Sonate Nr, 2 e-Moll, op. 36a | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ferruccio Busoni

Sonate Nr, 2 e-Moll, op. 36a

Sonate Nr. 2 e-Moll für Violine und Klavier, op. 36a

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3256

Satzbezeichnungen

1. Langsam

2. Presto

3. Andante, più tosto grave

4. Andante con moto (Tema)

5. Poco più andante (Var. I)

6. Alla marcia, vivace (Var. II)

7. Lo stesso movimento (Var. III)

8. Andante (Var. IV)

9. Tranquillo assai (Var. V)
10. Allegro deciso, un pocco maestoso (Var. VI)
1
1. Più tranquillo, apoteotico (Coda)

Erläuterungen

2003
FERRUCCIO BUSONI
Violinsonate e-Moll, op. 36a

Der italienische Komponist Ferruccio Busoni war ein Wanderer zwischen den musikalischen Welten Deutschlands und Italiens. 1866 in Empoli bei Florenz geboren und 1924 in Berlin gestorben, galt er den Italienern als deutscher Komponist und den Deutschen als Italiener. Das Klavierwunderkind Busoni hatte seine pianistische und kompositorische Ausbildung im Norden erhalten und blieb im Geschmack zeitlebens germanophil. Gleichwohl vermied er es, in die Fahrwasser jener Sentimentalität zu geraten, wie sie in Deutschland bei den Epigonen eines Franz Liszt üppig blühte. Busonis englischer Biograph Edward Dent hat dies auf eine einfache Formel gebracht: „Er war genug Lateiner, um die Sentimentalität der zweitrangigen deutschen Komponisten zu scheuen, und im selben Augenblick genug Deutscher, um nicht in eine Sentimentalität italienischer Prägung zu verfallen.“ In Busonis Frühwerken wie der 2. Violinsonate von 1898 kommt diese Zwitterstellung deutlich zum Ausdruck.

Der Einfluss von Liszt ist in diesem Werk unüberhörbar, in der Harmonik wie im Klaviersatz, der im Sinne einer Sonate für Klavier und Violine (Originaltitel) dominiert. In der Violinstimme dagegen hört man immer wieder lange Belcanto-Linien, ein Zeichen für Busonis italienisches Erbe. In der Verbindung zwischen diesen beiden Elementen liegt die Eigenart des Werkes begründet, das Busoniden Beginn seines eigenen Weges als Komponist und „mein opus eins“ zu nennen pflegte.

Die e-Moll-Sonate ist nach dem Vorbild bedeutender Werke von Liszt (h-Moll-Klaviersonate) in einem einzigen riesigen Satz von einer halben Stunde Dauer geschrieben, der in drei Abschnitte zerfällt: einen langsamen ersten Teil, eine zentrales Presto und ein Variationenfinale. Als Modell für diese Dreiteilung wird im allgemeinen Beethovens Klaviersonate in E-Dur, op. 109, genannt. Neben diesem Vorbild reichen sich, wie es Harry Halbreich treffend formulierte, „die beiden großen Idole des Busonischen Denkens in jener Epoche – Bach und Liszt – in diesem Meisterwerk die Hand.“

Liszt gab die Idee zur Mehrsätzigkeit in der Einsätzigkeit und lieferte das harmonische Rüstzeug für die weiten harmonischen Wege, die Busoni in der hypertrophen Form zurückzulegen hatte, Bach lieferte das Thema zu den Variationen. Es handelt sich um das geistliche Lied Wie wohl ist mir, o Freund der Seele, das im Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach von 1725 steht, anscheinend aber nicht vom Thomaskantor stammt. Busoni schrieb über diesen Pseudo-Bach fünf Variationen mit Fuge und Coda, in der das Lied mit den anderen Themen der Sonate kombiniert wird.

Die ersten beiden dieser anderen Themen sind ein e-Moll-Motto aus vier Akkorden und ein zweites Thema in B-Dur, die im einleitenden langsamen Teil vorgestellt werden. Aus dem Mittelteil dieses Abschnitts ist die Tarantella des Presto entwickelt, daran schließt sich die langsame Überleitung zum Bachthema an. Die Variationen bestehen aus langsamen, choralartigen Abschnitten, einem Alla Marcia und einer virtuosen Violinvariation im Wechsel und gipfeln zunächst in einer Fuge (Tranquillo assai), in der die Nähe zu Beethovens Opus 109 greifbar wird. Danach kehrt die langsame Einleitung der Variationen wieder und wird allmählich bis zur grandiosen Themenapotheose gesteigert. Das Werk endet Quasi sacro, in einer aus Bach- und Liszt-Anklängen gemischten Atmosphäre.