Zwei Stücke für Streichquartett, op. 2 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Theodor W. Adorno

Zwei Stücke für Streichquartett, op. 2

Zwei Stücke für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 2

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3253

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

2003
THEODOR W. ADORNO
Zwei Stücke, op. 2

Zum 100. Geburtstag von Theodor Ludwig Wiesengrund-Adorno waren die Feuilletons der Deutschen Zeitungen und die Features der Rundfunkanstalten voll von kritischen Würdigungen des Frankfurter Philosophen, Ästhetikers und Musikkritikers. Ja selbst die Politik hat sich Adornos angenommen, angeführt von der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth, die die Bürgerinnen und Bürger ihrer Stadt aufrief, „Adorno zu entdecken und sich von seinen Fragen zu eigenen Antworten anregen zu lassen“.

In unserem Konzert werden keine Fragen gestellt, die sich der Schärfe der Adornoschen Dialektik aussetzen müssten. Vielmehr wird der Blick bzw. das Ohr auf den Komponisten Adorno gelenkt, der aus dem Schatten des übermächtigen Denkers nie recht hat heraustreten können und wollen. Dank der Rundfunkanstalten, einiger Konzertveranstalter und aufgeschlossener junger Ensembles war dies im Jubiläumsjahr 2003 anders. Musik des Berg-Schülers Adorno war allenthalben zu hören. Dem schließen sich SWR2 und das Kuss-Quartett im heutigen Konzert an.

1925/26, als er schon von Frankfurt nach Wien übergesiedelt war und sein Studium bei Alban Berg aufgenommen hatte, schrieb Adorno seine zwei Stücke für Streichquartett, op. 2. Liest man das Verzeichnis seiner damals verfassten Rezensionen – so etwa über Kammermusik von Hindemith, Weberns Orchesterstücke, Schönbergs Serenade, Bergs Wozzeck oder Bartóks Tanzsuite -, wird der polyglotte Hintergrund sichtbar, vor dem er seine eigenen Werke komponierte. Gero Desczyk hat diesen Hintergrund näher beleuchtet:

„Adorno genoss in Frankfurt Kompositionsunterricht bei Bernhard Sekles, dem Lehrer Paul Hindemiths, und später in Wien bei Alban Berg. In dieser Zeit begann sich die Musik nach den Erschütterungen der freien Atonalität wieder zu konsolidieren: Schönberg arbeitete die Zwölftontechnik aus, Hindemith übte sich in einem vital-motorischen Stil, der zu seiner Spielart des Neoklassizismus führte. Adornos prägender Eindruck jedoch blieb der Schönberg der Fünf Orchesterstücke, der „Erwartung“ und der „Glücklichen Hand“, Werke des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts, Werke der Angst. Ihre Reflexe finden sich in den Streichquartetten, den Sechs kurzen Orchesterstücken und in den zwei Projekt-Stücken zur Oper „Der Schatz des Indianer-Joe“: Kompositionen, die zwischen 1925 und 1933 entstanden und stilistisch gewissermaßen 20 Jahre zu spät sind.

An handwerklicher Präzision lassen sie nichts zu wünschen übrig, zum Schönbergschen Expressionismus gesellen sich hier Bergsche Opulenz, dort Webernsche Filigranarbeit, und auch die Erfahrungen der Zwölftontechnik werden dem älteren Idiom geschickt zugeführt…

Auch Adorno muss irgendwann gespürt haben, dass er die Karriere, die er machen wollte, als Komponist nicht machen konnte. Sein Naturell war nicht in erster Linie produktiv, sondern kritisch, mit einer einzigartigen Einfühlung in das Schaffen anderer begabt, die nicht nur aus der seltenen Nähe seiner Texte zu ihren Gegenständen spricht, sondern auch aus seinen Kompositionen: Er fand gleichsam keinen Platz zwischen der Ausdruckskraft Schönbergs, der Humanität Bergs und der Intimität Weberns, die er alle so stark empfunden haben muss, dass sie ihm wie sein eigenes Idiom erschienen. Nicht einmal andere Gattungen als seine Leitbilder wollte Adorno bearbeiten – eigentlich der einfachste Weg, um sich neben übermächtigen Figuren zu behaupten. Adorno ist ein Komponist von Streichquartetten, Liedern, Klavier- und Orchesterstücken, wie es alle Komponisten der ersten Generation der Wiener Schule waren.

Er hat das Komponieren allerdings nie aufgegeben, sondern nur in den Privatbereich verschoben, wo es seiner Tendenz nach auch hingehörte: Es war eine Angelegenheit, die ihm zu ernst war, als dass er den Blick der Öffentlichkeit darauf ertragen hätte. Es war der Bereich, in dem er sich außerhalb der von ihm als Philosoph entdeckten – historischen Tendenz des Materials – bewegen konnte, so wie er wollte: Frei den Impulsen des Ursprungs folgend, unentfremdet von den Zwängen der Geschichte.“