Violinsonate Nr. 1 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Bohuslav Martinu

Violinsonate Nr. 1

Sonate Nr. 1 für Violine (1929)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3481

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Andante

3. Allegretto

Erläuterungen

2004
BOHUSLAV MARTINU
Violinsonate Nr. 1

Im Schaffen Bohuslav Martinus gipfelt die tschechische Violinkammermusik – paradoxerweise bei einem Komponisten, der sich am ehrwürdigen Prager Konservatorium als ungelehriger Violinschüler erwies. Im Grenzland zwischen Böhmen und Mähren, in der böhmisch-mährischen Hochebene, wuchs Martinu um 1900 auf. Der Schneider des kleinen Städtchens Policka war sein erster Geigenlehrer, und schon mit 12 versuchte sich Bohuslav an einem ersten Streichquartett.
Mit 16 ging er nach Prag, offiziell, um Geige zu studieren, inoffiziell in der erklärten Absicht, Komponist zu werden. Seine Instrumentallehrer verdross dieser Berufswunsch, denn je mehr Martinu komponierte, desto weniger gewissenhaft übte er – weder auf der Violine noch auf Orgel und Klavier. Mit 20 flog er vom Konservatorium, und erst nach dem Ersten Weltkrieg bekam er eine Geigerstelle im Orchester des Prager Nationaltheaters. Auch hier trat rasch wieder seine eigentliche Passion in den Vordergrund. Bald bescherte ihm seine Tschechische Rhapsodie für Orchester den Smetana-Preis.

Ein zweiter Anlauf am Prager Konservatorium, diesmal in der Kompositionsklasse von Dvoraks Schwiegersohn Josef Suk, verlief vielversprechend. Doch schon nach einem Jahr begab sich Martinu mit einem Stipendium nach Paris, um bei Albert Roussel zu studieren. Drei Monate waren vorgesehen, es wurden 17 Jahre daraus.
1923 angekommen, gelang ihm fünf Jahre später mit dem Ballett La Revue de cuisine der Durchbruch. Er fand einen französischen Verleger (Alphonse Leduc) und eine französische Frau, Dirigenten, die sein Werk bewunderten wie Ansermet, Munch und Paul Sacher sowie Mäzene, die ihn mit Preisen bedachten.

Obwohl Martinu gleich mehrfach die Nachfolge Janaceks als Leiter des Konservatoriums in Brno (Brünn) ausschlug, um in Paris bleiben zu können, sind doch viele seiner Pariser Werke von der Sehnsucht nach der Heimat geprägt. Sie spricht aus seinen wundervollen Streichquartetten, seinen Serenaden für Klarinetten und Streicher, seiner Bläser-Kammermusik mit und ohne Klavier, in denen die tschechische Kammermusik des 20. Jahrhunderts gipfelt.

16 Opera für Violine und Klavier hat Martinu geschrieben – von der frühen, spätromantischen Elegie aus dem Jahre 1909 bis zur Tschechischen Rhapsodie von 1945. In dieser mehr als vier Jahrzehnte umspannenden Entwicklung nimmt die Violinsonate die zentrale Stellung ein. Freilich wartete der Komponist mit seiner offiziellen Sonate Nr. 1 bis zum Jahre 1929. Vorausgegangen waren ihr eine auf den Spuren César Francks wandelnde C-Dur-Sonate und eine wesentlich bedeutendere d-Moll-Sonate von 1926. Es war jedoch erst der jazzige Zeitgeist der späten Zwanziger, unter dessen Auspizien Martinu seine offizielle Nr. 1 zum Druck beförderte. Sie gilt in der Literatur allgemein als seine „Jazz-Sonate“, angeregt gleichermaßen von Ravel wie von Gershwins Rhapsody in blue.