeichnungen

1. Largo – Allegro

2. Adagio

3. Allegretto

Erläuterungen

2003
LUDWIG VAN BEETHOVEN
Klaviersonate d-Moll, op. 31,2

Beethoven war 1792 zum zweiten Mal nach Wien gegangen, um bei Haydn seine musikalischen Studien zu vervollständigen. Als Klaviervirtuose wurde er rasch berühmt und gewann als junger Künstler die Wiener große Gesellschaft für sich. Im Jahr 1795 erschien sein erstes Sonatenopus, das Haydn gewidmet war und noch am Prinzip seiner Sonatenform anknüpft. Der Beginn des neuen Jahrhunderts brachte die Uraufführung der ersten Sinfonie, aber auch das schicksalhaft hartnäckige Ohrenleiden Beethovens, dessen seelische Auswirkungen auf den Künstler durch das erschütternde Schriftstück “Heiligenstädter Testament” von 1802 dokumentiert sind.

In dieser Periode schmerzlicher persönlicher Erfahrung entstand das Opus 31 und es kommt nicht von ungefähr, dass es eine Wende im Schaffen Beethovens, ein zugleich intensiv musikalisches Experimentieren bezeichnet. Seinem Schüler Carl Czerny sagte Beethoven damals: Ich bin mit meinen bisherigen Arbeiten nicht zufrieden. Von nun an will ich einen anderen Weg beschreiten.” Kurz darauf erschienen die drei Klaviersonaten op. 3 1. Eine mannigfaltige Abweichung von der üblichen Sonatenform und insbesondere die außermusikalischen Anregungen durch poetische Ideen in der hochexpressiven zweiten Sonate zeigen den von Beethoven bezeichneten anderen, neuen Weg. im ersten Satz von Opus 31,2 nimmt Beethoven eine Erweiterung des Sonatenhauptsatz-Prinzips vor, eindeutige Funktionsbestimmungen werden relativiert. Als Form- und Gestaltungsmittel wird gerne das Drama Shakespeares Der Sturm verantwortlich gemacht, weshalb diese Sonate auch als Sturm-Sonate in die Literatur einging. Es ist aber vielmehr die Stimmung des Satzes, die eine Verbindung zum Sturm herstellt. Seinem Biografen Anton Felix Schindler gegenüber äußerte Beethoven auf die Frage nach dem “tieferen Sinn” für sein Werk: “Lesen sie nur Shakespeares Sturm,”. Die von Beethoven geäußerten, aber nicht spezifizierten poetischen Ideen kennzeichnen zum ersten Mal das Poetische in der Musik durch außermusikalische Anregung. Das markiert einen Anfang hin zur “neudeutschen Schule” um Liszt, und in Folge zu Wagner, Strauss und zur Geschichte der Programmmusik.

Die Sonate steht als einzige der 32 Sonaten (ohne Zählung der Jugendwerke) in der Tonart d-Moll. Sie hat nur drei Sätze, die alle ausnahmslos leise beginnen und enden. Ihr Anfang erklingt wie eine Einleitung, vor allem durch die harmonische Labilität der ersten Takte. Ein arpeggierter, darin langsam aufsteigender Dreiklang im Legato kontrastiert mit einem i Allegro-Teil mit entgegengesetzt geführten Stimmen. Hier zeigte sich das “Neue” besonders deutlich im Prozesshaften. Das Thema entsteht und ist nicht etwa ein fertig abgeschlossenes Gebilde. Erst nach 20 Takten erwächst es deutlicher aus einem gebrochenen Dreiklang, wird aber sogleich fortgeführt. In der drängenden Bewegung des ersten Satzes gewähren nur die wiederholten Largo-Einschübe mit ihren Akkordbrechungen kleine Ruhepausen. Kurz vor der Reprise erliebt sich aus diesem Akkord zweimal ein Rezitativ, das hinter einem Pedalschleier “wie aus weiter Ferne klagend, ertönen muss” (Czerny). Hier ist die Musik Ausdruck der menschlichen Stimme: einstimmig wird sie “con espressione e semplice” vom Klavier gesungen. Die “sprechende” Ausdrucksintensität an dieser Stelle verweist bereits auf Beethovens Spätstil.
Das langsame Arpeggio – entscheidendes Strukturmoment des ersten Satzes – eröffnet auch den zweiten, diesmal jedoch mit anderem Klangcharakter. Nach dem “düsteren” ersten Satz, erscheint das Adagio heiter. Das dialektische Verhältnis von Akkord und Melodie, von Statik und Bewegung wird zu Beginn deutlich. Eine Kantilene mit abwechslungsreichem Figurationswerk liebt sich von tremolierenden Paukenbässen ab. Der Satz ist von zweiteiliger Form (Exposition, Reprise) mit weiträumiger Coda.
Als Schlusssatz fungiert ein tänzerisches Allegretto, kontrastarm durch ostinate Bewegung der durchlaufenden Sechzehntelnotorik, das mit dein ersten Satz durch ein hervorgehobenes Arpeggio-Motiv verbunden ist. Seine Form ist unbestimmt. Ein rondohafter Charakter lässt sich ebenso erklären wie ein sonatenhafter. Angeblich sei Beethoven zu diesem Satz angeregt worden, “als er einst einen Reiter an seinem Fenster vorbeigaloppieren sah” (Czerny).