Quartett Nr. 1 D-Dur, op. 23 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Antonin Dvorak

Quartett Nr. 1 D-Dur, op. 23

Quartett Nr. 1 D-Dur für Violine, Viola, Violoncello und Klavier, op. 23

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3471

Satzbezeichnungen

1. Allegro moderato

2. Andantino

3. Finale. Allegretto scherzando – Allegro agitato

Erläuterungen

2004
ANTONIN DVORAK
Klavierquartett D-Dur, op. 23

Wenn Dvorak bei Mozart davon sprach, es sei alles “so schön komponiert”, so nahm dieses Verlangen nach absoluter Schönheit in seiner eigenen Musik oft genug einen Zug zum schier endlosen Sich-Aussingen an. Eine volkstümliche Wendung folgt auf die nächste, im Klang und in der weich-schillernden Harmonik sich stetig steigernd. Ganz so ist der erste Satz des D-Dur-Klavierquartetts, op. 23, angelegt. Das so unscheinbar daherkommende Cellothema, das von der Violine sanft nach Moll abschattiert und vom Klavier in hellsten Klang getaucht wird, lässt kaum vermuten, dass es als Material für einen viertelstündigen Sonatensatz dient. Nach der rhythmisch kraftvollen ersten Überleitung kehrt das Thema bereits gesteigert wieder, und auch im weiteren Satzverlauf bleibt es stets präsent: als motivischer Anklang, als Brücke zur nächsten großen Steigerung. Von ähnlich lyrisch-volkstümlichem Zuschnitt wie das Haupt- ist auch das Seitenthema, das alsbald in einen typischen Dvorak-Klang gehüllt wird und sich schier endlos-singend in immer wieder neuem Anlauf steigert. Die motivisch-thematische Arbeit und die durchaus romantisch-auftrumpfenden Höhepunkte dieses Satzes treten gegenüber den Momenten lyrischen Verweilens zurück.

Zu Unrecht steht dieses Quartett bis heute im Schatten des viel populäreren A-Dur-Klavierquintetts von Dvorak. Die kleinere Besetzung mit Streichtrio ohne zweite Geige und Klavier scheint weniger Klangfülle zu suggerieren als im üppigen Quintett, doch schon der Kopfsatz des Opus 23 straft dieses Vorurteil Lügen. Komponiert 1875 in Dvoraks “slawischer Periode”, ist das Quartett ein Zeugnis seiner genialen Klangregie wie tiefen Verbundenheit mit der Volksmusik seiner Heimat. Zugleich ist es ein Dokument des Aufbruchs zu neuen Gefilden eines von Brahms geprägten, strengeren Stils. An Dvoraks erste Periode erinnern allerdings noch die ausufernden Formen der drei Sätze.

Mit einem wehmütigen Mollgesang der Streicher im Andantino hebt der zweite Satz an. Das Klavier greift den Schluss jeder Phrase echoartig auf. Der Duktus des “Volkstons”, eines bewusst einfachen Musizierens, verbindet sich mit einer Ahnung von Claire de Lune und Nachtstück. In den folgenden fünf Variationen kommt es zu bewegten Dialogen der Streicher, zu einer Art Klavier-Nocturne, zu einem Schumannesken Tanz und zu seligen Ausblicken in nie ganz erreichte Durregionen. Letztere brechen sich umso entschiedener im Finale Bahn, in dem Dvorak Scherzo und Rondo überblendet hat. Der Beginn im Dreiertakt, eine Art Valse Scherzo, wird von einem Allegro agitato im Vierertakt verdrängt. Im Verlauf dieses Rondos meldet sich dann aber doch wieder das Scherzothema zu Wort.