"Fuga Y Misterio" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Astor Piazzolla

"Fuga Y Misterio"

„Fuga Y Misterio“ (Arr. Raul Jaurena)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3466

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

2004
ASTOR PIAZZOLLA
Zwei Stücke

Astor Piazzolla, der König des Bandoneon und des Nuevo Tango, hat mit seinen Kompositionen den Geist des argentinischen Tanzes so radikal verwandelt, dass er wesentlich zur „Tangomanie“ unserer Zeit beitrug.

1921 in Buenos Aires geboren, hatte Piazzolla als Filmkomponist und Kammermusiker „schon eine Weltkarriere hinter sich, als er um 1961 den ‚Nuevo Tango‘ entwickelte und mit seinem Quintett – er selber spielte das Bandoneon – als ‚Missionar des Tango‘ um die Welt zu ziehen begann. Seine ersten Auftritte in Deutschland in den frühen 80er Jahren wurden als Sensation gefeiert,“ so schrieb die Süddeutsche Zeitung in ihrem Nachruf auf den 1992 verstorbenen Komponisten. Tatsächlich begann die Tango-Revolution, die Piazzolla auslöste, jedoch schon früher. Komposition hatte der Argentinier dort studiert, wohin es fast alle südamerikanischen Komponisten jener Zeit zog: bei Nadia Boulanger in Paris. Die Neigungen seiner Lehrerin zur Barockmusik und zu klassischen Formen haben sich in so manchem Piazzolla-Stück niedergeschlagen, wie beispielsweise in Fuga y Misterio. Als Piazzolla 1955 nach Argentinien zurückkehrte, schlug mit der Gründung des Octeto Buenos Aires die Geburtsstunde des Nuevo Tango.

Der Klang des Ensembles und seine schiere Energie lösten in dem Komponisten eine geradezu hemmungslose Schaffenswut aus: nahezu 40 Kompositionen und Arrangements schuf er in zwei Jahren. Die Entscheidung, mit dem herkömmlichen Tango zu brechen und ihn in eine hochvirtuose Musik für Instrumental-Ensemble zu verwandeln, fiel damals. Denn das Octeto Buenos Aires mit seinen je zwei Bandoneons und Violinen, mit Klavier, Cello, elektrischer Gitarre und Kontrabass setzte an die Stelle des elitären gesungenen Tangos der 40er Jahre eine aktuelle Klanglichkeit mit kammermusikalischem Flair. Dieser neuen Attraktion konnten sich auch die größten klassischen Musiker unserer Zeit nicht entziehen: der Geiger Gidon Kremer, der Cellist Mstislav Rostropowitsch und zahllose andere verfielen dem Sog des Nuevo Tango. So auch Giora Feidman, der seine eigene Welt, die des Klezmer, mit der seines großen Landsmanns verband.

Die beiden Piazzolla-Arrangements unseres Programms stammen von Raul Jaurena, seines Zeichens Bandoneonvirtuose aus Montevideo in Uruguay. Beim Jazz Festival in Montreux und anderen Gelegenheiten arbeitete er eng mit Astor Piazzolla zusammen – Basis für die hier gespielten Arrangements. Sie geben zwei der bekanntesten Piazzolla-Stücke ein neues Klanggewand: Fuga y Misterio und Vuelvo al Sur.

Fuga y Misterio (Fuge und Geheimnis) ist der fünfte Teil der Tango-Oper Marià de Buenos Aires, die Piazzolla 1968 auf einen Text von Horacio Ferrer komponierte. Das Allegrothema in e-Moll, mit dem das Stück anhebt, ist in seiner rhythmischen Kraft und eruptiven Gewalt ein typischer Piazzolla. Es wird nach Art ener Fuge durchgeführt, also von den Stimmen nacheinander aufgegriffen. Ihm folgt ein zweites Thema mit scharf akzentuierten Synkopen, gewürzt mit Fortissimo-Akzenten und Glissandi. Erst das dritte Thema ist lyrisch und in langsamem Tempo gehalten. Es ist ein ruhiger Gesang in langen Noten über leichter, tragender Begleitung – in der Originalfassung für Sextett ein Violinsolo, in der späteren Fassung für 12 Celli ein Klanggewebe aus Pizzicati und Flageoletts. In der Bogenform kehren danach zweites und erstes Thema wieder, bevor es im unbändigen Accellerando quasi orgiastisch endet.

Vuelvo al sur ist ursprünglich die Vertonung eines Gedichts von Fernando Solanas, ein gesungener Tango, der zu Piazzollas populärsten Melodien gehört. Der Text erzählt von der Liebe zum Süden:

Ich kehre zurück zum Süden,
wie man immer wieder zur Liebe
zurückkehrt,
Ich kehre zu dir zurück
mit meiner Sehnsucht, meiner Angst.
Ich trage den Süden im Herzen
wie ein Verhängnis,
Ich stamme aus dem Süden
wie die Melodien des Bandoneon.
Ich träume vom Süden,
ein großer Mond, der Horizont.
Ich suche nach dem Süden,
der offenen Zeit und ihrem Danach,
Ich liebe den Süden,
seine guten Menschen, seine Würde.
Ich spüre den Süden
wie ich deinen Körper spüre
in intimen Momenten.
Ich liebe dich, Süden,
Süden, ich liebe dich.
Ich kehre zurück zum Süden,
wie man immer wieder zur Liebe
zurückkehrt.