Bläserquintett D-Dur, op. 95 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Joseph Bohuslav Foerster

Bläserquintett D-Dur, op. 95

Quintett für Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3411

Satzbezeichnungen

1. Allegro moderato

2. Andante sostenuto

3. Allegro scherzando – Trio. Andante con moto – Scherzo D.C.

4. Moderato e tranquillo – Allegro deciso

Erläuterungen

2004
JOSEF B. FOERSTER
Bläserquintett D-Dur, op. 95

Der Prager Komponist Josef Bohuslav Foerster war ein Zeitgenosse und Freund von Gustav Mahler. Wie sein großer Kollege ist er im Spannungsfeld zwischen deutscher und tschechischer Musikkultur aufgewachsen. Als Sohn des Prager Domorganisten trat er zunächst in die Fußstapfen des Vaters und wurde selbst Organist – an der Prager Kirche St. Voitech als Nachfolger Dvoraks. Jenseits der Orgelbank freilich entdeckte er zwei noch stärkere Attraktionen: die Oper und die Tageszeitung. Sie führten ihn nach Deutschland und Wien, bevor er 1918 in die Heimat zurückkehrte.

Für den Rest seines langen Lebens – er starb 1951 im Alter von 91 Jahren – wechselte Foerster zwischen Feuilletonredaktion, Opernhaus und diversen Konservatorien die Seiten. So war er auf Anregung Gustav Mahlers in dessen Hamburger Zeit Klavierprofessor am Konservatorium der Hansestadt. Die enge Verbindung zu Mahler ergab sich aus dessen (musikalischer) Vorliebe für Foersters Ehefrau, die Sopranistin Berta Lauterová. Nachdem sie unter Mahler schon in Hamburg gesungen hatte, nahm sie der frisch gebackene Direktor der Wiener Hofoper 1903 mit in die Donaumetropole. Foerster folgte seiner Frau und konnte sich in Wien als Kompositionsprofessor am Konservatorium und Musikkritiker etablieren. In dieser Zeit entstanden seine wichtigsten Werke.

Der Zusammenbruch der K. und K. Monarchie 1918 bewog die Foersters, ins nun unabhängige Tschechien heimzukehren. Nach und nach erklomm der Meister die höchsten Stufen im tschechischen Musikleben: Professor, Ehrendoktor der Prager Universität, Präsident der Akademie der Wissenschaften und den Ehrentitel eines „Nationalkünstlers“. Freilich steht sein internationaler Ruhm zum nationalen in keinem Verhältnis. Seine sechs tschechischen Opern – so welthistorische Titel wie Debora oder Eva sind darunter – schafften den Sprung aus den Mauern des Nationaltheaters in Prag ebenso wenig wie die meisten von Dvorak oder Smetana.

Auch sonst tendiert sein Schaffen zum Großen und zur Vokalmusik. Unter den mehr als 190 gedruckten Opera finden sich allein rund 350 Lieder, die er zu Zyklen wie dem Erotikon Opus 24 zusammenfasste, sowie mehr als 300 Chorwerke. Die vier Symphonien gemahnen an Brahms, zwei Violinkonzerte, ein Cello- und ein kleines Flötenkonzert vertreten das konzertante Genre. Auch an Kammermusik hat Foerster ein ansehnliches Oeuvre hinterlassen: fünf Streichquartette, drei Klaviertrios, je ein Klavierquintett, Streichquintett und Nonett sowie mehrere Violinsonaten. Dank tschechischer Künstler wie Josef Suk oder dem Foerster Trio blieb einiges davon auf Platte wie im Konzertsaal lebendig, freilich überwiegend in Foersters Heimat.

Das Bläserquintett in D-Dur, op. 95, ist 1909 in Wien entstanden. Es zeigt, wie sehr Foersters Sympathien in Stilfragen den Spätromantikern gehörten. Auch aus seinen unzähligen Musikkritiken geht dies unmissverständlich hervor. Er liebte Dvorak und Smetana, Bruckner und Mahler, Grieg und Tschaikowsky. In seinem Quintett hat er diese stilistischen Vorbilder in etwas kompaktere Formen gekleidet als sonst, denn hier standen die frühen Sonatenformen der vorklassischen Bläsermusik Böhmens Pate.

Der erste Satz, Allegro moderato, ist kein ausgeprägter Sonatensatz mit zwei Themen, sondern ein eher lockeres Alternieren zwischen drei Einfällen: dem munteren Hauptthema, einem etwas langsameren Motiv aus kleinen Terzen und einem melancholischen Ländler, der auch nach Moll versetzt wird.

Im folgenden Andante sostenuto wird eine lyrische Es-Dur-Melodie breit ausgesponnen, dann aber plötzlich in einen Walzer im Allegro verwandelt. Am Ende kehrt sie im ruhigen Tempo wieder.

Die dunkleren Schattierungen des Bläserklangs hat Foerster im Scherzo ausgelotet. Im Hauptteil spielt ein Allegro scherzando in c-Moll mit Staccato-Oktaven und flinken Läufen in hoher Lage. Das Trio in As-Dur setzt als Andante con moto in tiefer Klanglage einen lyrischen Kontrast. Das Finale gefällt sich zunächst in kapriziösem Schwanken zwischen mehreren Tempi und Motiven, bevor es einer volkstümlichen Tanzmelodie im schnellen Dreiertakt ihren Lauf lässt. (Karl Böhmer)