Concert III | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Jean-Philippe Rameau

Concert III

Concert III aus den Pièces de Clavecin en Concert

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3195

Satzbezeichnungen

1. La La Poplinière (Rondement)

2. La Timide (Gracieux)

3. Tambourins I et II

Erläuterungen

2018

Während der letzten Schaffensjahre von Jean-Marie Leclair ereignete sich bei Hofe in Versailles Bedeutsames. Eine neue Schönheit eroberte das Bett und das Herz König Ludwigs XV.: die Marquise de Pompadour. Jeanne-Antoinette d’Étioles, geborene Poisson, wurde 1745 die Geliebte des Königs und bald darauf seine „maîtresse-en-titre“, seine offizielle Nebenfrau, was ihr umso leichter fiel, als sie sich mit der menschenscheuen Königin zu arrangieren wusste. Obwohl sie eine Bürgerliche war – die Tochter eines Metzgers und mit dem Neffen eines Steuerpächters verheiratet – übertraf sie an Bildung und Geschmack die Mehrzahl der adligen Damen Frankreichs – an Klugheit ohnehin. Denn das Bett des Königs teilte sie nur so lange, bis sie zu seiner engsten Freundin geworden war. Danach regelte sie persönlich das exzessive Liebesleben des „Bien-áimé“ Louis quinze, der ihrer auf diese Art nie überdrüssig wurde. So blieb sie bis zu ihrem Tode 1764 die engste Vertraute des Monarchen – „Feine reundin lebenslang“, wie der traurige König am Tag ihrer Beisetzung weinend ihrem Sarg hinterher rief.

Ihrer Klugheit entsprach ihr guter Geschmack: Sie gilt als die Erfinderin des „Shoppings“, weil sie von den diversen Schlössern in der Umgebung von Paris stets nur für Einkäufe in die Hauptstadt fuhr. Auf dem Einkaufszettel standen neueste Mode und Porzellan aus Sèvres, aber auch die Gemälde eines François Boucher und die Bücher ihres Freundes Denis Diderot. Ihre geliebte Musik aber ließ sie sich nachhause bringen – vorzugsweise von Jean-Philippe Rameau, dem gefürchteten Opernmeister mit der diabolischen Miene und dem berüchtigten Jähzorn. Bei Madame de Pompadour wurde selbst der gefürchtete Rameau handzahm und spielte für sie die schönste Rokoko-Musik.

Dazu zählen die Pièces de Clavecin en concerts, zu deutsch: „Cembalostücke in Konzertform“. Ursprünglich schon 1741 veröffentlicht, ließ sie Rameau in der Epoche der Pompadour gleich zweimal nachdrucken, so sehr entsprachen sie dem Geschmack der hohen Dame.
Dem Titel nach könnte man vermuten, es handle sich um Cembalokonzerte. In Wirklichkeit hat man es mit Trios zu tun, in denen das Cembalo von Flöte und Gambe begleitet wird. Nur in den originalen Klangfarben des Cembalos, der „Flûte traversière“ und der „Basse de viole“ kommt der Charme dieser klein besetzten Konzerte voll zur Geltung.

Das dritte Concert in A-Dur beginnt mit einem musikalischen Porträt: Rameau hat hier seinem wichtigsten Gönner gehuldigt, dem obersten Steuereinnehmer Le Riche de Laplonière. Dessen Frau setzte sich 1750 in den Kopf, der Marquise de Pompadour den König auszuspannen – vergeblich. Mit dem pompösen Beginn seines dritten Concert hat Rameau den mächtigen Ehemann porträtiert, freilich ist diesem „wohl beleibten“ Thema ein zartes Cembalosolo beigesellt. Ob Rameau darin die verführerische Madame de Laplonière hat abzeichnen wollen? So forsch der erste Satz anmutet, so schüchtern, ja ängstlich kommt die weinerliche Melodie des zweiten Satzes daher: La Timide, „Die Furchtsame“ hat Rameau über diesen in Schwermut kreisenden Mittelsatz geschrieben. Im Sinne eines Rondeau unterbrechen verschiedene Couplets den ständig wiederholten Refrain. Hier wird die schüchterne Dame schon ein wenig wagemutiger. Das Finale besteht aus zwei Tambourins, perkussiv einpeitschenden Tänzen von erheblichem „Drive“. Sie verdanken ihren Namen dem Tambourin de Béarne, einer Einhandtrommel, die im Süden Frankreichs zusammen mit einer Einhandflöte vom selben Spieler bedient wurde und den simplen Flötenmelodien einen aufreizenden Rhythmus unterlegte. Rameau war der Meister der Tambourins, von denen sich etliche in den Ballettszenen seiner Opern finden.

2003
DIE MUSIK DER POMPADOUR

1745 wurde Jean-Antoinette d’Ètiolles, geb. Poisson, die Geliebte des französischen Königs Ludwig XV. Obwohl sie eine Bürgerliche war – Tochter eines Metzgers und mit dem Neffen eines Steuerpächters verheiratet – übertraf sie an Bildung und Geschmack die Mehrzahl der adligen Damen Frankreichs. Sie war überaus belesen, was der Dramatiker und Philosoph Voltaire an ihr schätzte; sie korrespondierte mit Montesquieu und Diderot, war Mäzenin für Künstler und Musiker, denen sie den Weg an den Hof ebnete. Dennoch kommt Madame de Pompadour in keinem Musiklexikon unter den Namen der bedeutenden Mäzene vor – ungerechterweise. Unsere drei Konzerte enthalten Musik ihrer Zeit, gespielt auf den Instrumenten des 18. Jahrhunderts. Ohne die originalen Klangfarben des Cembalos und der Barockgeige, der Flûte traversière und der Viola da Gamba büßt die französische Musik vieles von ihrem Zauber ein. Die Auswahl der Werke legt einen bunten Querschnitt durch die Musik, die die Pompadour kannte, liebte und förderte.

Unser Panorama beginnt in den Kleinen Kabinetten, jener Enklave von Privatheit, die die Pompadour klugerweise für den menschenscheuen König im öffentlichen Hofleben von Versailles einrichtete. Dorthin zog man sich abends zurück, vergnügte sich beim Kartenspielen und bei Musik, vorzugsweise bei Kantaten. Die französische Cantate, Gegenstück zur italienischen Solokantate des Barock, ist großen Themen aus der antiken Mythologie gewidmet. Das Bild der Zauberin Medea, die ihre Kinder ermordet, weil sie ihr Mann Jason verlassen hat, war in diesem Zusammenhang eine Mahnung an die Treue eines Königs, die Ludwig XV. überhörte. Die Musik dazu schuf Louis-Nicolas Clérambault, neben Lully der wichtigste Repräsentant der französischen Hofmusik im großen, alten Stil. Die Pompadour hat diese ehrwürdige Musik noch gerne und regelmäßig aufgeführt. In den Petits Cabinets verband sie sich mit moderner Kammermusik wie den Flöten- und Violinsonaten von Jean-Marie Leclair. Diesem unbestritten größten Geiger Frankreichs in jener Zeit sagte man nach, wie ein Engel zu musizieren.

Das zweite Programm führt uns nach Paris, und auch dort war die Musik der Pompadour allgegenwärtig. Im 25. Concerto comique von Michel Corrette – das nur deshalb komisch heißt, weil es als Zwischenaktmusik in den Opéras comiques erklang – wird als Mittelsatz eine Arie zitiert, die die Pompadour selbst auf der Bühne gesungen hat: „Quand on sçait aimer et plaire“ aus dem Dorfwahrsager von Jean-Jacques Rousseau. Der Philosoph, den die Pompadour ironisch den „Kauz“ nannte, hatte diesen Versuch einer französischen Operette im italienischen Stil ihr gewidmet. Sie war singend der Star etlicher Produktionen und belehrte ihre Zeitgenossen darüber, wie man „lieben und gefallen“ solle. Die Auseinandersetzung zwischen italienischer und französischer Musik, die Rousseau in der öffentlichen Diskussion anheizte, bestimmte das Schaffen fast aller Pariser Komponisten jener Zeit. Michel Blavet, Soloflötist der Pariser Oper, hatte sich ganz dem italienischen Lager zugeschlagen und schrieb ein Flötenkonzert auf den Spuren Vivaldis. Als zu italienisch für den Hof in Versailles wurde die Musik von François-André Philidor abgelehnt. Im Hauptberuf Europameister im Schach, war der Spross einer bekannten Musikerfamilie dank seiner Schach-Tourniere schon früh nach England und Deutschland gekommen, wo längst der italienische Stil regierte. Dies hat Philidor zu seiner italophilen Kunst der Modulation inspiriert.

Trotz der hohen Qualität der französischen Kammermusik jener Epoche stand das Musiktheater im Zentrum des Interesses. Auch die Pompadour ließ Opern des größten französischen Komponisten aufführen: Jean-Philippe Rameau. Tänze aus den Surprises de l’amour und anderen ihr gewidmeten Bühnenwerken hat der Meister aus Dijon in seinen Pièces de clavecin en concert verarbeitet, so etwa die mitreißenden Tambourins aus Dardanus. Auch in den Sauvages aus Correttes Concert haben wir einen damals weltbekannten Tanzsatz von Rameau vor uns. Im ersten Satz seines III. Concert hat Rameau seinem wichtigsten Gönner gehuldigt: dem obersten Steuereinnehmer Le Riche de Laplonière. Dessen Frau setzte sich 1750 in den Kopf, der Marquise de Pompadour den König auszuspannen – vergeblich. In dieser Weise durchdringen sich in der Musik der Pompadour-Zeit italienischer und französischer Geschmack, Theatralisches und Galantes, höfischer Tratsch und amouröse Intrigen.